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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Eine erste Seereise
des Windes, als die Gewalt der aufgewühlten See, welche zu
diesem Manöver zwingt. Diese erhält bei schweren Winden
eine solche Schnelligkeit, daß sie die vor ihr laufenden Schiffe
überholt oder bei seitlichem Sturme quer über sie hinbricht und
in beiden Fällen als verheerende Sturzsee nicht nur alles nieder-
reißen, sondern die Fahrzeuge geradezu vernichten kann.

Höchstwahrscheinlich sind der preußische Kriegsschooner
"Frauenlob", welcher 1860 bei einem Teufun im chinesischen Meere
und die Korvette "Amazone", die ein Jahr später bei einem ähnlichen
Wirbelsturme in der Nordsee mit Mann und Maus unterging,
von einem solchen Geschick ereilt und von einer Sturzsee be-
graben worden. Wenn man vor dem Winde segelt, ist der
Moment des Beidrehens immer ein gefährlicher und man darf
damit nicht so lange warten, bis die See zu schwer geworden
ist. Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, daß bei Stürmen
fast immer drei große überbrechende Wellen sich in kurzen
Zwischenräumen folgen und dann eine längere Pause von ver-
hältnißmäßig ruhigerem Wasser eintritt. Diese Pause muß wo-
möglich zum Beidrehen benutzt werden. Gelingt es dem Schiffe
nicht, während ihrer Dauer mit dem Kopfe an den Wind zu
kommen, so setzt es sich der Gefahr aus, von einer der nächsten
drei schweren Wellen erreicht und überflutet zu werden. Liegt
es aber am Winde, dann hat es in der Regel nichts von Sturm
und See zu fürchten, wenn es sich in offenem Wasser befindet.
Es treibt dann vor den kleinen Sturmsegeln seitwärts, macht
mit seinem Rumpfe ein sehr breites und ziemlich glattes Kiel-
wasser und an diesem brechen und verlaufen sich die gefürchteten
Kämme der heranrollenden Sturzseen.

Zu den erwünschten nautischen Eigenschaften eines Schiffes
gehört, daß es gut beiliegt und mit dem Kopfe immer auf
60--70 Grad am Winde liegt. Thut es dies nicht und
fällt es öfter 20--30 Grad mehr ab, so fängt es an, Fahrt
durch das Wasser zu machen, weil dann der Wind mehr von

Eine erſte Seereiſe
des Windes, als die Gewalt der aufgewühlten See, welche zu
dieſem Manöver zwingt. Dieſe erhält bei ſchweren Winden
eine ſolche Schnelligkeit, daß ſie die vor ihr laufenden Schiffe
überholt oder bei ſeitlichem Sturme quer über ſie hinbricht und
in beiden Fällen als verheerende Sturzſee nicht nur alles nieder-
reißen, ſondern die Fahrzeuge geradezu vernichten kann.

Höchſtwahrſcheinlich ſind der preußiſche Kriegsſchooner
„Frauenlob“, welcher 1860 bei einem Teufun im chineſiſchen Meere
und die Korvette „Amazone“, die ein Jahr ſpäter bei einem ähnlichen
Wirbelſturme in der Nordſee mit Mann und Maus unterging,
von einem ſolchen Geſchick ereilt und von einer Sturzſee be-
graben worden. Wenn man vor dem Winde ſegelt, iſt der
Moment des Beidrehens immer ein gefährlicher und man darf
damit nicht ſo lange warten, bis die See zu ſchwer geworden
iſt. Es iſt eine eigenthümliche Erſcheinung, daß bei Stürmen
faſt immer drei große überbrechende Wellen ſich in kurzen
Zwiſchenräumen folgen und dann eine längere Pauſe von ver-
hältnißmäßig ruhigerem Waſſer eintritt. Dieſe Pauſe muß wo-
möglich zum Beidrehen benutzt werden. Gelingt es dem Schiffe
nicht, während ihrer Dauer mit dem Kopfe an den Wind zu
kommen, ſo ſetzt es ſich der Gefahr aus, von einer der nächſten
drei ſchweren Wellen erreicht und überflutet zu werden. Liegt
es aber am Winde, dann hat es in der Regel nichts von Sturm
und See zu fürchten, wenn es ſich in offenem Waſſer befindet.
Es treibt dann vor den kleinen Sturmſegeln ſeitwärts, macht
mit ſeinem Rumpfe ein ſehr breites und ziemlich glattes Kiel-
waſſer und an dieſem brechen und verlaufen ſich die gefürchteten
Kämme der heranrollenden Sturzſeen.

Zu den erwünſchten nautiſchen Eigenſchaften eines Schiffes
gehört, daß es gut beiliegt und mit dem Kopfe immer auf
60—70 Grad am Winde liegt. Thut es dies nicht und
fällt es öfter 20—30 Grad mehr ab, ſo fängt es an, Fahrt
durch das Waſſer zu machen, weil dann der Wind mehr von

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[105/0117] Eine erſte Seereiſe des Windes, als die Gewalt der aufgewühlten See, welche zu dieſem Manöver zwingt. Dieſe erhält bei ſchweren Winden eine ſolche Schnelligkeit, daß ſie die vor ihr laufenden Schiffe überholt oder bei ſeitlichem Sturme quer über ſie hinbricht und in beiden Fällen als verheerende Sturzſee nicht nur alles nieder- reißen, ſondern die Fahrzeuge geradezu vernichten kann. Höchſtwahrſcheinlich ſind der preußiſche Kriegsſchooner „Frauenlob“, welcher 1860 bei einem Teufun im chineſiſchen Meere und die Korvette „Amazone“, die ein Jahr ſpäter bei einem ähnlichen Wirbelſturme in der Nordſee mit Mann und Maus unterging, von einem ſolchen Geſchick ereilt und von einer Sturzſee be- graben worden. Wenn man vor dem Winde ſegelt, iſt der Moment des Beidrehens immer ein gefährlicher und man darf damit nicht ſo lange warten, bis die See zu ſchwer geworden iſt. Es iſt eine eigenthümliche Erſcheinung, daß bei Stürmen faſt immer drei große überbrechende Wellen ſich in kurzen Zwiſchenräumen folgen und dann eine längere Pauſe von ver- hältnißmäßig ruhigerem Waſſer eintritt. Dieſe Pauſe muß wo- möglich zum Beidrehen benutzt werden. Gelingt es dem Schiffe nicht, während ihrer Dauer mit dem Kopfe an den Wind zu kommen, ſo ſetzt es ſich der Gefahr aus, von einer der nächſten drei ſchweren Wellen erreicht und überflutet zu werden. Liegt es aber am Winde, dann hat es in der Regel nichts von Sturm und See zu fürchten, wenn es ſich in offenem Waſſer befindet. Es treibt dann vor den kleinen Sturmſegeln ſeitwärts, macht mit ſeinem Rumpfe ein ſehr breites und ziemlich glattes Kiel- waſſer und an dieſem brechen und verlaufen ſich die gefürchteten Kämme der heranrollenden Sturzſeen. Zu den erwünſchten nautiſchen Eigenſchaften eines Schiffes gehört, daß es gut beiliegt und mit dem Kopfe immer auf 60—70 Grad am Winde liegt. Thut es dies nicht und fällt es öfter 20—30 Grad mehr ab, ſo fängt es an, Fahrt durch das Waſſer zu machen, weil dann der Wind mehr von

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/117>, abgerufen am 24.11.2024.