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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Eine erste Seereise
beobachtete und rechnete, wann sich nur irgend Gelegenheit und
Zeit bot, und meine sichtbaren Fortschritte spornten mich zu immer
größerer Thätigkeit an. Von einem wissenschaftlichen Verständ-
niß der Berechnungen konnte zwar keine Rede sein, ich lernte
sie nur mechanisch, aber das genügte für den vorliegenden Zweck
vollständig. Die Hauptsache blieb genaues Beobachten, weil da-
von die Richtigkeit des Resultates abhing und darin hatte ich es
in nicht zu langer Zeit durch unermüdliche Uebung so weit ge-
bracht, daß ich mir ohne Ueberhebung darauf etwas zu Gute
thun konnte. Auch in der ausführenden Rechnung war ich den
Steuerleuten bald überlegen, was übrigens gar nicht auffallen
konnte, da ich eben das Gymnasium absolvirt hatte und jene
Beiden ihre Elementarkenntnisse nur von einer gewöhnlichen
Volksschule ableiteten.

Anfänglich haperte es mit den Beobachtungen sehr und wir
gelangten zu wunderbaren Ergebnissen; der Eine rechnete den
Standpunkt des Schiffes oft zehn Meilen anders heraus als der
Andere, aber Uebung macht den Meister. Allmälig näherten
wir uns, und nach Ablauf von drei bis vier Wochen stimmten
wir so überein, daß, wenn wir unsere drei Beobachtungen mittel-
ten, wir mit ziemlicher Genauigkeit, d. h. auf 2 bis 3 Meilen,
was für die Praxis ausreicht, sagen konnten: das und das ist
unsere Länge und daß wir später darauf hin auch die Sunda-
straße auf den Kopf ansegelten.

Ehe ich zur See ging, hatte ich schon vielfach von der
Pracht des südlichen gestirnten Himmels gehört und gelesen und
fand dieselben Schilderungen auch später in Reisebeschreibungen.
Mir selbst ist es jedoch nicht möglich gewesen, dies bestätigt zu
finden, und ich bin noch heute der Meinung, daß unser nordi-
scher Himmel in dieser Beziehung den südlichen weit übertrifft
und seine Sternbilder viel glänzender und schöner sind. In
meiner Knabenphantasie leuchtete namentlich das südliche Kreuz
in märchenhaftem Glanze, übergroß und feurig dachte ich mir

Eine erſte Seereiſe
beobachtete und rechnete, wann ſich nur irgend Gelegenheit und
Zeit bot, und meine ſichtbaren Fortſchritte ſpornten mich zu immer
größerer Thätigkeit an. Von einem wiſſenſchaftlichen Verſtänd-
niß der Berechnungen konnte zwar keine Rede ſein, ich lernte
ſie nur mechaniſch, aber das genügte für den vorliegenden Zweck
vollſtändig. Die Hauptſache blieb genaues Beobachten, weil da-
von die Richtigkeit des Reſultates abhing und darin hatte ich es
in nicht zu langer Zeit durch unermüdliche Uebung ſo weit ge-
bracht, daß ich mir ohne Ueberhebung darauf etwas zu Gute
thun konnte. Auch in der ausführenden Rechnung war ich den
Steuerleuten bald überlegen, was übrigens gar nicht auffallen
konnte, da ich eben das Gymnaſium abſolvirt hatte und jene
Beiden ihre Elementarkenntniſſe nur von einer gewöhnlichen
Volksſchule ableiteten.

Anfänglich haperte es mit den Beobachtungen ſehr und wir
gelangten zu wunderbaren Ergebniſſen; der Eine rechnete den
Standpunkt des Schiffes oft zehn Meilen anders heraus als der
Andere, aber Uebung macht den Meiſter. Allmälig näherten
wir uns, und nach Ablauf von drei bis vier Wochen ſtimmten
wir ſo überein, daß, wenn wir unſere drei Beobachtungen mittel-
ten, wir mit ziemlicher Genauigkeit, d. h. auf 2 bis 3 Meilen,
was für die Praxis ausreicht, ſagen konnten: das und das iſt
unſere Länge und daß wir ſpäter darauf hin auch die Sunda-
ſtraße auf den Kopf anſegelten.

Ehe ich zur See ging, hatte ich ſchon vielfach von der
Pracht des ſüdlichen geſtirnten Himmels gehört und geleſen und
fand dieſelben Schilderungen auch ſpäter in Reiſebeſchreibungen.
Mir ſelbſt iſt es jedoch nicht möglich geweſen, dies beſtätigt zu
finden, und ich bin noch heute der Meinung, daß unſer nordi-
ſcher Himmel in dieſer Beziehung den ſüdlichen weit übertrifft
und ſeine Sternbilder viel glänzender und ſchöner ſind. In
meiner Knabenphantaſie leuchtete namentlich das ſüdliche Kreuz
in märchenhaftem Glanze, übergroß und feurig dachte ich mir

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[103/0115] Eine erſte Seereiſe beobachtete und rechnete, wann ſich nur irgend Gelegenheit und Zeit bot, und meine ſichtbaren Fortſchritte ſpornten mich zu immer größerer Thätigkeit an. Von einem wiſſenſchaftlichen Verſtänd- niß der Berechnungen konnte zwar keine Rede ſein, ich lernte ſie nur mechaniſch, aber das genügte für den vorliegenden Zweck vollſtändig. Die Hauptſache blieb genaues Beobachten, weil da- von die Richtigkeit des Reſultates abhing und darin hatte ich es in nicht zu langer Zeit durch unermüdliche Uebung ſo weit ge- bracht, daß ich mir ohne Ueberhebung darauf etwas zu Gute thun konnte. Auch in der ausführenden Rechnung war ich den Steuerleuten bald überlegen, was übrigens gar nicht auffallen konnte, da ich eben das Gymnaſium abſolvirt hatte und jene Beiden ihre Elementarkenntniſſe nur von einer gewöhnlichen Volksſchule ableiteten. Anfänglich haperte es mit den Beobachtungen ſehr und wir gelangten zu wunderbaren Ergebniſſen; der Eine rechnete den Standpunkt des Schiffes oft zehn Meilen anders heraus als der Andere, aber Uebung macht den Meiſter. Allmälig näherten wir uns, und nach Ablauf von drei bis vier Wochen ſtimmten wir ſo überein, daß, wenn wir unſere drei Beobachtungen mittel- ten, wir mit ziemlicher Genauigkeit, d. h. auf 2 bis 3 Meilen, was für die Praxis ausreicht, ſagen konnten: das und das iſt unſere Länge und daß wir ſpäter darauf hin auch die Sunda- ſtraße auf den Kopf anſegelten. Ehe ich zur See ging, hatte ich ſchon vielfach von der Pracht des ſüdlichen geſtirnten Himmels gehört und geleſen und fand dieſelben Schilderungen auch ſpäter in Reiſebeſchreibungen. Mir ſelbſt iſt es jedoch nicht möglich geweſen, dies beſtätigt zu finden, und ich bin noch heute der Meinung, daß unſer nordi- ſcher Himmel in dieſer Beziehung den ſüdlichen weit übertrifft und ſeine Sternbilder viel glänzender und ſchöner ſind. In meiner Knabenphantaſie leuchtete namentlich das ſüdliche Kreuz in märchenhaftem Glanze, übergroß und feurig dachte ich mir

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/115>, abgerufen am 24.11.2024.