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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Flasche und zündet diesen mittels eines in Terpentin getauchten
und an einem Draht befestigten Läppchens an. Dadurch wird
eine Luftleere in der Flasche erzeugt, Fahrenholz setzt das ge-
schälte und mit etwas Oel geglättete Ei mit dem spitzen Ende
auf die Oeffnung und der äußere Luftdruck schiebt es glatt durch
den Flaschenhals in das Innere, wo es vermöge seiner Elastici-
tät wieder seine vorherige Form annimmt. Die Schalen werden
sorgfältig beseitigt und dann die Gesellschaft hereingerufen.
Triumphirend hält Fahrenholz ihnen die Flasche entgegen. Wahr-
haftig, das Ei befindet sich unverletzt darin. Daß es keine
Schale hat, beachtet Niemand.

Am lautesten äußert Böhrs seine Bewunderung: "Nein,
wie ist es nur möglich, Fahrenholz, daß Sie so etwas fertig
bringen, das ist ja ganz unglaublich!"

"Bah! Kleinigkeit!" erwidert dieser. "Mit derselben Leich-
tigkeit bringe ich alle möglichen Gegenstände in die Flasche;
Dich auch, es dauert nur ein paar Minuten länger!"

Böhrs steht mit offenem Munde. "Mich?" fragt er end-
lich. "Sie scherzen wol nur."

"Fällt mir gar nicht ein, ich spreche in vollem Ernst.
Willst Du um eine Flasche Champagner wetten?"

Die Sicherheit, mit der Fahrenholz seine Behauptung auf-
stellt, verblüfft Böhrs zwar, aber er bleibt doch im Zweifel, ob
er die Wette annehmen soll. Die Uebrigen merken, daß irgend
ein schlechter Witz im Gange ist. Zwar wissen sie noch nicht
recht, wo Fahrenholz hinaus will, aber sie halten es für ihre
Pflicht, ihn zu unterstützen.

"Wette doch, Böhrs!" rufen sie diesem von allen Seiten
zu, "Du mußt ja gewinnen! Er kann Dich unmöglich in die
Flasche bringen, dazu bist Du viel zu dick."

Böhrs zögert noch ein Weilchen, dann aber leuchtet ihm
der letzte Grund ein und er nimmt die Wette an.

"Nun dann zieh' Dich aus, mit dem Zeuge geht es nicht,"

Werner
Flaſche und zündet dieſen mittels eines in Terpentin getauchten
und an einem Draht befeſtigten Läppchens an. Dadurch wird
eine Luftleere in der Flaſche erzeugt, Fahrenholz ſetzt das ge-
ſchälte und mit etwas Oel geglättete Ei mit dem ſpitzen Ende
auf die Oeffnung und der äußere Luftdruck ſchiebt es glatt durch
den Flaſchenhals in das Innere, wo es vermöge ſeiner Elaſtici-
tät wieder ſeine vorherige Form annimmt. Die Schalen werden
ſorgfältig beſeitigt und dann die Geſellſchaft hereingerufen.
Triumphirend hält Fahrenholz ihnen die Flaſche entgegen. Wahr-
haftig, das Ei befindet ſich unverletzt darin. Daß es keine
Schale hat, beachtet Niemand.

Am lauteſten äußert Böhrs ſeine Bewunderung: „Nein,
wie iſt es nur möglich, Fahrenholz, daß Sie ſo etwas fertig
bringen, das iſt ja ganz unglaublich!“

„Bah! Kleinigkeit!“ erwidert dieſer. „Mit derſelben Leich-
tigkeit bringe ich alle möglichen Gegenſtände in die Flaſche;
Dich auch, es dauert nur ein paar Minuten länger!“

Böhrs ſteht mit offenem Munde. „Mich?“ fragt er end-
lich. „Sie ſcherzen wol nur.“

„Fällt mir gar nicht ein, ich ſpreche in vollem Ernſt.
Willſt Du um eine Flaſche Champagner wetten?“

Die Sicherheit, mit der Fahrenholz ſeine Behauptung auf-
ſtellt, verblüfft Böhrs zwar, aber er bleibt doch im Zweifel, ob
er die Wette annehmen ſoll. Die Uebrigen merken, daß irgend
ein ſchlechter Witz im Gange iſt. Zwar wiſſen ſie noch nicht
recht, wo Fahrenholz hinaus will, aber ſie halten es für ihre
Pflicht, ihn zu unterſtützen.

„Wette doch, Böhrs!“ rufen ſie dieſem von allen Seiten
zu, „Du mußt ja gewinnen! Er kann Dich unmöglich in die
Flaſche bringen, dazu biſt Du viel zu dick.“

Böhrs zögert noch ein Weilchen, dann aber leuchtet ihm
der letzte Grund ein und er nimmt die Wette an.

„Nun dann zieh’ Dich aus, mit dem Zeuge geht es nicht,“

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[300/0312] Werner Flaſche und zündet dieſen mittels eines in Terpentin getauchten und an einem Draht befeſtigten Läppchens an. Dadurch wird eine Luftleere in der Flaſche erzeugt, Fahrenholz ſetzt das ge- ſchälte und mit etwas Oel geglättete Ei mit dem ſpitzen Ende auf die Oeffnung und der äußere Luftdruck ſchiebt es glatt durch den Flaſchenhals in das Innere, wo es vermöge ſeiner Elaſtici- tät wieder ſeine vorherige Form annimmt. Die Schalen werden ſorgfältig beſeitigt und dann die Geſellſchaft hereingerufen. Triumphirend hält Fahrenholz ihnen die Flaſche entgegen. Wahr- haftig, das Ei befindet ſich unverletzt darin. Daß es keine Schale hat, beachtet Niemand. Am lauteſten äußert Böhrs ſeine Bewunderung: „Nein, wie iſt es nur möglich, Fahrenholz, daß Sie ſo etwas fertig bringen, das iſt ja ganz unglaublich!“ „Bah! Kleinigkeit!“ erwidert dieſer. „Mit derſelben Leich- tigkeit bringe ich alle möglichen Gegenſtände in die Flaſche; Dich auch, es dauert nur ein paar Minuten länger!“ Böhrs ſteht mit offenem Munde. „Mich?“ fragt er end- lich. „Sie ſcherzen wol nur.“ „Fällt mir gar nicht ein, ich ſpreche in vollem Ernſt. Willſt Du um eine Flaſche Champagner wetten?“ Die Sicherheit, mit der Fahrenholz ſeine Behauptung auf- ſtellt, verblüfft Böhrs zwar, aber er bleibt doch im Zweifel, ob er die Wette annehmen ſoll. Die Uebrigen merken, daß irgend ein ſchlechter Witz im Gange iſt. Zwar wiſſen ſie noch nicht recht, wo Fahrenholz hinaus will, aber ſie halten es für ihre Pflicht, ihn zu unterſtützen. „Wette doch, Böhrs!“ rufen ſie dieſem von allen Seiten zu, „Du mußt ja gewinnen! Er kann Dich unmöglich in die Flaſche bringen, dazu biſt Du viel zu dick.“ Böhrs zögert noch ein Weilchen, dann aber leuchtet ihm der letzte Grund ein und er nimmt die Wette an. „Nun dann zieh’ Dich aus, mit dem Zeuge geht es nicht,“

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/312>, abgerufen am 22.11.2024.