nichts, und es ließ sich daraus schließen, daß sie keine Besatzung hatten. Auf allen Schiffen sowie auf den Festungswerken wehte statt der spanischen die rothe Flagge, das neue Emblem des souveränen Cantons Murcia.
Während sich diese Vorgänge abspielten, kam der Comman- dant des englischen Kanonenbootes "Pigeon", welches als ein- ziges fremdes Kriegsschiff auf der Rhede von Escombrero ankerte, zu mir an Bord, um sich unter meinen Befehl zu stellen. Er theilte vollständig meine eigene Auffassung der Sachlage, daß wir es hier nicht mit politischen Parteien zu thun, sondern nur Verstöße gegen das Völkerrecht zu verhindern hatten, er hielt sich deshalb verpflichtet, mit uns gemeinsam zu handeln und solidarisch für die bedrohten Interessen der Fremden in Spanien einzutreten. Nach einiger Zeit erschienen drei Abge- ordnete der junta revolucional, wie sich die oberste Behörde des Canton Murcia nannte, auf dem "Friedrich Karl", um zu unterhandeln.
Unter der Deputation, welche an Stelle eines Comman- danten den Befehl über die "Vigilante" geführt, befand sich auch ein gewisser Galvez Arce, der eigentliche Anstifter und Führer der ganzen revolutionären Bewegung von Cartagena. Er war ein einfacher ungebildeter Mann, der kaum seinen Namen schreiben konnte und ein unklarer Kopf, jedoch, wie wir erfuhren, jedenfalls einer der wenigen Republikaner, die es ehr- lich mit der von ihnen vertretenen Sache meinten und der beim niederen Volke in hohem Ansehen stand.
Wenngleich es von vornherein meine Absicht war, nur das Schiff festzuhalten, dagegen die Besatzung frei zu geben, weil kein unzweideutiger piratischer Act von ihr begangen war, der ihre gerichtliche Verurtheilung nothwendig machte und weil ich jeden Schein einer Einmischung in die Parteiverhältnisse Spaniens vermeiden wollte, so bot doch die Gefangennahme von Galvez eine willkommene Gelegenheit, um an seine Freigebung
Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
nichts, und es ließ ſich daraus ſchließen, daß ſie keine Beſatzung hatten. Auf allen Schiffen ſowie auf den Feſtungswerken wehte ſtatt der ſpaniſchen die rothe Flagge, das neue Emblem des ſouveränen Cantons Murcia.
Während ſich dieſe Vorgänge abſpielten, kam der Comman- dant des engliſchen Kanonenbootes „Pigeon“, welches als ein- ziges fremdes Kriegsſchiff auf der Rhede von Escombrero ankerte, zu mir an Bord, um ſich unter meinen Befehl zu ſtellen. Er theilte vollſtändig meine eigene Auffaſſung der Sachlage, daß wir es hier nicht mit politiſchen Parteien zu thun, ſondern nur Verſtöße gegen das Völkerrecht zu verhindern hatten, er hielt ſich deshalb verpflichtet, mit uns gemeinſam zu handeln und ſolidariſch für die bedrohten Intereſſen der Fremden in Spanien einzutreten. Nach einiger Zeit erſchienen drei Abge- ordnete der junta revolucional, wie ſich die oberſte Behörde des Canton Murcia nannte, auf dem „Friedrich Karl“, um zu unterhandeln.
Unter der Deputation, welche an Stelle eines Comman- danten den Befehl über die „Vigilante“ geführt, befand ſich auch ein gewiſſer Galvez Arce, der eigentliche Anſtifter und Führer der ganzen revolutionären Bewegung von Cartagena. Er war ein einfacher ungebildeter Mann, der kaum ſeinen Namen ſchreiben konnte und ein unklarer Kopf, jedoch, wie wir erfuhren, jedenfalls einer der wenigen Republikaner, die es ehr- lich mit der von ihnen vertretenen Sache meinten und der beim niederen Volke in hohem Anſehen ſtand.
Wenngleich es von vornherein meine Abſicht war, nur das Schiff feſtzuhalten, dagegen die Beſatzung frei zu geben, weil kein unzweideutiger piratiſcher Act von ihr begangen war, der ihre gerichtliche Verurtheilung nothwendig machte und weil ich jeden Schein einer Einmiſchung in die Parteiverhältniſſe Spaniens vermeiden wollte, ſo bot doch die Gefangennahme von Galvez eine willkommene Gelegenheit, um an ſeine Freigebung
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Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
nichts, und es ließ ſich daraus ſchließen, daß ſie keine Beſatzung
hatten. Auf allen Schiffen ſowie auf den Feſtungswerken wehte
ſtatt der ſpaniſchen die rothe Flagge, das neue Emblem des
ſouveränen Cantons Murcia.
Während ſich dieſe Vorgänge abſpielten, kam der Comman-
dant des engliſchen Kanonenbootes „Pigeon“, welches als ein-
ziges fremdes Kriegsſchiff auf der Rhede von Escombrero
ankerte, zu mir an Bord, um ſich unter meinen Befehl zu
ſtellen. Er theilte vollſtändig meine eigene Auffaſſung der
Sachlage, daß wir es hier nicht mit politiſchen Parteien zu thun,
ſondern nur Verſtöße gegen das Völkerrecht zu verhindern hatten,
er hielt ſich deshalb verpflichtet, mit uns gemeinſam zu handeln
und ſolidariſch für die bedrohten Intereſſen der Fremden in
Spanien einzutreten. Nach einiger Zeit erſchienen drei Abge-
ordnete der junta revolucional, wie ſich die oberſte Behörde
des Canton Murcia nannte, auf dem „Friedrich Karl“, um zu
unterhandeln.
Unter der Deputation, welche an Stelle eines Comman-
danten den Befehl über die „Vigilante“ geführt, befand ſich
auch ein gewiſſer Galvez Arce, der eigentliche Anſtifter und
Führer der ganzen revolutionären Bewegung von Cartagena.
Er war ein einfacher ungebildeter Mann, der kaum ſeinen
Namen ſchreiben konnte und ein unklarer Kopf, jedoch, wie wir
erfuhren, jedenfalls einer der wenigen Republikaner, die es ehr-
lich mit der von ihnen vertretenen Sache meinten und der beim
niederen Volke in hohem Anſehen ſtand.
Wenngleich es von vornherein meine Abſicht war, nur
das Schiff feſtzuhalten, dagegen die Beſatzung frei zu geben,
weil kein unzweideutiger piratiſcher Act von ihr begangen
war, der ihre gerichtliche Verurtheilung nothwendig machte und
weil ich jeden Schein einer Einmiſchung in die Parteiverhältniſſe
Spaniens vermeiden wollte, ſo bot doch die Gefangennahme von
Galvez eine willkommene Gelegenheit, um an ſeine Freigebung
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/403>, abgerufen am 23.11.2024.
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