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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Nach Westindien und dem Mittelmeer
noch ist dem Lande zu wünschen, daß er an der Regierung bleibt.
Er deckt dessen Hülfsquellen auf, baut Eisenbahnen und Ver-
kehrswege, gründet Schulen und Universitäten, wenn diese auch
noch mancherlei zu wünschen übrig lassen und fördert dadurch
das materielle und sittliche Wohl. Vor allem aber schafft er
Frieden im Innern und damit überhaupt die Grundlage eines
möglichen Gedeihens.

Von La Guayra segelten wir nach Puerto Cabello, dem
größten und für Deutschland speciell wichtigen Exporthafen
Venezuela's, der, im Gegensatz zu La Guayra, mit vollem Rechte
den Namen Hafen beanspruchen darf. Er wird durch eine
mehrere Tausend Meter lange und etwas gebogene Landzunge
gebildet, welche den in unmittelbarer Nähe des Landes ankern-
den Schiffen völlige Sicherheit gegen alle Unbill der Witterung
gewährt. Der Hafen hat eine Tiefe von acht bis zehn Metern,
die für die Handelsschiffahrt genügt. Die Stadt selbst zählt nur
6000 Einwohner und bietet, wie La Guayra, in sich selbst nichts
Schönes oder Anziehendes. Auch hier haben die Fremden,
unter denen die Deutschen den hervorragendsten Platz einnehmen,
in der Stadt nur ihre Geschäftslocale und wohnen außerhalb
derselben, meistens in dem idyllischen, etwa eine Stunde ent-
fernten Thale von St. Esteban.

Letzteres ist eine der lieblichsten Oertlichkeiten, denen wir
auf unserer Reise begegnet sind und der Inbegriff einer schönen
tropischen Landschaft, wie sie der Europäer sich in seiner
Phantasie vorzustellen pflegt, in Wirklichkeit jedoch nur höchst
selten angetroffen wird. Das Thal erstreckt sich in der Breite
von durchschnittlich 1500 Metern zwischen zwei Höhenzügen von
mäßiger Erhebung und wird seiner Länge nach von einem Flüß-
chen, dem Rio Esteban, durchströmt. Die Berge sind pracht-
voll bewaldet und der Urwald zeigt sich hier noch in seiner
ganzen jungfräulichen Schönheit und Majestät. Das Thal
selbst ist cultivirt und gewährt ein Bild der ungemeinen Frucht-

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Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
noch iſt dem Lande zu wünſchen, daß er an der Regierung bleibt.
Er deckt deſſen Hülfsquellen auf, baut Eiſenbahnen und Ver-
kehrswege, gründet Schulen und Univerſitäten, wenn dieſe auch
noch mancherlei zu wünſchen übrig laſſen und fördert dadurch
das materielle und ſittliche Wohl. Vor allem aber ſchafft er
Frieden im Innern und damit überhaupt die Grundlage eines
möglichen Gedeihens.

Von La Guayra ſegelten wir nach Puerto Cabello, dem
größten und für Deutſchland ſpeciell wichtigen Exporthafen
Venezuela’s, der, im Gegenſatz zu La Guayra, mit vollem Rechte
den Namen Hafen beanſpruchen darf. Er wird durch eine
mehrere Tauſend Meter lange und etwas gebogene Landzunge
gebildet, welche den in unmittelbarer Nähe des Landes ankern-
den Schiffen völlige Sicherheit gegen alle Unbill der Witterung
gewährt. Der Hafen hat eine Tiefe von acht bis zehn Metern,
die für die Handelsſchiffahrt genügt. Die Stadt ſelbſt zählt nur
6000 Einwohner und bietet, wie La Guayra, in ſich ſelbſt nichts
Schönes oder Anziehendes. Auch hier haben die Fremden,
unter denen die Deutſchen den hervorragendſten Platz einnehmen,
in der Stadt nur ihre Geſchäftslocale und wohnen außerhalb
derſelben, meiſtens in dem idylliſchen, etwa eine Stunde ent-
fernten Thale von St. Eſteban.

Letzteres iſt eine der lieblichſten Oertlichkeiten, denen wir
auf unſerer Reiſe begegnet ſind und der Inbegriff einer ſchönen
tropiſchen Landſchaft, wie ſie der Europäer ſich in ſeiner
Phantaſie vorzuſtellen pflegt, in Wirklichkeit jedoch nur höchſt
ſelten angetroffen wird. Das Thal erſtreckt ſich in der Breite
von durchſchnittlich 1500 Metern zwiſchen zwei Höhenzügen von
mäßiger Erhebung und wird ſeiner Länge nach von einem Flüß-
chen, dem Rio Eſteban, durchſtrömt. Die Berge ſind pracht-
voll bewaldet und der Urwald zeigt ſich hier noch in ſeiner
ganzen jungfräulichen Schönheit und Majeſtät. Das Thal
ſelbſt iſt cultivirt und gewährt ein Bild der ungemeinen Frucht-

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[339/0351] Nach Weſtindien und dem Mittelmeer noch iſt dem Lande zu wünſchen, daß er an der Regierung bleibt. Er deckt deſſen Hülfsquellen auf, baut Eiſenbahnen und Ver- kehrswege, gründet Schulen und Univerſitäten, wenn dieſe auch noch mancherlei zu wünſchen übrig laſſen und fördert dadurch das materielle und ſittliche Wohl. Vor allem aber ſchafft er Frieden im Innern und damit überhaupt die Grundlage eines möglichen Gedeihens. Von La Guayra ſegelten wir nach Puerto Cabello, dem größten und für Deutſchland ſpeciell wichtigen Exporthafen Venezuela’s, der, im Gegenſatz zu La Guayra, mit vollem Rechte den Namen Hafen beanſpruchen darf. Er wird durch eine mehrere Tauſend Meter lange und etwas gebogene Landzunge gebildet, welche den in unmittelbarer Nähe des Landes ankern- den Schiffen völlige Sicherheit gegen alle Unbill der Witterung gewährt. Der Hafen hat eine Tiefe von acht bis zehn Metern, die für die Handelsſchiffahrt genügt. Die Stadt ſelbſt zählt nur 6000 Einwohner und bietet, wie La Guayra, in ſich ſelbſt nichts Schönes oder Anziehendes. Auch hier haben die Fremden, unter denen die Deutſchen den hervorragendſten Platz einnehmen, in der Stadt nur ihre Geſchäftslocale und wohnen außerhalb derſelben, meiſtens in dem idylliſchen, etwa eine Stunde ent- fernten Thale von St. Eſteban. Letzteres iſt eine der lieblichſten Oertlichkeiten, denen wir auf unſerer Reiſe begegnet ſind und der Inbegriff einer ſchönen tropiſchen Landſchaft, wie ſie der Europäer ſich in ſeiner Phantaſie vorzuſtellen pflegt, in Wirklichkeit jedoch nur höchſt ſelten angetroffen wird. Das Thal erſtreckt ſich in der Breite von durchſchnittlich 1500 Metern zwiſchen zwei Höhenzügen von mäßiger Erhebung und wird ſeiner Länge nach von einem Flüß- chen, dem Rio Eſteban, durchſtrömt. Die Berge ſind pracht- voll bewaldet und der Urwald zeigt ſich hier noch in ſeiner ganzen jungfräulichen Schönheit und Majeſtät. Das Thal ſelbſt iſt cultivirt und gewährt ein Bild der ungemeinen Frucht- 22*

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/351>, abgerufen am 22.11.2024.