Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

Ernstes und Heiteres
Gefühl, daß er sich eine Erklärung der geäußerten Worte aus-
bitten müsse.

"Was wollen Sie damit sagen, Herr F -- ähnrich?"
interpellirte er Frank, als es ihm gelungen war, diesen einzuholen.

Dieser sah ihm wieder eine Weile starr in's Gesicht wie
vorhin und sprach in demselben feierlichen Tone: "Herr, es wäre
besser für Sie, Sie wären nie geboren worden."

Wir Umstehenden lachten natürlich laut, doch schien dies
Decker nur noch mehr zu reizen. "Soll das eine Be -- leidigung
sein?" stotterte er hervor.

"Beleidigung?" erwiderte Frank nach einigem Besinnen,
indem sein bisheriger Ernst allmälig dem vergnügtesten Lachen
wich, "nein! Ich habe nur einmal in meinem Leben einen
Menschen beleidigt, als ich in Hamburg auf der Schule war,
seitdem nicht wieder, am allerwenigsten aber Dich, zugeknöpfter
Waffenbruder. Komm an mein Herz, dann wirst Du fühlen,
wie ich Dich liebe!" rief er dann gerührt, breitete die Arme
aus und umschlang zu unserm Gaudium inbrünstig den ver-
blüfften Lieutenant, der aber plötzlich aufschrie und mit
Händen und Füßen arbeitete, um sich aus der Umarmung zu
befreien.

Wir sprangen hinzu, um zu sehen, was geschehen sei und
fanden allerdings den Schrei sehr gerechtfertigt. Frank hatte
in seiner Rührseligkeit die brennende Cigarre im Munde ver-
gessen und diese so gegen den Hals des von ihm umfangenen
Adjutanten gepreßt, daß letzterer ein tüchtiges Brandmal davon
trug. Nun gab es natürlich etwas Aufregung, und wir hatten
genug zu thun, um den Lieutenant zu beruhigen und ihm zu
beweisen, daß nur ein unglücklicher Zufall an dem Vorgange
Schuld sei. Kaum war dies gelungen, als sich eine andere
merkwürdige Scene abspielte. Wir hörten plötzlich Hülferufe im
Zwischendeck, als ob Jemand umgebracht würde. Ich sprang
voll Besorgniß durch die Vorluke hinunter und sah dort vier

Ernſtes und Heiteres
Gefühl, daß er ſich eine Erklärung der geäußerten Worte aus-
bitten müſſe.

„Was wollen Sie damit ſagen, Herr F — ähnrich?“
interpellirte er Frank, als es ihm gelungen war, dieſen einzuholen.

Dieſer ſah ihm wieder eine Weile ſtarr in’s Geſicht wie
vorhin und ſprach in demſelben feierlichen Tone: „Herr, es wäre
beſſer für Sie, Sie wären nie geboren worden.“

Wir Umſtehenden lachten natürlich laut, doch ſchien dies
Decker nur noch mehr zu reizen. „Soll das eine Be — leidigung
ſein?“ ſtotterte er hervor.

„Beleidigung?“ erwiderte Frank nach einigem Beſinnen,
indem ſein bisheriger Ernſt allmälig dem vergnügteſten Lachen
wich, „nein! Ich habe nur einmal in meinem Leben einen
Menſchen beleidigt, als ich in Hamburg auf der Schule war,
ſeitdem nicht wieder, am allerwenigſten aber Dich, zugeknöpfter
Waffenbruder. Komm an mein Herz, dann wirſt Du fühlen,
wie ich Dich liebe!“ rief er dann gerührt, breitete die Arme
aus und umſchlang zu unſerm Gaudium inbrünſtig den ver-
blüfften Lieutenant, der aber plötzlich aufſchrie und mit
Händen und Füßen arbeitete, um ſich aus der Umarmung zu
befreien.

Wir ſprangen hinzu, um zu ſehen, was geſchehen ſei und
fanden allerdings den Schrei ſehr gerechtfertigt. Frank hatte
in ſeiner Rührſeligkeit die brennende Cigarre im Munde ver-
geſſen und dieſe ſo gegen den Hals des von ihm umfangenen
Adjutanten gepreßt, daß letzterer ein tüchtiges Brandmal davon
trug. Nun gab es natürlich etwas Aufregung, und wir hatten
genug zu thun, um den Lieutenant zu beruhigen und ihm zu
beweiſen, daß nur ein unglücklicher Zufall an dem Vorgange
Schuld ſei. Kaum war dies gelungen, als ſich eine andere
merkwürdige Scene abſpielte. Wir hörten plötzlich Hülferufe im
Zwiſchendeck, als ob Jemand umgebracht würde. Ich ſprang
voll Beſorgniß durch die Vorluke hinunter und ſah dort vier

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0281" n="269"/><fw place="top" type="header">Ern&#x017F;tes und Heiteres</fw><lb/>
Gefühl, daß er &#x017F;ich eine Erklärung der geäußerten Worte aus-<lb/>
bitten mü&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Was wollen Sie damit &#x017F;agen, Herr F &#x2014; ähnrich?&#x201C;<lb/>
interpellirte er Frank, als es ihm gelungen war, die&#x017F;en einzuholen.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er &#x017F;ah ihm wieder eine Weile &#x017F;tarr in&#x2019;s Ge&#x017F;icht wie<lb/>
vorhin und &#x017F;prach in dem&#x017F;elben feierlichen Tone: &#x201E;Herr, es wäre<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er für Sie, Sie wären nie geboren worden.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Wir Um&#x017F;tehenden lachten natürlich laut, doch &#x017F;chien dies<lb/>
Decker nur noch mehr zu reizen. &#x201E;Soll das eine Be &#x2014; leidigung<lb/>
&#x017F;ein?&#x201C; &#x017F;totterte er hervor.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Beleidigung?&#x201C; erwiderte Frank nach einigem Be&#x017F;innen,<lb/>
indem &#x017F;ein bisheriger Ern&#x017F;t allmälig dem vergnügte&#x017F;ten Lachen<lb/>
wich, &#x201E;nein! Ich habe nur einmal in meinem Leben einen<lb/>
Men&#x017F;chen beleidigt, als ich in Hamburg auf der Schule war,<lb/>
&#x017F;eitdem nicht wieder, am allerwenig&#x017F;ten aber Dich, zugeknöpfter<lb/>
Waffenbruder. Komm an mein Herz, dann wir&#x017F;t Du fühlen,<lb/>
wie ich Dich liebe!&#x201C; rief er dann gerührt, breitete die Arme<lb/>
aus und um&#x017F;chlang zu un&#x017F;erm Gaudium inbrün&#x017F;tig den ver-<lb/>
blüfften Lieutenant, der aber plötzlich auf&#x017F;chrie und mit<lb/>
Händen und Füßen arbeitete, um &#x017F;ich aus der Umarmung zu<lb/>
befreien.</p><lb/>
          <p>Wir &#x017F;prangen hinzu, um zu &#x017F;ehen, was ge&#x017F;chehen &#x017F;ei und<lb/>
fanden allerdings den Schrei &#x017F;ehr gerechtfertigt. Frank hatte<lb/>
in &#x017F;einer Rühr&#x017F;eligkeit die brennende Cigarre im Munde ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en und die&#x017F;e &#x017F;o gegen den Hals des von ihm umfangenen<lb/>
Adjutanten gepreßt, daß letzterer ein tüchtiges Brandmal davon<lb/>
trug. Nun gab es natürlich etwas Aufregung, und wir hatten<lb/>
genug zu thun, um den Lieutenant zu beruhigen und ihm zu<lb/>
bewei&#x017F;en, daß nur ein unglücklicher Zufall an dem Vorgange<lb/>
Schuld &#x017F;ei. Kaum war dies gelungen, als &#x017F;ich eine andere<lb/>
merkwürdige Scene ab&#x017F;pielte. Wir hörten plötzlich Hülferufe im<lb/>
Zwi&#x017F;chendeck, als ob Jemand umgebracht würde. Ich &#x017F;prang<lb/>
voll Be&#x017F;orgniß durch die Vorluke hinunter und &#x017F;ah dort vier<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0281] Ernſtes und Heiteres Gefühl, daß er ſich eine Erklärung der geäußerten Worte aus- bitten müſſe. „Was wollen Sie damit ſagen, Herr F — ähnrich?“ interpellirte er Frank, als es ihm gelungen war, dieſen einzuholen. Dieſer ſah ihm wieder eine Weile ſtarr in’s Geſicht wie vorhin und ſprach in demſelben feierlichen Tone: „Herr, es wäre beſſer für Sie, Sie wären nie geboren worden.“ Wir Umſtehenden lachten natürlich laut, doch ſchien dies Decker nur noch mehr zu reizen. „Soll das eine Be — leidigung ſein?“ ſtotterte er hervor. „Beleidigung?“ erwiderte Frank nach einigem Beſinnen, indem ſein bisheriger Ernſt allmälig dem vergnügteſten Lachen wich, „nein! Ich habe nur einmal in meinem Leben einen Menſchen beleidigt, als ich in Hamburg auf der Schule war, ſeitdem nicht wieder, am allerwenigſten aber Dich, zugeknöpfter Waffenbruder. Komm an mein Herz, dann wirſt Du fühlen, wie ich Dich liebe!“ rief er dann gerührt, breitete die Arme aus und umſchlang zu unſerm Gaudium inbrünſtig den ver- blüfften Lieutenant, der aber plötzlich aufſchrie und mit Händen und Füßen arbeitete, um ſich aus der Umarmung zu befreien. Wir ſprangen hinzu, um zu ſehen, was geſchehen ſei und fanden allerdings den Schrei ſehr gerechtfertigt. Frank hatte in ſeiner Rührſeligkeit die brennende Cigarre im Munde ver- geſſen und dieſe ſo gegen den Hals des von ihm umfangenen Adjutanten gepreßt, daß letzterer ein tüchtiges Brandmal davon trug. Nun gab es natürlich etwas Aufregung, und wir hatten genug zu thun, um den Lieutenant zu beruhigen und ihm zu beweiſen, daß nur ein unglücklicher Zufall an dem Vorgange Schuld ſei. Kaum war dies gelungen, als ſich eine andere merkwürdige Scene abſpielte. Wir hörten plötzlich Hülferufe im Zwiſchendeck, als ob Jemand umgebracht würde. Ich ſprang voll Beſorgniß durch die Vorluke hinunter und ſah dort vier

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/281
Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/281>, abgerufen am 19.05.2024.