Halstuche und der schottischen Mütze ganz interessant vor. Ziemlich selbstbewußt machte ich einen Spaziergang am Hafen und hätte statt der Mütze auch gar zu gern den Südwester aufgesetzt, jene Regenkappe von geöltem Segeltuch mit Nacken- schirm, die den Seeleuten bei schlechtem Wetter so gute Dienste leistet, aber zu meinem Bedauern regnete es nicht und ich mußte mich heute schon begnügen, in meinem Aeußeren etwas weniger specifisch seemännisch zu erscheinen.
Der Abend verging, indem ich wiederholt mein neues Eigenthum musterte, es sorgfältig in der Kiste lagerte und mit Behagen meinen bisherigen Civilanzug zu einem Packete for- mirte, um ihn nach Hause zu schicken. Trotz der wehmüthigen Gefühle, die mich bei dem Gedanken an die Heimath beschlichen, empfand ich doch volle Befriedigung, am Ziel meiner seit so lange gehegten Wünsche angelangt zu sein. Die hochfliegendsten und ehrgeizigsten Pläne entstanden in meinem Kopfe, und ich schlief endlich ein, um die letzte Nacht auf dem Festlande zu- zubringen. Für lange Zeit sollte es auch die letzte sein, in der ich mich einer ungestörten Ruhe erfreuen durfte; meinen Zukunfts- träumen setzte aber schon der folgende Tag einen häßlichen Dämpfer auf.
Auf dem Comptoir der Rheder, wo ich meinen Lehrlings- contract unterzeichnete, hatte man mir mitgetheilt, daß ich am Morgen nach der Abreise meines Vaters an Bord zu gehen habe. Ich glaubte deshalb besonders pünktlich zu sein, als ich mich um acht Uhr auf dem Schiffe meldete, täuschte mich aber. Ich wurde vom Kapitän auf sehr unliebenswürdige Weise em- pfangen, und obwohl ich das von ihm gesprochene Plattdeutsch nur halb verstand, hörte ich doch harte Vorwürfe heraus, daß ich nicht schon mit Beginn der Arbeitszeit gekommen sei. Das war kein angenehmer Anfang. Mein Schiff hieß "Alma". Es war eine nicht sehr große Bark, d. h. ein dreimastiges Schiff, das nur an den beiden vorderen Masten Raaen führte, während
Eine erſte Seereiſe
Halstuche und der ſchottiſchen Mütze ganz intereſſant vor. Ziemlich ſelbſtbewußt machte ich einen Spaziergang am Hafen und hätte ſtatt der Mütze auch gar zu gern den Südweſter aufgeſetzt, jene Regenkappe von geöltem Segeltuch mit Nacken- ſchirm, die den Seeleuten bei ſchlechtem Wetter ſo gute Dienſte leiſtet, aber zu meinem Bedauern regnete es nicht und ich mußte mich heute ſchon begnügen, in meinem Aeußeren etwas weniger ſpecifiſch ſeemänniſch zu erſcheinen.
Der Abend verging, indem ich wiederholt mein neues Eigenthum muſterte, es ſorgfältig in der Kiſte lagerte und mit Behagen meinen bisherigen Civilanzug zu einem Packete for- mirte, um ihn nach Hauſe zu ſchicken. Trotz der wehmüthigen Gefühle, die mich bei dem Gedanken an die Heimath beſchlichen, empfand ich doch volle Befriedigung, am Ziel meiner ſeit ſo lange gehegten Wünſche angelangt zu ſein. Die hochfliegendſten und ehrgeizigſten Pläne entſtanden in meinem Kopfe, und ich ſchlief endlich ein, um die letzte Nacht auf dem Feſtlande zu- zubringen. Für lange Zeit ſollte es auch die letzte ſein, in der ich mich einer ungeſtörten Ruhe erfreuen durfte; meinen Zukunfts- träumen ſetzte aber ſchon der folgende Tag einen häßlichen Dämpfer auf.
Auf dem Comptoir der Rheder, wo ich meinen Lehrlings- contract unterzeichnete, hatte man mir mitgetheilt, daß ich am Morgen nach der Abreiſe meines Vaters an Bord zu gehen habe. Ich glaubte deshalb beſonders pünktlich zu ſein, als ich mich um acht Uhr auf dem Schiffe meldete, täuſchte mich aber. Ich wurde vom Kapitän auf ſehr unliebenswürdige Weiſe em- pfangen, und obwohl ich das von ihm geſprochene Plattdeutſch nur halb verſtand, hörte ich doch harte Vorwürfe heraus, daß ich nicht ſchon mit Beginn der Arbeitszeit gekommen ſei. Das war kein angenehmer Anfang. Mein Schiff hieß „Alma“. Es war eine nicht ſehr große Bark, d. h. ein dreimaſtiges Schiff, das nur an den beiden vorderen Maſten Raaen führte, während
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Eine erſte Seereiſe
Halstuche und der ſchottiſchen Mütze ganz intereſſant vor.
Ziemlich ſelbſtbewußt machte ich einen Spaziergang am Hafen
und hätte ſtatt der Mütze auch gar zu gern den Südweſter
aufgeſetzt, jene Regenkappe von geöltem Segeltuch mit Nacken-
ſchirm, die den Seeleuten bei ſchlechtem Wetter ſo gute Dienſte
leiſtet, aber zu meinem Bedauern regnete es nicht und ich
mußte mich heute ſchon begnügen, in meinem Aeußeren etwas
weniger ſpecifiſch ſeemänniſch zu erſcheinen.
Der Abend verging, indem ich wiederholt mein neues
Eigenthum muſterte, es ſorgfältig in der Kiſte lagerte und mit
Behagen meinen bisherigen Civilanzug zu einem Packete for-
mirte, um ihn nach Hauſe zu ſchicken. Trotz der wehmüthigen
Gefühle, die mich bei dem Gedanken an die Heimath beſchlichen,
empfand ich doch volle Befriedigung, am Ziel meiner ſeit ſo
lange gehegten Wünſche angelangt zu ſein. Die hochfliegendſten
und ehrgeizigſten Pläne entſtanden in meinem Kopfe, und ich
ſchlief endlich ein, um die letzte Nacht auf dem Feſtlande zu-
zubringen. Für lange Zeit ſollte es auch die letzte ſein, in der
ich mich einer ungeſtörten Ruhe erfreuen durfte; meinen Zukunfts-
träumen ſetzte aber ſchon der folgende Tag einen häßlichen
Dämpfer auf.
Auf dem Comptoir der Rheder, wo ich meinen Lehrlings-
contract unterzeichnete, hatte man mir mitgetheilt, daß ich am
Morgen nach der Abreiſe meines Vaters an Bord zu gehen
habe. Ich glaubte deshalb beſonders pünktlich zu ſein, als ich
mich um acht Uhr auf dem Schiffe meldete, täuſchte mich aber.
Ich wurde vom Kapitän auf ſehr unliebenswürdige Weiſe em-
pfangen, und obwohl ich das von ihm geſprochene Plattdeutſch
nur halb verſtand, hörte ich doch harte Vorwürfe heraus, daß
ich nicht ſchon mit Beginn der Arbeitszeit gekommen ſei. Das
war kein angenehmer Anfang. Mein Schiff hieß „Alma“. Es
war eine nicht ſehr große Bark, d. h. ein dreimaſtiges Schiff,
das nur an den beiden vorderen Maſten Raaen führte, während
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/17>, abgerufen am 27.07.2024.
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