Geschwaders oder einer aus verschiedenen Geschwadern bestehen- den Flotte zum Zwecke des Kampfes und bezieht sich vorzugs- weise auf Panzerschiffe, welche jetzt überall die eigentlichen Schlacht- schiffe bilden und in die Stelle der früheren Linienschiffe getreten sind. Ungepanzerte Kriegsschiffe kommen, wie die Verhältnisse augenblicklich liegen, für die eigentliche Seeschlacht weniger in Betracht. Sie werden allerdings noch in Einzelkämpfen auf- treten und auch an größeren Gefechten Theil nehmen, können aber zur eigentlichen Entscheidung nur verhältnißmäßig wenig beitragen, es sei denn, daß der Offensivtorpedo zu einer ver- hältnißmäßig so vollkommenen Waffe ausgebildet werde, wie das Geschütz, was bis jetzt aber noch nicht der Fall ist.
Seit Einführung der Panzerschiffe in die Flotten hat die Aufstellung einer zweckmäßigen Taktik die hervorragendsten See- officiere aller Nationen beschäftigt, ohne daß sich mit Bestimmt- heit behaupten ließe, die Frage sei endgültig gelöst. Fast jede Marine hat ihre eigene Taktik, die sie für die beste hält, aber erst ein größerer Seekrieg kann darüber entscheiden, ob Theorie und Praxis sich gegenseitig decken. Eine Flotte ist nämlich in dieser Beziehung bedeutend ungünstiger gestellt als eine Land- armee. Letztere kann auch im Frieden eine neue Taktik practisch probiren, erstere aber nicht. Bei Panzerschiffen spielt für jeden Angriff der Sporn eine Hauptrolle, und bei der großen Ge- fährlichkeit dieser Waffe, für welche die Katastrophe bei Folke- stone auch für Deutschland ein so trauriges Beispiel geliefert, ist es unmöglich, eine Gegenpartei aufzustellen und gegen dieselbe zu agiren. Bei einem Rencontre von Landtruppen kommt es nicht darauf an, ob Menschen und Pferde oder auch Geschütze an einander gerathen, aber bei Panzerschiffen kann schon die leiseste Berührung furchtbare Consequenzen nach sich ziehen. Eine Flotte darf deshalb immer nur gegen einen markirten Feind operiren und man gewinnt im Frieden nie ein auch nur an- nähernd richtiges Bild von einem Ernstkampfe zur See.
Werner
Geſchwaders oder einer aus verſchiedenen Geſchwadern beſtehen- den Flotte zum Zwecke des Kampfes und bezieht ſich vorzugs- weiſe auf Panzerſchiffe, welche jetzt überall die eigentlichen Schlacht- ſchiffe bilden und in die Stelle der früheren Linienſchiffe getreten ſind. Ungepanzerte Kriegsſchiffe kommen, wie die Verhältniſſe augenblicklich liegen, für die eigentliche Seeſchlacht weniger in Betracht. Sie werden allerdings noch in Einzelkämpfen auf- treten und auch an größeren Gefechten Theil nehmen, können aber zur eigentlichen Entſcheidung nur verhältnißmäßig wenig beitragen, es ſei denn, daß der Offenſivtorpedo zu einer ver- hältnißmäßig ſo vollkommenen Waffe ausgebildet werde, wie das Geſchütz, was bis jetzt aber noch nicht der Fall iſt.
Seit Einführung der Panzerſchiffe in die Flotten hat die Aufſtellung einer zweckmäßigen Taktik die hervorragendſten See- officiere aller Nationen beſchäftigt, ohne daß ſich mit Beſtimmt- heit behaupten ließe, die Frage ſei endgültig gelöſt. Faſt jede Marine hat ihre eigene Taktik, die ſie für die beſte hält, aber erſt ein größerer Seekrieg kann darüber entſcheiden, ob Theorie und Praxis ſich gegenſeitig decken. Eine Flotte iſt nämlich in dieſer Beziehung bedeutend ungünſtiger geſtellt als eine Land- armee. Letztere kann auch im Frieden eine neue Taktik practiſch probiren, erſtere aber nicht. Bei Panzerſchiffen ſpielt für jeden Angriff der Sporn eine Hauptrolle, und bei der großen Ge- fährlichkeit dieſer Waffe, für welche die Kataſtrophe bei Folke- ſtone auch für Deutſchland ein ſo trauriges Beiſpiel geliefert, iſt es unmöglich, eine Gegenpartei aufzuſtellen und gegen dieſelbe zu agiren. Bei einem Rencontre von Landtruppen kommt es nicht darauf an, ob Menſchen und Pferde oder auch Geſchütze an einander gerathen, aber bei Panzerſchiffen kann ſchon die leiſeſte Berührung furchtbare Conſequenzen nach ſich ziehen. Eine Flotte darf deshalb immer nur gegen einen markirten Feind operiren und man gewinnt im Frieden nie ein auch nur an- nähernd richtiges Bild von einem Ernſtkampfe zur See.
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Werner
Geſchwaders oder einer aus verſchiedenen Geſchwadern beſtehen-
den Flotte zum Zwecke des Kampfes und bezieht ſich vorzugs-
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ſchiffe bilden und in die Stelle der früheren Linienſchiffe getreten
ſind. Ungepanzerte Kriegsſchiffe kommen, wie die Verhältniſſe
augenblicklich liegen, für die eigentliche Seeſchlacht weniger in
Betracht. Sie werden allerdings noch in Einzelkämpfen auf-
treten und auch an größeren Gefechten Theil nehmen, können
aber zur eigentlichen Entſcheidung nur verhältnißmäßig wenig
beitragen, es ſei denn, daß der Offenſivtorpedo zu einer ver-
hältnißmäßig ſo vollkommenen Waffe ausgebildet werde, wie das
Geſchütz, was bis jetzt aber noch nicht der Fall iſt.
Seit Einführung der Panzerſchiffe in die Flotten hat die
Aufſtellung einer zweckmäßigen Taktik die hervorragendſten See-
officiere aller Nationen beſchäftigt, ohne daß ſich mit Beſtimmt-
heit behaupten ließe, die Frage ſei endgültig gelöſt. Faſt jede
Marine hat ihre eigene Taktik, die ſie für die beſte hält, aber
erſt ein größerer Seekrieg kann darüber entſcheiden, ob Theorie
und Praxis ſich gegenſeitig decken. Eine Flotte iſt nämlich in
dieſer Beziehung bedeutend ungünſtiger geſtellt als eine Land-
armee. Letztere kann auch im Frieden eine neue Taktik practiſch
probiren, erſtere aber nicht. Bei Panzerſchiffen ſpielt für jeden
Angriff der Sporn eine Hauptrolle, und bei der großen Ge-
fährlichkeit dieſer Waffe, für welche die Kataſtrophe bei Folke-
ſtone auch für Deutſchland ein ſo trauriges Beiſpiel geliefert,
iſt es unmöglich, eine Gegenpartei aufzuſtellen und gegen dieſelbe
zu agiren. Bei einem Rencontre von Landtruppen kommt es
nicht darauf an, ob Menſchen und Pferde oder auch Geſchütze
an einander gerathen, aber bei Panzerſchiffen kann ſchon die
leiſeſte Berührung furchtbare Conſequenzen nach ſich ziehen. Eine
Flotte darf deshalb immer nur gegen einen markirten Feind
operiren und man gewinnt im Frieden nie ein auch nur an-
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/370>, abgerufen am 28.07.2024.
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