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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Nach Westindien und dem Mittelmeer
sammenhang mit dem alten Vaterlande viel länger, und die
Aussicht, daß er noch in gewisser Beziehung auf dessen Schutz
und Unterstützung rechnen darf, wird diesen Zusammenhang nur
festigen und ersprießlich auf Handel und Industrie zurückwirken.
Auf diese Weise können wir Colonien gründen, die uns materiell
nichts kosten, aber viel einbringen, und mit einer solchen Colo-
nialpolitik darf sich auch unser vorsichtigster Staatsmann ein-
verstanden erklären. Sie schützt uns vor bitteren Erfahrungen,
wie sie die Franzosen in Algier und Cochinchina gemacht, und
bewahrt uns vor überseeischen Conflicten.

Am 4. Januar verließen wir Curacao, wo wir sowol bei
den Holländern als den übrigen Einwohnern der höheren Classen
die liebenswürdigste und gastfreieste Aufnahme gefunden hatten,
um Sabanilla, den bedeutendsten Hafen der Vereinigten Staaten
von Columbia -- ehemals Republik Neu-Granada -- anzulaufen.
Der günstige Passatwind veranlaßte uns, Kohlen zu sparen und
unter Segel dorthin zu gehen, was vier Tage in Anspruch nahm.
Der schneebedeckte Gipfel der bis 5000 Meter aufsteigenden
Sierra Nevada kündete uns schon auf viele Meilen die Nähe
unseres Bestimmungsortes, der selbst jedoch uns nicht sonderlich
entzückte. Sabanilla ist ein elendes Fischerdorf von wenigen
Hundert Einwohnern; man liegt fast eine Meile von ihm ent-
fernt vor Anker. Ein Arm des Magdalenenstromes, der bei
dem Orte mündet, führt so viel Schlamm mit sich, daß er das
Fahrwasser auf eine solch' bedeutende Strecke verflacht hat. Der
Stapelplatz des Hafens ist das vier Meilen weiter hinauf am
Magdalenenstrom liegende und mit Sabanilla durch eine Eisen-
bahn verbundene Barranquilla, eine Stadt von 16--18,000
Einwohnern und Sitz des Gouverneurs der Provinz.

Diese Eisenbahn ist Eigenthum von Bremer Kaufleuten,
wie denn überhaupt die Deutschen in Columbien ebenso wie in
Venezuela den Haupthandel in Händen haben, obwol hier ihre
Zahl viel geringer ist als dort. Die Bahn ist seit 1871 in

Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
ſammenhang mit dem alten Vaterlande viel länger, und die
Ausſicht, daß er noch in gewiſſer Beziehung auf deſſen Schutz
und Unterſtützung rechnen darf, wird dieſen Zuſammenhang nur
feſtigen und erſprießlich auf Handel und Induſtrie zurückwirken.
Auf dieſe Weiſe können wir Colonien gründen, die uns materiell
nichts koſten, aber viel einbringen, und mit einer ſolchen Colo-
nialpolitik darf ſich auch unſer vorſichtigſter Staatsmann ein-
verſtanden erklären. Sie ſchützt uns vor bitteren Erfahrungen,
wie ſie die Franzoſen in Algier und Cochinchina gemacht, und
bewahrt uns vor überſeeiſchen Conflicten.

Am 4. Januar verließen wir Curaçao, wo wir ſowol bei
den Holländern als den übrigen Einwohnern der höheren Claſſen
die liebenswürdigſte und gaſtfreieſte Aufnahme gefunden hatten,
um Sabanilla, den bedeutendſten Hafen der Vereinigten Staaten
von Columbia — ehemals Republik Neu-Granada — anzulaufen.
Der günſtige Paſſatwind veranlaßte uns, Kohlen zu ſparen und
unter Segel dorthin zu gehen, was vier Tage in Anſpruch nahm.
Der ſchneebedeckte Gipfel der bis 5000 Meter aufſteigenden
Sierra Nevada kündete uns ſchon auf viele Meilen die Nähe
unſeres Beſtimmungsortes, der ſelbſt jedoch uns nicht ſonderlich
entzückte. Sabanilla iſt ein elendes Fiſcherdorf von wenigen
Hundert Einwohnern; man liegt faſt eine Meile von ihm ent-
fernt vor Anker. Ein Arm des Magdalenenſtromes, der bei
dem Orte mündet, führt ſo viel Schlamm mit ſich, daß er das
Fahrwaſſer auf eine ſolch’ bedeutende Strecke verflacht hat. Der
Stapelplatz des Hafens iſt das vier Meilen weiter hinauf am
Magdalenenſtrom liegende und mit Sabanilla durch eine Eiſen-
bahn verbundene Barranquilla, eine Stadt von 16—18,000
Einwohnern und Sitz des Gouverneurs der Provinz.

Dieſe Eiſenbahn iſt Eigenthum von Bremer Kaufleuten,
wie denn überhaupt die Deutſchen in Columbien ebenſo wie in
Venezuela den Haupthandel in Händen haben, obwol hier ihre
Zahl viel geringer iſt als dort. Die Bahn iſt ſeit 1871 in

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[345/0357] Nach Weſtindien und dem Mittelmeer ſammenhang mit dem alten Vaterlande viel länger, und die Ausſicht, daß er noch in gewiſſer Beziehung auf deſſen Schutz und Unterſtützung rechnen darf, wird dieſen Zuſammenhang nur feſtigen und erſprießlich auf Handel und Induſtrie zurückwirken. Auf dieſe Weiſe können wir Colonien gründen, die uns materiell nichts koſten, aber viel einbringen, und mit einer ſolchen Colo- nialpolitik darf ſich auch unſer vorſichtigſter Staatsmann ein- verſtanden erklären. Sie ſchützt uns vor bitteren Erfahrungen, wie ſie die Franzoſen in Algier und Cochinchina gemacht, und bewahrt uns vor überſeeiſchen Conflicten. Am 4. Januar verließen wir Curaçao, wo wir ſowol bei den Holländern als den übrigen Einwohnern der höheren Claſſen die liebenswürdigſte und gaſtfreieſte Aufnahme gefunden hatten, um Sabanilla, den bedeutendſten Hafen der Vereinigten Staaten von Columbia — ehemals Republik Neu-Granada — anzulaufen. Der günſtige Paſſatwind veranlaßte uns, Kohlen zu ſparen und unter Segel dorthin zu gehen, was vier Tage in Anſpruch nahm. Der ſchneebedeckte Gipfel der bis 5000 Meter aufſteigenden Sierra Nevada kündete uns ſchon auf viele Meilen die Nähe unſeres Beſtimmungsortes, der ſelbſt jedoch uns nicht ſonderlich entzückte. Sabanilla iſt ein elendes Fiſcherdorf von wenigen Hundert Einwohnern; man liegt faſt eine Meile von ihm ent- fernt vor Anker. Ein Arm des Magdalenenſtromes, der bei dem Orte mündet, führt ſo viel Schlamm mit ſich, daß er das Fahrwaſſer auf eine ſolch’ bedeutende Strecke verflacht hat. Der Stapelplatz des Hafens iſt das vier Meilen weiter hinauf am Magdalenenſtrom liegende und mit Sabanilla durch eine Eiſen- bahn verbundene Barranquilla, eine Stadt von 16—18,000 Einwohnern und Sitz des Gouverneurs der Provinz. Dieſe Eiſenbahn iſt Eigenthum von Bremer Kaufleuten, wie denn überhaupt die Deutſchen in Columbien ebenſo wie in Venezuela den Haupthandel in Händen haben, obwol hier ihre Zahl viel geringer iſt als dort. Die Bahn iſt ſeit 1871 in

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/357>, abgerufen am 27.11.2024.