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Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893.

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dazu bestimmen. Ich würde sie ihm gern hier wiederholen,
aber sie erfordern eine längere Auseinandersetzung, für
welche ich den Platz hier nicht beanspruchen kann. Mir
scheint, dass die Fähigkeit unbegrenzter Fortpflanzung,
d. h. der "Unsterblichkeit" im biologischen Sinn durch den
Act der Amphimixis so wenig berührt wird, als durch irgend
einen anderen Lebensact, z. B. den der Nahrungsaufnahme.
Auch die letztere ist zur Fortsetzung der Theilungen nöthig,
für viele Einzellige auch die erstere. Ob für alle, wissen
wir nicht, wohl aber wissen wir, dass Amphimixis für die
Unsterblichkeit der Geschlechtszellen nicht überall Bedin-
gung ist. Spencer selbst setzt ja in seinem Artikel des
Weiteren auseinander, dass die Blattläuse unter günstigen
Bedingungen sich endlos auf parthenogenetischem Wege
vermehren können. Aber wäre selbst Amphimixis uner-
lässliche Bedingung der Unsterblichkeit, würde diese
dann dadurch aufgehoben? Sind die conju-
girten Zellen etwa todt
?

Mein Gegner scheint die Schwäche seines Sophismus
auch zu fühlen, denn er macht noch zwei andere Versuche,
die Thatsache der unbegrenzten Zweitheilung der Infusorien
hinwegzuerklären. Zunächst bezweifelt er die Thatsache
selbst, indem er fragt: "what observer has watched for
forty years to see whether the fissiparous multiplication of
Protozoa does not cease? What observer has watched for
one year, or one month, or one week?" Hätte er meinen
Aufsatz über Amphimixis gelesen, so würde er erfahren
haben, dass ein französischer Forscher Maupas in der
That die staunenswerthe Beharrlichkeit gehabt hat, die Fort-
pflanzung der Infusorien durch Monate hindurch auf dem
Objectträger zu verfolgen. Wäre dies aber auch nicht ge-

dazu bestimmen. Ich würde sie ihm gern hier wiederholen,
aber sie erfordern eine längere Auseinandersetzung, für
welche ich den Platz hier nicht beanspruchen kann. Mir
scheint, dass die Fähigkeit unbegrenzter Fortpflanzung,
d. h. der „Unsterblichkeit“ im biologischen Sinn durch den
Act der Amphimixis so wenig berührt wird, als durch irgend
einen anderen Lebensact, z. B. den der Nahrungsaufnahme.
Auch die letztere ist zur Fortsetzung der Theilungen nöthig,
für viele Einzellige auch die erstere. Ob für alle, wissen
wir nicht, wohl aber wissen wir, dass Amphimixis für die
Unsterblichkeit der Geschlechtszellen nicht überall Bedin-
gung ist. Spencer selbst setzt ja in seinem Artikel des
Weiteren auseinander, dass die Blattläuse unter günstigen
Bedingungen sich endlos auf parthenogenetischem Wege
vermehren können. Aber wäre selbst Amphimixis uner-
lässliche Bedingung der Unsterblichkeit, würde diese
dann dadurch aufgehoben? Sind die conju-
girten Zellen etwa todt
?

Mein Gegner scheint die Schwäche seines Sophismus
auch zu fühlen, denn er macht noch zwei andere Versuche,
die Thatsache der unbegrenzten Zweitheilung der Infusorien
hinwegzuerklären. Zunächst bezweifelt er die Thatsache
selbst, indem er fragt: „what observer has watched for
forty years to see whether the fissiparous multiplication of
Protozoa does not cease? What observer has watched for
one year, or one month, or one week?“ Hätte er meinen
Aufsatz über Amphimixis gelesen, so würde er erfahren
haben, dass ein französischer Forscher Maupas in der
That die staunenswerthe Beharrlichkeit gehabt hat, die Fort-
pflanzung der Infusorien durch Monate hindurch auf dem
Objectträger zu verfolgen. Wäre dies aber auch nicht ge-

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[72/0084] dazu bestimmen. Ich würde sie ihm gern hier wiederholen, aber sie erfordern eine längere Auseinandersetzung, für welche ich den Platz hier nicht beanspruchen kann. Mir scheint, dass die Fähigkeit unbegrenzter Fortpflanzung, d. h. der „Unsterblichkeit“ im biologischen Sinn durch den Act der Amphimixis so wenig berührt wird, als durch irgend einen anderen Lebensact, z. B. den der Nahrungsaufnahme. Auch die letztere ist zur Fortsetzung der Theilungen nöthig, für viele Einzellige auch die erstere. Ob für alle, wissen wir nicht, wohl aber wissen wir, dass Amphimixis für die Unsterblichkeit der Geschlechtszellen nicht überall Bedin- gung ist. Spencer selbst setzt ja in seinem Artikel des Weiteren auseinander, dass die Blattläuse unter günstigen Bedingungen sich endlos auf parthenogenetischem Wege vermehren können. Aber wäre selbst Amphimixis uner- lässliche Bedingung der Unsterblichkeit, würde diese dann dadurch aufgehoben? Sind die conju- girten Zellen etwa todt? Mein Gegner scheint die Schwäche seines Sophismus auch zu fühlen, denn er macht noch zwei andere Versuche, die Thatsache der unbegrenzten Zweitheilung der Infusorien hinwegzuerklären. Zunächst bezweifelt er die Thatsache selbst, indem er fragt: „what observer has watched for forty years to see whether the fissiparous multiplication of Protozoa does not cease? What observer has watched for one year, or one month, or one week?“ Hätte er meinen Aufsatz über Amphimixis gelesen, so würde er erfahren haben, dass ein französischer Forscher Maupas in der That die staunenswerthe Beharrlichkeit gehabt hat, die Fort- pflanzung der Infusorien durch Monate hindurch auf dem Objectträger zu verfolgen. Wäre dies aber auch nicht ge-

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Zitationshilfe: Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893/84>, abgerufen am 05.05.2024.