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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Werner

"Was thust Du so lange dort unten?" fuhr er mich an,
"hier heißt's arbeiten und nicht faulenzen. Nimm jenen Korb
und suche die Spiker unter dem Schiffe zusammen."

Ich hatte zwar keine Ahnung, was er mit Spikern meinte,
war aber auch schon zu sehr eingeschüchtert, um zu fragen und
kletterte schleunigst die Leiter nach der Werft hinunter, wo ich
auch von einem gutmüthigen Matrosen den gewünschten Aufschluß
über den Befehl des Bootsmannes erhielt. Die Zimmerleute
lösten die alten verbrauchten Kupferplatten vom Boden des
Schiffes, und ich sollte die bei dieser Gelegenheit auf die Erde
fallenden Kupfernägel aufsuchen, welche an Bord Spiker ge-
nannt werden.

Die Arbeit behagte mir keineswegs; ich hatte mir den
Anfang so ganz anders gedacht, aber ich war fleißig und selbst
der alte Bootsmann schien mit meinem Eifer nicht unzufrieden
zu sein, der mir bei der ungewohnten Beschäftigung trotz des
kalten Wetters die Schweißtropfen auf die Stirn trieb. Die
Zeit zum Mittagsessen kam; der Koch stand oben an der Leiter,
klatschte dreimal in die Hände und rief etwas, das mir wie
"Handschuh"! klang, aber wie ich später erfuhr "Handen schoon"
(Hände rein!) hieß. Ich mußte mich sehr damit beeilen, denn
ich wurde belehrt, daß das Signal mich als den Jüngsten
speciell angehe und ich die Speisen von der Küche nach dem
Logis zu tragen habe. Als dies geschehen, gab der Koch ein
zweites eigenthümliches Signal, diesmal aber mit einem, wenn
auch nicht melodienreichen Gesange: "Schaffen over all, schaffen
unnen un boben, schaffen in Gottes Namen" (Essen überall,
essen unten und oben, essen in Gottes Namen) klang es mit
lauter Stimme nach der Werft hinunter und die Leute sam-
melten sich, um ihr Mahl einzunehmen. Dasselbe war kräftig
und gut; die Arbeit hatte Appetit gemacht, das Essen schmeckte
mir vortrefflich und von dem auf meine Ration entfallenden
Pfunde Fleisch blieb nichts übrig. Die Unterhaltung dagegen

Werner

„Was thuſt Du ſo lange dort unten?“ fuhr er mich an,
„hier heißt’s arbeiten und nicht faulenzen. Nimm jenen Korb
und ſuche die Spiker unter dem Schiffe zuſammen.“

Ich hatte zwar keine Ahnung, was er mit Spikern meinte,
war aber auch ſchon zu ſehr eingeſchüchtert, um zu fragen und
kletterte ſchleunigſt die Leiter nach der Werft hinunter, wo ich
auch von einem gutmüthigen Matroſen den gewünſchten Aufſchluß
über den Befehl des Bootsmannes erhielt. Die Zimmerleute
löſten die alten verbrauchten Kupferplatten vom Boden des
Schiffes, und ich ſollte die bei dieſer Gelegenheit auf die Erde
fallenden Kupfernägel aufſuchen, welche an Bord Spiker ge-
nannt werden.

Die Arbeit behagte mir keineswegs; ich hatte mir den
Anfang ſo ganz anders gedacht, aber ich war fleißig und ſelbſt
der alte Bootsmann ſchien mit meinem Eifer nicht unzufrieden
zu ſein, der mir bei der ungewohnten Beſchäftigung trotz des
kalten Wetters die Schweißtropfen auf die Stirn trieb. Die
Zeit zum Mittagseſſen kam; der Koch ſtand oben an der Leiter,
klatſchte dreimal in die Hände und rief etwas, das mir wie
„Handſchuh“! klang, aber wie ich ſpäter erfuhr „Handen ſchoon“
(Hände rein!) hieß. Ich mußte mich ſehr damit beeilen, denn
ich wurde belehrt, daß das Signal mich als den Jüngſten
ſpeciell angehe und ich die Speiſen von der Küche nach dem
Logis zu tragen habe. Als dies geſchehen, gab der Koch ein
zweites eigenthümliches Signal, diesmal aber mit einem, wenn
auch nicht melodienreichen Geſange: „Schaffen over all, ſchaffen
unnen un boben, ſchaffen in Gottes Namen“ (Eſſen überall,
eſſen unten und oben, eſſen in Gottes Namen) klang es mit
lauter Stimme nach der Werft hinunter und die Leute ſam-
melten ſich, um ihr Mahl einzunehmen. Daſſelbe war kräftig
und gut; die Arbeit hatte Appetit gemacht, das Eſſen ſchmeckte
mir vortrefflich und von dem auf meine Ration entfallenden
Pfunde Fleiſch blieb nichts übrig. Die Unterhaltung dagegen

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[8/0020] Werner „Was thuſt Du ſo lange dort unten?“ fuhr er mich an, „hier heißt’s arbeiten und nicht faulenzen. Nimm jenen Korb und ſuche die Spiker unter dem Schiffe zuſammen.“ Ich hatte zwar keine Ahnung, was er mit Spikern meinte, war aber auch ſchon zu ſehr eingeſchüchtert, um zu fragen und kletterte ſchleunigſt die Leiter nach der Werft hinunter, wo ich auch von einem gutmüthigen Matroſen den gewünſchten Aufſchluß über den Befehl des Bootsmannes erhielt. Die Zimmerleute löſten die alten verbrauchten Kupferplatten vom Boden des Schiffes, und ich ſollte die bei dieſer Gelegenheit auf die Erde fallenden Kupfernägel aufſuchen, welche an Bord Spiker ge- nannt werden. Die Arbeit behagte mir keineswegs; ich hatte mir den Anfang ſo ganz anders gedacht, aber ich war fleißig und ſelbſt der alte Bootsmann ſchien mit meinem Eifer nicht unzufrieden zu ſein, der mir bei der ungewohnten Beſchäftigung trotz des kalten Wetters die Schweißtropfen auf die Stirn trieb. Die Zeit zum Mittagseſſen kam; der Koch ſtand oben an der Leiter, klatſchte dreimal in die Hände und rief etwas, das mir wie „Handſchuh“! klang, aber wie ich ſpäter erfuhr „Handen ſchoon“ (Hände rein!) hieß. Ich mußte mich ſehr damit beeilen, denn ich wurde belehrt, daß das Signal mich als den Jüngſten ſpeciell angehe und ich die Speiſen von der Küche nach dem Logis zu tragen habe. Als dies geſchehen, gab der Koch ein zweites eigenthümliches Signal, diesmal aber mit einem, wenn auch nicht melodienreichen Geſange: „Schaffen over all, ſchaffen unnen un boben, ſchaffen in Gottes Namen“ (Eſſen überall, eſſen unten und oben, eſſen in Gottes Namen) klang es mit lauter Stimme nach der Werft hinunter und die Leute ſam- melten ſich, um ihr Mahl einzunehmen. Daſſelbe war kräftig und gut; die Arbeit hatte Appetit gemacht, das Eſſen ſchmeckte mir vortrefflich und von dem auf meine Ration entfallenden Pfunde Fleiſch blieb nichts übrig. Die Unterhaltung dagegen

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/20>, abgerufen am 23.04.2024.