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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Ernstes und Heiteres
Kameraden im geringsten darunter leiden -- ganz anders
an Bord. Auf einem Schiffe ist für die auszuführenden
Leistungen die Mannschaft auf die geringste Zahl bemessen, jede
Hand berechnet und das Fehlen eines Mannes am Geschütz,
auf der Raa, beim Bedienen der Segel oder sonst macht sich
sofort fühlbar und zwar um so mehr, je kleiner das Schiff und
je geringer demgemäß seine Besatzung ist. Man nehme z. B.
ein von Deutschland auf der Reise nach Ostasien befindliches
Kanonenboot, das eine Besatzung von der ungefähren Stärke
einer Compagnie hat und durch einen Kapitänlieutenant mit
Hauptmannsrang commandirt wird. Wenn im Allgemeinen
unsere Leute sich gut halten, so ist es doch möglich, daß sich
unter hundert Mann drei bis vier oder wol noch mehr
schlechte Subjecte befinden. Das Schiff kommt nun nach Eng-
land, die Leute erhalten Urlaub, und jene vier oder sechs Mann
bleiben nicht nur ein paar Tage über Urlaub aus, so daß das
Schiff ihretwegen aufgehalten wird, sondern sie verüben auch
noch Excesse. Was soll dann der Commandant mit ihnen
anfangen? Seine Strafcompetenz erstreckt sich nur auf sieben
Tage Arrest; aber selbst davon abgesehen, daß die Leute viel-
leicht schon früher wegen derselben Vergehen strenger bestraft
sind, entstehen bei Vollstreckung der Strafe alle möglichen
Schwierigkeiten. Zunächst giebt es auf kleineren Schiffen keine
Arrestlocale, weil es an Raum fehlt; wohin also mit den
Leuten? Man kann sie nur auf dem Deck placiren, denn im
Zwischendeck würden sie sich im Wohnraume der Mannschaft
und in engster Berührung mit derselben befinden, was durchaus
dem Geiste der Strafvollstreckung zuwiderläuft und sie illu-
sorisch macht. Es wird also auf dem engen Deck irgendwo ein
Vorhang gezogen, der Arrestant dahinter gesperrt und ein Posten
davor gestellt, wie dies gesetzlich vorgeschrieben und nöthig ist.
Alle sechs Straffällige kann der Commandant aber nicht zugleich
einstecken, denn nicht allein sie, sondern auch noch die Posten

Ernſtes und Heiteres
Kameraden im geringſten darunter leiden — ganz anders
an Bord. Auf einem Schiffe iſt für die auszuführenden
Leiſtungen die Mannſchaft auf die geringſte Zahl bemeſſen, jede
Hand berechnet und das Fehlen eines Mannes am Geſchütz,
auf der Raa, beim Bedienen der Segel oder ſonſt macht ſich
ſofort fühlbar und zwar um ſo mehr, je kleiner das Schiff und
je geringer demgemäß ſeine Beſatzung iſt. Man nehme z. B.
ein von Deutſchland auf der Reiſe nach Oſtaſien befindliches
Kanonenboot, das eine Beſatzung von der ungefähren Stärke
einer Compagnie hat und durch einen Kapitänlieutenant mit
Hauptmannsrang commandirt wird. Wenn im Allgemeinen
unſere Leute ſich gut halten, ſo iſt es doch möglich, daß ſich
unter hundert Mann drei bis vier oder wol noch mehr
ſchlechte Subjecte befinden. Das Schiff kommt nun nach Eng-
land, die Leute erhalten Urlaub, und jene vier oder ſechs Mann
bleiben nicht nur ein paar Tage über Urlaub aus, ſo daß das
Schiff ihretwegen aufgehalten wird, ſondern ſie verüben auch
noch Exceſſe. Was ſoll dann der Commandant mit ihnen
anfangen? Seine Strafcompetenz erſtreckt ſich nur auf ſieben
Tage Arreſt; aber ſelbſt davon abgeſehen, daß die Leute viel-
leicht ſchon früher wegen derſelben Vergehen ſtrenger beſtraft
ſind, entſtehen bei Vollſtreckung der Strafe alle möglichen
Schwierigkeiten. Zunächſt giebt es auf kleineren Schiffen keine
Arreſtlocale, weil es an Raum fehlt; wohin alſo mit den
Leuten? Man kann ſie nur auf dem Deck placiren, denn im
Zwiſchendeck würden ſie ſich im Wohnraume der Mannſchaft
und in engſter Berührung mit derſelben befinden, was durchaus
dem Geiſte der Strafvollſtreckung zuwiderläuft und ſie illu-
ſoriſch macht. Es wird alſo auf dem engen Deck irgendwo ein
Vorhang gezogen, der Arreſtant dahinter geſperrt und ein Poſten
davor geſtellt, wie dies geſetzlich vorgeſchrieben und nöthig iſt.
Alle ſechs Straffällige kann der Commandant aber nicht zugleich
einſtecken, denn nicht allein ſie, ſondern auch noch die Poſten

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[237/0249] Ernſtes und Heiteres Kameraden im geringſten darunter leiden — ganz anders an Bord. Auf einem Schiffe iſt für die auszuführenden Leiſtungen die Mannſchaft auf die geringſte Zahl bemeſſen, jede Hand berechnet und das Fehlen eines Mannes am Geſchütz, auf der Raa, beim Bedienen der Segel oder ſonſt macht ſich ſofort fühlbar und zwar um ſo mehr, je kleiner das Schiff und je geringer demgemäß ſeine Beſatzung iſt. Man nehme z. B. ein von Deutſchland auf der Reiſe nach Oſtaſien befindliches Kanonenboot, das eine Beſatzung von der ungefähren Stärke einer Compagnie hat und durch einen Kapitänlieutenant mit Hauptmannsrang commandirt wird. Wenn im Allgemeinen unſere Leute ſich gut halten, ſo iſt es doch möglich, daß ſich unter hundert Mann drei bis vier oder wol noch mehr ſchlechte Subjecte befinden. Das Schiff kommt nun nach Eng- land, die Leute erhalten Urlaub, und jene vier oder ſechs Mann bleiben nicht nur ein paar Tage über Urlaub aus, ſo daß das Schiff ihretwegen aufgehalten wird, ſondern ſie verüben auch noch Exceſſe. Was ſoll dann der Commandant mit ihnen anfangen? Seine Strafcompetenz erſtreckt ſich nur auf ſieben Tage Arreſt; aber ſelbſt davon abgeſehen, daß die Leute viel- leicht ſchon früher wegen derſelben Vergehen ſtrenger beſtraft ſind, entſtehen bei Vollſtreckung der Strafe alle möglichen Schwierigkeiten. Zunächſt giebt es auf kleineren Schiffen keine Arreſtlocale, weil es an Raum fehlt; wohin alſo mit den Leuten? Man kann ſie nur auf dem Deck placiren, denn im Zwiſchendeck würden ſie ſich im Wohnraume der Mannſchaft und in engſter Berührung mit derſelben befinden, was durchaus dem Geiſte der Strafvollſtreckung zuwiderläuft und ſie illu- ſoriſch macht. Es wird alſo auf dem engen Deck irgendwo ein Vorhang gezogen, der Arreſtant dahinter geſperrt und ein Poſten davor geſtellt, wie dies geſetzlich vorgeſchrieben und nöthig iſt. Alle ſechs Straffällige kann der Commandant aber nicht zugleich einſtecken, denn nicht allein ſie, ſondern auch noch die Poſten

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/249>, abgerufen am 24.11.2024.