Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

Werner
Betrieb und die Landesregierung hat dafür eine Zinsgarantie
übernommen. Verschiedene Flußdampfer, von denen drei eben-
falls deutsches Eigenthum sind und unter deutscher Flagge
fahren, vermitteln auf dem Magdalenenstrom den Verkehr mit
dem Innern; sie gehen bis Honda, am Fuße der fruchtbaren
Hochebenen hinauf, auf denen die Hauptstadt Bogota erbaut ist
und die von zwei Drittheilen der drei Millionen betragenden
Einwohner Columbien's bevölkert werden.

Baranquilla liegt in einer wenig Abwechselung gewähren-
den gewellten Ebene und bietet weder von außen noch innen
einen bemerkenswerthen oder angenehmen Anblick. Mit Aus-
nahme der Wohnungen der Fremden sind die Häuser sehr primi-
tiv und verdienen zum großen Theil nur die Bezeichnung von
Hütten. Die sehr tief liegenden Straßen sind nicht gepflastert;
bei trockenem Wetter watet man in knietiefem Sande, bei nassem
im Wasser. Aus dem Eindrucke, den die Erscheinung der
Stadt auf den Fremden macht, schließt er mit Recht, daß er
es in Columbien in der großen Masse ungefähr mit derselben
Sorte von Menschen zu thun hat, wie in Venezuela: mit auf
niedriger Culturstufe stehenden, verkommenen und faulen Creolen
und Mischlingen, welche letztere jedoch noch häßlicher sind, als
in dem Nachbarstaate, da hier das Indianer- dort aber das
Negerblut vorwaltet. Man sagt den Columbiern zum Lobe
nach, sie seien weniger depravirt und friedfertiger als die Vene-
zuelaner; ich lasse das dahingestellt, jedenfalls aber wetteifern
sie mit ihnen in Trägheit. "Nur nicht arbeiten" ist ihre Parole,
und deshalb können sich diese Länder durch ihre eigene Bevölke-
rung nicht heben, so lange diese selbst nicht geistig gehoben wird.
Bis dahin wird bei aller Fruchtbarkeit des Bodens und dem
Reichthum an Mineralien, in denen Columbien mit Venezuela
wetteifert, Viehzüchterei die Hauptbeschäftigung bleiben, weil sie
die geringen Bedürfnisse der Bewohner reichlich deckt, den Kopf
gar nicht und die Muskeln nur wenig anstrengt. Wie sauer

Werner
Betrieb und die Landesregierung hat dafür eine Zinsgarantie
übernommen. Verſchiedene Flußdampfer, von denen drei eben-
falls deutſches Eigenthum ſind und unter deutſcher Flagge
fahren, vermitteln auf dem Magdalenenſtrom den Verkehr mit
dem Innern; ſie gehen bis Honda, am Fuße der fruchtbaren
Hochebenen hinauf, auf denen die Hauptſtadt Bogota erbaut iſt
und die von zwei Drittheilen der drei Millionen betragenden
Einwohner Columbien’s bevölkert werden.

Baranquilla liegt in einer wenig Abwechſelung gewähren-
den gewellten Ebene und bietet weder von außen noch innen
einen bemerkenswerthen oder angenehmen Anblick. Mit Aus-
nahme der Wohnungen der Fremden ſind die Häuſer ſehr primi-
tiv und verdienen zum großen Theil nur die Bezeichnung von
Hütten. Die ſehr tief liegenden Straßen ſind nicht gepflaſtert;
bei trockenem Wetter watet man in knietiefem Sande, bei naſſem
im Waſſer. Aus dem Eindrucke, den die Erſcheinung der
Stadt auf den Fremden macht, ſchließt er mit Recht, daß er
es in Columbien in der großen Maſſe ungefähr mit derſelben
Sorte von Menſchen zu thun hat, wie in Venezuela: mit auf
niedriger Culturſtufe ſtehenden, verkommenen und faulen Creolen
und Miſchlingen, welche letztere jedoch noch häßlicher ſind, als
in dem Nachbarſtaate, da hier das Indianer- dort aber das
Negerblut vorwaltet. Man ſagt den Columbiern zum Lobe
nach, ſie ſeien weniger depravirt und friedfertiger als die Vene-
zuelaner; ich laſſe das dahingeſtellt, jedenfalls aber wetteifern
ſie mit ihnen in Trägheit. „Nur nicht arbeiten“ iſt ihre Parole,
und deshalb können ſich dieſe Länder durch ihre eigene Bevölke-
rung nicht heben, ſo lange dieſe ſelbſt nicht geiſtig gehoben wird.
Bis dahin wird bei aller Fruchtbarkeit des Bodens und dem
Reichthum an Mineralien, in denen Columbien mit Venezuela
wetteifert, Viehzüchterei die Hauptbeſchäftigung bleiben, weil ſie
die geringen Bedürfniſſe der Bewohner reichlich deckt, den Kopf
gar nicht und die Muskeln nur wenig anſtrengt. Wie ſauer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0358" n="346"/><fw place="top" type="header">Werner</fw><lb/>
Betrieb und die Landesregierung hat dafür eine Zinsgarantie<lb/>
übernommen. Ver&#x017F;chiedene Flußdampfer, von denen drei eben-<lb/>
falls deut&#x017F;ches Eigenthum &#x017F;ind und unter deut&#x017F;cher Flagge<lb/>
fahren, vermitteln auf dem Magdalenen&#x017F;trom den Verkehr mit<lb/>
dem Innern; &#x017F;ie gehen bis Honda, am Fuße der fruchtbaren<lb/>
Hochebenen hinauf, auf denen die Haupt&#x017F;tadt Bogota erbaut i&#x017F;t<lb/>
und die von zwei Drittheilen der drei Millionen betragenden<lb/>
Einwohner Columbien&#x2019;s bevölkert werden.</p><lb/>
        <p>Baranquilla liegt in einer wenig Abwech&#x017F;elung gewähren-<lb/>
den gewellten Ebene und bietet weder von außen noch innen<lb/>
einen bemerkenswerthen oder angenehmen Anblick. Mit Aus-<lb/>
nahme der Wohnungen der Fremden &#x017F;ind die Häu&#x017F;er &#x017F;ehr primi-<lb/>
tiv und verdienen zum großen Theil nur die Bezeichnung von<lb/>
Hütten. Die &#x017F;ehr tief liegenden Straßen &#x017F;ind nicht gepfla&#x017F;tert;<lb/>
bei trockenem Wetter watet man in knietiefem Sande, bei na&#x017F;&#x017F;em<lb/>
im Wa&#x017F;&#x017F;er. Aus dem Eindrucke, den die Er&#x017F;cheinung der<lb/>
Stadt auf den Fremden macht, &#x017F;chließt er mit Recht, daß er<lb/>
es in Columbien in der großen Ma&#x017F;&#x017F;e ungefähr mit der&#x017F;elben<lb/>
Sorte von Men&#x017F;chen zu thun hat, wie in Venezuela: mit auf<lb/>
niedriger Cultur&#x017F;tufe &#x017F;tehenden, verkommenen und faulen Creolen<lb/>
und Mi&#x017F;chlingen, welche letztere jedoch noch häßlicher &#x017F;ind, als<lb/>
in dem Nachbar&#x017F;taate, da hier das Indianer- dort aber das<lb/>
Negerblut vorwaltet. Man &#x017F;agt den Columbiern zum Lobe<lb/>
nach, &#x017F;ie &#x017F;eien weniger depravirt und friedfertiger als die Vene-<lb/>
zuelaner; ich la&#x017F;&#x017F;e das dahinge&#x017F;tellt, jedenfalls aber wetteifern<lb/>
&#x017F;ie mit ihnen in Trägheit. &#x201E;Nur nicht arbeiten&#x201C; i&#x017F;t ihre Parole,<lb/>
und deshalb können &#x017F;ich die&#x017F;e Länder durch ihre eigene Bevölke-<lb/>
rung nicht heben, &#x017F;o lange die&#x017F;e &#x017F;elb&#x017F;t nicht gei&#x017F;tig gehoben wird.<lb/>
Bis dahin wird bei aller Fruchtbarkeit des Bodens und dem<lb/>
Reichthum an Mineralien, in denen Columbien mit Venezuela<lb/>
wetteifert, Viehzüchterei die Hauptbe&#x017F;chäftigung bleiben, weil &#x017F;ie<lb/>
die geringen Bedürfni&#x017F;&#x017F;e der Bewohner reichlich deckt, den Kopf<lb/>
gar nicht und die Muskeln nur wenig an&#x017F;trengt. Wie &#x017F;auer<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[346/0358] Werner Betrieb und die Landesregierung hat dafür eine Zinsgarantie übernommen. Verſchiedene Flußdampfer, von denen drei eben- falls deutſches Eigenthum ſind und unter deutſcher Flagge fahren, vermitteln auf dem Magdalenenſtrom den Verkehr mit dem Innern; ſie gehen bis Honda, am Fuße der fruchtbaren Hochebenen hinauf, auf denen die Hauptſtadt Bogota erbaut iſt und die von zwei Drittheilen der drei Millionen betragenden Einwohner Columbien’s bevölkert werden. Baranquilla liegt in einer wenig Abwechſelung gewähren- den gewellten Ebene und bietet weder von außen noch innen einen bemerkenswerthen oder angenehmen Anblick. Mit Aus- nahme der Wohnungen der Fremden ſind die Häuſer ſehr primi- tiv und verdienen zum großen Theil nur die Bezeichnung von Hütten. Die ſehr tief liegenden Straßen ſind nicht gepflaſtert; bei trockenem Wetter watet man in knietiefem Sande, bei naſſem im Waſſer. Aus dem Eindrucke, den die Erſcheinung der Stadt auf den Fremden macht, ſchließt er mit Recht, daß er es in Columbien in der großen Maſſe ungefähr mit derſelben Sorte von Menſchen zu thun hat, wie in Venezuela: mit auf niedriger Culturſtufe ſtehenden, verkommenen und faulen Creolen und Miſchlingen, welche letztere jedoch noch häßlicher ſind, als in dem Nachbarſtaate, da hier das Indianer- dort aber das Negerblut vorwaltet. Man ſagt den Columbiern zum Lobe nach, ſie ſeien weniger depravirt und friedfertiger als die Vene- zuelaner; ich laſſe das dahingeſtellt, jedenfalls aber wetteifern ſie mit ihnen in Trägheit. „Nur nicht arbeiten“ iſt ihre Parole, und deshalb können ſich dieſe Länder durch ihre eigene Bevölke- rung nicht heben, ſo lange dieſe ſelbſt nicht geiſtig gehoben wird. Bis dahin wird bei aller Fruchtbarkeit des Bodens und dem Reichthum an Mineralien, in denen Columbien mit Venezuela wetteifert, Viehzüchterei die Hauptbeſchäftigung bleiben, weil ſie die geringen Bedürfniſſe der Bewohner reichlich deckt, den Kopf gar nicht und die Muskeln nur wenig anſtrengt. Wie ſauer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/358
Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/358>, abgerufen am 18.05.2024.