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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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"Victoria" hatten von dem Ausschiffungsorte mit ihren Kleider-
säcken zwei Stunden auf ungebahnten Sandwegen zu marschi-
ren, ehe sie Cartagena erreichten, und wir hofften sie durch
diese Strapazen ebenfalls abzukühlen, wenn sie infolge der Sig-
nale etwa Widerstandsgedanken gehegt haben sollten. Am
andern Tage gab es nochmals eine kleine Aufregung. Der
englische Consul theilte Kapitän Ward mit, von Communisten
seien Flugblätter mit der Aufforderung zur Ermordung sämmt-
licher Consuln unter das Volk vertheilt und er wünsche sich
an Bord des "Swiftsure" einzuschiffen. Der "Torch" wurde
deshalb in den Hafen geschickt, um auch unseren Consul aufzu-
nehmen, doch nur der englische Consul mit seinen Damen schiffte
sich ein, der deutsche lehnte ab. Nach seiner Ansicht waren die
wenigen in Cartagena zurückgebliebenen Einwohner -- etwa
25,000 Menschen hatten seit der Revolution die Stadt ver-
lassen -- derart eingeschüchtert, daß Niemand jener Aufforde-
rung Folge leisten würde und deshalb sei für die Fremden
nichts zu fürchten, was sich auch voll bestätigte.

"Almansa" und "Victoria" sahen innen schrecklich aus.
Sie starrten von Schmutz und es herrschte auf ihnen eine kaum
glaubliche Unordnung. Wir hatten ein paar Tage mit einigen
Hundert Mann zu thun, um sie nur einigermaßen zu säubern.
Ersteres Schiff wurde von englischer, letzteres von deutscher
Seite bewacht.

Am 6. August erhielt ich Befehl, Contreras freizulassen;
er ging in Cartagena an Land, aber seine Rolle war ausge-
spielt. Der Boden schwankte schon unter seinen Füßen und
die Tage der Intransigenten waren gezählt. Die meisten von
"Victoria" und "Almansa" entlassenen Matrosen hatten nach
den gemachten bitteren Erfahrungen dem Canton Murcia den
Rücken gekehrt und waren theils nach Madrid gegangen, um
sich dort reuig zu gestellen, theils hatten sie sich in ihre

Werner
„Victoria“ hatten von dem Ausſchiffungsorte mit ihren Kleider-
ſäcken zwei Stunden auf ungebahnten Sandwegen zu marſchi-
ren, ehe ſie Cartagena erreichten, und wir hofften ſie durch
dieſe Strapazen ebenfalls abzukühlen, wenn ſie infolge der Sig-
nale etwa Widerſtandsgedanken gehegt haben ſollten. Am
andern Tage gab es nochmals eine kleine Aufregung. Der
engliſche Conſul theilte Kapitän Ward mit, von Communiſten
ſeien Flugblätter mit der Aufforderung zur Ermordung ſämmt-
licher Conſuln unter das Volk vertheilt und er wünſche ſich
an Bord des „Swiftſure“ einzuſchiffen. Der „Torch“ wurde
deshalb in den Hafen geſchickt, um auch unſeren Conſul aufzu-
nehmen, doch nur der engliſche Conſul mit ſeinen Damen ſchiffte
ſich ein, der deutſche lehnte ab. Nach ſeiner Anſicht waren die
wenigen in Cartagena zurückgebliebenen Einwohner — etwa
25,000 Menſchen hatten ſeit der Revolution die Stadt ver-
laſſen — derart eingeſchüchtert, daß Niemand jener Aufforde-
rung Folge leiſten würde und deshalb ſei für die Fremden
nichts zu fürchten, was ſich auch voll beſtätigte.

„Almanſa“ und „Victoria“ ſahen innen ſchrecklich aus.
Sie ſtarrten von Schmutz und es herrſchte auf ihnen eine kaum
glaubliche Unordnung. Wir hatten ein paar Tage mit einigen
Hundert Mann zu thun, um ſie nur einigermaßen zu ſäubern.
Erſteres Schiff wurde von engliſcher, letzteres von deutſcher
Seite bewacht.

Am 6. Auguſt erhielt ich Befehl, Contreras freizulaſſen;
er ging in Cartagena an Land, aber ſeine Rolle war ausge-
ſpielt. Der Boden ſchwankte ſchon unter ſeinen Füßen und
die Tage der Intranſigenten waren gezählt. Die meiſten von
„Victoria“ und „Almanſa“ entlaſſenen Matroſen hatten nach
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[410/0422] Werner „Victoria“ hatten von dem Ausſchiffungsorte mit ihren Kleider- ſäcken zwei Stunden auf ungebahnten Sandwegen zu marſchi- ren, ehe ſie Cartagena erreichten, und wir hofften ſie durch dieſe Strapazen ebenfalls abzukühlen, wenn ſie infolge der Sig- nale etwa Widerſtandsgedanken gehegt haben ſollten. Am andern Tage gab es nochmals eine kleine Aufregung. Der engliſche Conſul theilte Kapitän Ward mit, von Communiſten ſeien Flugblätter mit der Aufforderung zur Ermordung ſämmt- licher Conſuln unter das Volk vertheilt und er wünſche ſich an Bord des „Swiftſure“ einzuſchiffen. Der „Torch“ wurde deshalb in den Hafen geſchickt, um auch unſeren Conſul aufzu- nehmen, doch nur der engliſche Conſul mit ſeinen Damen ſchiffte ſich ein, der deutſche lehnte ab. Nach ſeiner Anſicht waren die wenigen in Cartagena zurückgebliebenen Einwohner — etwa 25,000 Menſchen hatten ſeit der Revolution die Stadt ver- laſſen — derart eingeſchüchtert, daß Niemand jener Aufforde- rung Folge leiſten würde und deshalb ſei für die Fremden nichts zu fürchten, was ſich auch voll beſtätigte. „Almanſa“ und „Victoria“ ſahen innen ſchrecklich aus. Sie ſtarrten von Schmutz und es herrſchte auf ihnen eine kaum glaubliche Unordnung. Wir hatten ein paar Tage mit einigen Hundert Mann zu thun, um ſie nur einigermaßen zu ſäubern. Erſteres Schiff wurde von engliſcher, letzteres von deutſcher Seite bewacht. Am 6. Auguſt erhielt ich Befehl, Contreras freizulaſſen; er ging in Cartagena an Land, aber ſeine Rolle war ausge- ſpielt. Der Boden ſchwankte ſchon unter ſeinen Füßen und die Tage der Intranſigenten waren gezählt. Die meiſten von „Victoria“ und „Almanſa“ entlaſſenen Matroſen hatten nach den gemachten bitteren Erfahrungen dem Canton Murcia den Rücken gekehrt und waren theils nach Madrid gegangen, um ſich dort reuig zu geſtellen, theils hatten ſie ſich in ihre

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/422>, abgerufen am 25.11.2024.