Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

sich zurückkehrt --, warum sollte und wie könnte
diese die Unsterblichkeit bedingende Beschaf-
fenheit der Lebenssubstanz auch dann noch
beibehalten worden sein, als sie nicht mehr
nöthig war?
Und es liegt doch auf der Hand, dass sie
nicht mehr nöthig war bei den somatischen Zellen der Viel-
zelligen." Ich fahre heute fort: Da aber, wo sie nöthig war,
wie bei den die Knospung bedingenden Zellen, musste sie
erhalten bleiben und blieb erhalten. Ich füge weiter hinzu,
dass nicht blos bei hoher histologischer Differenzirung der
Zellen die unbegrenzte Theilbarkeit derselben verloren ging,
sondern überall, wo sie nicht mehr nöthig oder vortheilhaft
war, wie dies dem Princip der Panmixie entspricht. So er-
klärt sich z. B. die im Aufsatz XI, p. 646 mitgetheilte Be-
obachtung des Botanikers Klein, aus welcher hervorgeht,
dass schon bei einem der niedersten Heteroplastiden, dem
Volvox, die Körperzellen sterben, wenn die Fortpflanzungs-
zellen entleert sind, obwohl doch hier die somatischen Zellen
sich selbständig ernähren und die äusseren Bedingungen
nach wie vor dieselben sind. Dennoch sterben die Somazellen
und vermehren sich nicht weiter, und es dürfte Herbert
Spencer
schwer werden, eine seiner neun Ursachen der
Zellregulirung dafür verantwortlich zu machen, während meine
Annahme, dass diese Somazellen durch ihre eigne Beschaffen-
heit auf eine bestimmte Anzahl von Zellgenerationen normirt
sind, auf begründeten Widerspruch kaum treffen dürfte.

Mein berühmter Gegner kommt zum Schluss und ge-
wissermaassen als Krönung seines ganzen Gebäudes von Be-
weisen wieder auf die Vererbung erworbener Eigen-
schaften
zurück und führt für sie jene zweifelhaften Fälle
an, in welchen das Kind nicht dem Vater, sondern einem

Weismann, Allmacht der Naturzüchtung. 6

sich zurückkehrt —, warum sollte und wie könnte
diese die Unsterblichkeit bedingende Beschaf-
fenheit der Lebenssubstanz auch dann noch
beibehalten worden sein, als sie nicht mehr
nöthig war?
Und es liegt doch auf der Hand, dass sie
nicht mehr nöthig war bei den somatischen Zellen der Viel-
zelligen.“ Ich fahre heute fort: Da aber, wo sie nöthig war,
wie bei den die Knospung bedingenden Zellen, musste sie
erhalten bleiben und blieb erhalten. Ich füge weiter hinzu,
dass nicht blos bei hoher histologischer Differenzirung der
Zellen die unbegrenzte Theilbarkeit derselben verloren ging,
sondern überall, wo sie nicht mehr nöthig oder vortheilhaft
war, wie dies dem Princip der Panmixie entspricht. So er-
klärt sich z. B. die im Aufsatz XI, p. 646 mitgetheilte Be-
obachtung des Botanikers Klein, aus welcher hervorgeht,
dass schon bei einem der niedersten Heteroplastiden, dem
Volvox, die Körperzellen sterben, wenn die Fortpflanzungs-
zellen entleert sind, obwohl doch hier die somatischen Zellen
sich selbständig ernähren und die äusseren Bedingungen
nach wie vor dieselben sind. Dennoch sterben die Somazellen
und vermehren sich nicht weiter, und es dürfte Herbert
Spencer
schwer werden, eine seiner neun Ursachen der
Zellregulirung dafür verantwortlich zu machen, während meine
Annahme, dass diese Somazellen durch ihre eigne Beschaffen-
heit auf eine bestimmte Anzahl von Zellgenerationen normirt
sind, auf begründeten Widerspruch kaum treffen dürfte.

Mein berühmter Gegner kommt zum Schluss und ge-
wissermaassen als Krönung seines ganzen Gebäudes von Be-
weisen wieder auf die Vererbung erworbener Eigen-
schaften
zurück und führt für sie jene zweifelhaften Fälle
an, in welchen das Kind nicht dem Vater, sondern einem

Weismann, Allmacht der Naturzüchtung. 6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0093" n="81"/>
sich zurückkehrt &#x2014;, <hi rendition="#g">warum sollte und wie könnte<lb/>
diese die Unsterblichkeit bedingende Beschaf-<lb/>
fenheit der Lebenssubstanz auch dann noch<lb/>
beibehalten worden sein, als sie nicht mehr<lb/>
nöthig war?</hi> Und es liegt doch auf der Hand, dass sie<lb/>
nicht mehr nöthig war bei den somatischen Zellen der Viel-<lb/>
zelligen.&#x201C; Ich fahre heute fort: Da aber, wo sie nöthig war,<lb/>
wie bei den die Knospung bedingenden Zellen, musste sie<lb/>
erhalten bleiben und blieb erhalten. Ich füge weiter hinzu,<lb/>
dass nicht blos bei hoher histologischer Differenzirung der<lb/>
Zellen die unbegrenzte Theilbarkeit derselben verloren ging,<lb/>
sondern überall, wo sie nicht mehr nöthig oder vortheilhaft<lb/>
war, wie dies dem Princip der Panmixie entspricht. So er-<lb/>
klärt sich z. B. die im Aufsatz XI, p. 646 mitgetheilte Be-<lb/>
obachtung des Botanikers <hi rendition="#g">Klein</hi>, aus welcher hervorgeht,<lb/>
dass schon bei einem der niedersten Heteroplastiden, dem<lb/>
Volvox, die Körperzellen sterben, wenn die Fortpflanzungs-<lb/>
zellen entleert sind, obwohl doch hier die somatischen Zellen<lb/>
sich selbständig ernähren und die äusseren Bedingungen<lb/>
nach wie vor dieselben sind. Dennoch sterben die Somazellen<lb/>
und vermehren sich nicht weiter, und es dürfte <hi rendition="#g">Herbert<lb/>
Spencer</hi> schwer werden, eine seiner neun Ursachen der<lb/>
Zellregulirung dafür verantwortlich zu machen, während meine<lb/>
Annahme, dass diese Somazellen durch ihre eigne Beschaffen-<lb/>
heit auf eine bestimmte Anzahl von Zellgenerationen normirt<lb/>
sind, auf begründeten Widerspruch kaum treffen dürfte.</p><lb/>
        <p>Mein berühmter Gegner kommt zum Schluss und ge-<lb/>
wissermaassen als Krönung seines ganzen Gebäudes von Be-<lb/>
weisen wieder auf die <hi rendition="#g">Vererbung erworbener Eigen-<lb/>
schaften</hi> zurück und führt für sie jene zweifelhaften Fälle<lb/>
an, in welchen das Kind nicht dem Vater, sondern einem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Weismann</hi>, Allmacht der Naturzüchtung. 6</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0093] sich zurückkehrt —, warum sollte und wie könnte diese die Unsterblichkeit bedingende Beschaf- fenheit der Lebenssubstanz auch dann noch beibehalten worden sein, als sie nicht mehr nöthig war? Und es liegt doch auf der Hand, dass sie nicht mehr nöthig war bei den somatischen Zellen der Viel- zelligen.“ Ich fahre heute fort: Da aber, wo sie nöthig war, wie bei den die Knospung bedingenden Zellen, musste sie erhalten bleiben und blieb erhalten. Ich füge weiter hinzu, dass nicht blos bei hoher histologischer Differenzirung der Zellen die unbegrenzte Theilbarkeit derselben verloren ging, sondern überall, wo sie nicht mehr nöthig oder vortheilhaft war, wie dies dem Princip der Panmixie entspricht. So er- klärt sich z. B. die im Aufsatz XI, p. 646 mitgetheilte Be- obachtung des Botanikers Klein, aus welcher hervorgeht, dass schon bei einem der niedersten Heteroplastiden, dem Volvox, die Körperzellen sterben, wenn die Fortpflanzungs- zellen entleert sind, obwohl doch hier die somatischen Zellen sich selbständig ernähren und die äusseren Bedingungen nach wie vor dieselben sind. Dennoch sterben die Somazellen und vermehren sich nicht weiter, und es dürfte Herbert Spencer schwer werden, eine seiner neun Ursachen der Zellregulirung dafür verantwortlich zu machen, während meine Annahme, dass diese Somazellen durch ihre eigne Beschaffen- heit auf eine bestimmte Anzahl von Zellgenerationen normirt sind, auf begründeten Widerspruch kaum treffen dürfte. Mein berühmter Gegner kommt zum Schluss und ge- wissermaassen als Krönung seines ganzen Gebäudes von Be- weisen wieder auf die Vererbung erworbener Eigen- schaften zurück und führt für sie jene zweifelhaften Fälle an, in welchen das Kind nicht dem Vater, sondern einem Weismann, Allmacht der Naturzüchtung. 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893/93
Zitationshilfe: Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893/93>, abgerufen am 05.05.2024.