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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Kreise seiner Lieben reiche Entschädigung verspricht und aus den
trauten Bildern, die vor seiner Seele vorüberziehen, schöpft er
frischen Muth.

Es giebt nicht viel Schiffe, auf denen das Zusammenleben
in der Messe nicht mehr oder minder durch solche Verhältnisse
beeinträchtigt würde, wenn die Reisen mehrere Jahre dauern.
Leider muß man den Grund in der Schwäche des menschlichen
Characters selbst suchen und darf es als einen besonderen Glücks-
fall bezeichnen, wenn die Harmonie bis zum letzten Augenblicke
ungestört bleibt. Sehr viel freilich können zu ihrer Aufrechterhal-
tung der Commandant und der erste Officier beitragen. Letzterer
lebt mit in der Messe, und wenn er beobachtet, kann er leicht den
Anlässen auf die Spur kommen, welche den ersten Grund zu
den Zerwürfnissen legen. Meistens sind sie so geringfügiger
Natur, daß ein gutes Wort zur richtigen Zeit, ein Scherz, eine
freundliche Mahnung sie spurlos verwischen würden, während
sonst, bei der gereizten Stimmung der Gemüther, leicht die Hydra
der Zwietracht aus ihnen erwächst und sie sich zur Quelle stets
intensiver werdenden Zornes und Hasses gestalten. Der erste
Officier ist aber vor Allen die geeignetste Persönlichkeit, um es
nicht so weit kommen zu lassen. Er hat das Recht und die
Verpflichtung dazu; er steht über den Parteien und kann ver-
möge seiner Stellung, viel eher als jeder Andere, vermittelnd,
beschwichtigend und ausgleichend eintreten und in Verbindung
mit richtigem Tactgefühl seine Autorität nach dieser Richtung
hin in wolthätiger Weise zur Geltung bringen.

In noch höherem Grade aber wird das Leben in der Messe
und überhaupt an Bord durch den Commandanten bedingt. Dieser
hat es in der Hand, Allen den Aufenthalt auf dem Schiffe
lieb und angenehm zu machen und dadurch am meisten zur
Fernhaltung von Zerwürfnissen beizutragen, indem er nicht nur
selbst, soweit dies die eigentlichen Schiffsverhältnisse gestatten,
mit den Officieren in kameradschaftlicher Weise verkehrt, sondern

Werner
Kreiſe ſeiner Lieben reiche Entſchädigung verſpricht und aus den
trauten Bildern, die vor ſeiner Seele vorüberziehen, ſchöpft er
friſchen Muth.

Es giebt nicht viel Schiffe, auf denen das Zuſammenleben
in der Meſſe nicht mehr oder minder durch ſolche Verhältniſſe
beeinträchtigt würde, wenn die Reiſen mehrere Jahre dauern.
Leider muß man den Grund in der Schwäche des menſchlichen
Characters ſelbſt ſuchen und darf es als einen beſonderen Glücks-
fall bezeichnen, wenn die Harmonie bis zum letzten Augenblicke
ungeſtört bleibt. Sehr viel freilich können zu ihrer Aufrechterhal-
tung der Commandant und der erſte Officier beitragen. Letzterer
lebt mit in der Meſſe, und wenn er beobachtet, kann er leicht den
Anläſſen auf die Spur kommen, welche den erſten Grund zu
den Zerwürfniſſen legen. Meiſtens ſind ſie ſo geringfügiger
Natur, daß ein gutes Wort zur richtigen Zeit, ein Scherz, eine
freundliche Mahnung ſie ſpurlos verwiſchen würden, während
ſonſt, bei der gereizten Stimmung der Gemüther, leicht die Hydra
der Zwietracht aus ihnen erwächſt und ſie ſich zur Quelle ſtets
intenſiver werdenden Zornes und Haſſes geſtalten. Der erſte
Officier iſt aber vor Allen die geeignetſte Perſönlichkeit, um es
nicht ſo weit kommen zu laſſen. Er hat das Recht und die
Verpflichtung dazu; er ſteht über den Parteien und kann ver-
möge ſeiner Stellung, viel eher als jeder Andere, vermittelnd,
beſchwichtigend und ausgleichend eintreten und in Verbindung
mit richtigem Tactgefühl ſeine Autorität nach dieſer Richtung
hin in wolthätiger Weiſe zur Geltung bringen.

In noch höherem Grade aber wird das Leben in der Meſſe
und überhaupt an Bord durch den Commandanten bedingt. Dieſer
hat es in der Hand, Allen den Aufenthalt auf dem Schiffe
lieb und angenehm zu machen und dadurch am meiſten zur
Fernhaltung von Zerwürfniſſen beizutragen, indem er nicht nur
ſelbſt, ſoweit dies die eigentlichen Schiffsverhältniſſe geſtatten,
mit den Officieren in kameradſchaftlicher Weiſe verkehrt, ſondern

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[254/0266] Werner Kreiſe ſeiner Lieben reiche Entſchädigung verſpricht und aus den trauten Bildern, die vor ſeiner Seele vorüberziehen, ſchöpft er friſchen Muth. Es giebt nicht viel Schiffe, auf denen das Zuſammenleben in der Meſſe nicht mehr oder minder durch ſolche Verhältniſſe beeinträchtigt würde, wenn die Reiſen mehrere Jahre dauern. Leider muß man den Grund in der Schwäche des menſchlichen Characters ſelbſt ſuchen und darf es als einen beſonderen Glücks- fall bezeichnen, wenn die Harmonie bis zum letzten Augenblicke ungeſtört bleibt. Sehr viel freilich können zu ihrer Aufrechterhal- tung der Commandant und der erſte Officier beitragen. Letzterer lebt mit in der Meſſe, und wenn er beobachtet, kann er leicht den Anläſſen auf die Spur kommen, welche den erſten Grund zu den Zerwürfniſſen legen. Meiſtens ſind ſie ſo geringfügiger Natur, daß ein gutes Wort zur richtigen Zeit, ein Scherz, eine freundliche Mahnung ſie ſpurlos verwiſchen würden, während ſonſt, bei der gereizten Stimmung der Gemüther, leicht die Hydra der Zwietracht aus ihnen erwächſt und ſie ſich zur Quelle ſtets intenſiver werdenden Zornes und Haſſes geſtalten. Der erſte Officier iſt aber vor Allen die geeignetſte Perſönlichkeit, um es nicht ſo weit kommen zu laſſen. Er hat das Recht und die Verpflichtung dazu; er ſteht über den Parteien und kann ver- möge ſeiner Stellung, viel eher als jeder Andere, vermittelnd, beſchwichtigend und ausgleichend eintreten und in Verbindung mit richtigem Tactgefühl ſeine Autorität nach dieſer Richtung hin in wolthätiger Weiſe zur Geltung bringen. In noch höherem Grade aber wird das Leben in der Meſſe und überhaupt an Bord durch den Commandanten bedingt. Dieſer hat es in der Hand, Allen den Aufenthalt auf dem Schiffe lieb und angenehm zu machen und dadurch am meiſten zur Fernhaltung von Zerwürfniſſen beizutragen, indem er nicht nur ſelbſt, ſoweit dies die eigentlichen Schiffsverhältniſſe geſtatten, mit den Officieren in kameradſchaftlicher Weiſe verkehrt, ſondern

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/266>, abgerufen am 25.11.2024.