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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Eine erste Seereise
willkommenes Gericht liefern dagegen die fliegenden Fische.
Ihnen stellten wir daher eifrig nach und auch mit recht gutem
Erfolge. Außenbords wurden möglichst nahe über der Wasser-
fläche an Stangen Netze horizontal befestigt und Nachts eine
Laterne hineingehängt. Die durch das Schiff aufgescheuchten
Fische flogen dann oft gegen das Licht und bisweilen fingen
wir in einer Nacht mehrere Dutzend. Nichts kann den Reisen-
den einen deutlicheren Begriff von der wunderbaren Reichhaltig-
keit der Meeresfauna geben, als der fliegende Fisch. Er lebt
innerhalb der Wendekreise, also in einer Zone, welche bei un-
gefähr 1000 geographischen Meilen Breite die ganze Erde um-
faßt. Wenn man in dieser Zone segelt, sieht man in irgend
einer Richtung beständig Schaaren von ihnen fliegen, die oft
nach Hunderten und Tausenden zählen.

Dann und wann zog auch eine Herde Pottfische in der
Nähe vorüber und fesselte unsere Aufmerksamkeit; überhaupt
fehlte es für mich, da mir alles dies neu war, nicht an Ab-
wechselung.

Mein Lieblingsplatz war der Außenklüverbaum, die zweite
Verlängerung des Bugspriets und vierzig bis funfzig Fuß vor
dem Schiffsrumpfe gelegen. Dort saß ich auf meiner Frei-
wache im Passat oft Stundenlang, um den Ocean in seiner
ganzen Schönheit bewundernd zu betrachten und seinen Zauber
voll auf mich wirken zu lassen. War das Meer mir im Nor-
den in schauerlicher Erhabenheit und Majestät erschienen, so
bot es hier das Bild lieblicher und doch großartiger Ruhe.
Leise schaukelte sich auf den vom goldigen Sonnenlichte über-
gossenen Fluthen das Schiff, das ich draußen, von meinem
luftigen Sitze, wie ein von mir getrenntes Wesen überschaute.
Dort unten der schmale schwarze Rumpf, an dessen scharfen
Bug sich die Wellen schäumend kräuselten und in ihrem feinen
Wasserstaube die Sonnenstrahlen zu einem Regenbogen verdich-
teten -- darüber der Pyramidenbau der von der gleich-

Eine erſte Seereiſe
willkommenes Gericht liefern dagegen die fliegenden Fiſche.
Ihnen ſtellten wir daher eifrig nach und auch mit recht gutem
Erfolge. Außenbords wurden möglichſt nahe über der Waſſer-
fläche an Stangen Netze horizontal befeſtigt und Nachts eine
Laterne hineingehängt. Die durch das Schiff aufgeſcheuchten
Fiſche flogen dann oft gegen das Licht und bisweilen fingen
wir in einer Nacht mehrere Dutzend. Nichts kann den Reiſen-
den einen deutlicheren Begriff von der wunderbaren Reichhaltig-
keit der Meeresfauna geben, als der fliegende Fiſch. Er lebt
innerhalb der Wendekreiſe, alſo in einer Zone, welche bei un-
gefähr 1000 geographiſchen Meilen Breite die ganze Erde um-
faßt. Wenn man in dieſer Zone ſegelt, ſieht man in irgend
einer Richtung beſtändig Schaaren von ihnen fliegen, die oft
nach Hunderten und Tauſenden zählen.

Dann und wann zog auch eine Herde Pottfiſche in der
Nähe vorüber und feſſelte unſere Aufmerkſamkeit; überhaupt
fehlte es für mich, da mir alles dies neu war, nicht an Ab-
wechſelung.

Mein Lieblingsplatz war der Außenklüverbaum, die zweite
Verlängerung des Bugſpriets und vierzig bis funfzig Fuß vor
dem Schiffsrumpfe gelegen. Dort ſaß ich auf meiner Frei-
wache im Paſſat oft Stundenlang, um den Ocean in ſeiner
ganzen Schönheit bewundernd zu betrachten und ſeinen Zauber
voll auf mich wirken zu laſſen. War das Meer mir im Nor-
den in ſchauerlicher Erhabenheit und Majeſtät erſchienen, ſo
bot es hier das Bild lieblicher und doch großartiger Ruhe.
Leiſe ſchaukelte ſich auf den vom goldigen Sonnenlichte über-
goſſenen Fluthen das Schiff, das ich draußen, von meinem
luftigen Sitze, wie ein von mir getrenntes Weſen überſchaute.
Dort unten der ſchmale ſchwarze Rumpf, an deſſen ſcharfen
Bug ſich die Wellen ſchäumend kräuſelten und in ihrem feinen
Waſſerſtaube die Sonnenſtrahlen zu einem Regenbogen verdich-
teten — darüber der Pyramidenbau der von der gleich-

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[55/0067] Eine erſte Seereiſe willkommenes Gericht liefern dagegen die fliegenden Fiſche. Ihnen ſtellten wir daher eifrig nach und auch mit recht gutem Erfolge. Außenbords wurden möglichſt nahe über der Waſſer- fläche an Stangen Netze horizontal befeſtigt und Nachts eine Laterne hineingehängt. Die durch das Schiff aufgeſcheuchten Fiſche flogen dann oft gegen das Licht und bisweilen fingen wir in einer Nacht mehrere Dutzend. Nichts kann den Reiſen- den einen deutlicheren Begriff von der wunderbaren Reichhaltig- keit der Meeresfauna geben, als der fliegende Fiſch. Er lebt innerhalb der Wendekreiſe, alſo in einer Zone, welche bei un- gefähr 1000 geographiſchen Meilen Breite die ganze Erde um- faßt. Wenn man in dieſer Zone ſegelt, ſieht man in irgend einer Richtung beſtändig Schaaren von ihnen fliegen, die oft nach Hunderten und Tauſenden zählen. Dann und wann zog auch eine Herde Pottfiſche in der Nähe vorüber und feſſelte unſere Aufmerkſamkeit; überhaupt fehlte es für mich, da mir alles dies neu war, nicht an Ab- wechſelung. Mein Lieblingsplatz war der Außenklüverbaum, die zweite Verlängerung des Bugſpriets und vierzig bis funfzig Fuß vor dem Schiffsrumpfe gelegen. Dort ſaß ich auf meiner Frei- wache im Paſſat oft Stundenlang, um den Ocean in ſeiner ganzen Schönheit bewundernd zu betrachten und ſeinen Zauber voll auf mich wirken zu laſſen. War das Meer mir im Nor- den in ſchauerlicher Erhabenheit und Majeſtät erſchienen, ſo bot es hier das Bild lieblicher und doch großartiger Ruhe. Leiſe ſchaukelte ſich auf den vom goldigen Sonnenlichte über- goſſenen Fluthen das Schiff, das ich draußen, von meinem luftigen Sitze, wie ein von mir getrenntes Weſen überſchaute. Dort unten der ſchmale ſchwarze Rumpf, an deſſen ſcharfen Bug ſich die Wellen ſchäumend kräuſelten und in ihrem feinen Waſſerſtaube die Sonnenſtrahlen zu einem Regenbogen verdich- teten — darüber der Pyramidenbau der von der gleich-

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/67>, abgerufen am 22.11.2024.