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Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893.

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functioneller Abänderungen herleiten können, vielmehr
betrachte ich dieselbe jetzt für definitiv wider-
legt
, nachdem sie auch aus ihrem letzten Schlupfwinkel,
der harmonischen Abänderung cooperirender Theile, ver-
trieben ist. Wenn man sich erinnert, dass directe Beweise
für diese Form der Vererbung fehlen, dass somit die Be-
rechtigung, sie anzunehmen, sich nur darauf stützte, dass
sie zur Erklärung gewisser Erscheinungen unentbehrlich
schien, so wird man zugeben müssen, dass jetzt, nachdem
gezeigt wurde, dass diese Erscheinungen auch da vorkommen,
wo die Vererbung functioneller Abänderungen ausgeschlossen
ist, kein Grund mehr vorliegt, dies Erklärungsprincip
anderswo als wirkend anzunehmen. Wenn die Arbeiterin
einer Ameisenart sich zum Soldaten umwandelt, wenn eine
Menge cooperirender Theile derselben harmonisch abändern
können, ohne Hülfe der angenommenen Vererbung functio-
neller Abänderungen, dann liegt kein Grund vor, dieselbe
Fähigkeit dem Hirsch oder der Giraffe abzusprechen. Es
wäre unlogisch, hier eine neue unerwiesene Kraft anzu-
nehmen, nachdem einmal erwiesen ist, dass analoge Um-
wandlungen bei den Ameisen ohne eine solche Kraft er-
folgen. Damit wird auch Spencer übereinstimmen müssen,
denn er sagt: "a recognised principle of reasoning -- the
law of parsimony -- forbids the assumption of more causes
than are needful for explanation of phenomena" (p. 750).

Somit halte ich es jetzt für erwiesen, dass alle erbliche
Anpassung auf Naturzüchtung beruht, dass Naturzüchtung
das einzige grosse Princip ist, welches die Organismen
befähigt, ihren wechselnden Lebensbedingungen bis zu einem
gewissen hohen Grade zu folgen, indem es auf den alten
Anpassungen neue aufbaut; es ist nicht ein Hülfsprincip,

functioneller Abänderungen herleiten können, vielmehr
betrachte ich dieselbe jetzt für definitiv wider-
legt
, nachdem sie auch aus ihrem letzten Schlupfwinkel,
der harmonischen Abänderung cooperirender Theile, ver-
trieben ist. Wenn man sich erinnert, dass directe Beweise
für diese Form der Vererbung fehlen, dass somit die Be-
rechtigung, sie anzunehmen, sich nur darauf stützte, dass
sie zur Erklärung gewisser Erscheinungen unentbehrlich
schien, so wird man zugeben müssen, dass jetzt, nachdem
gezeigt wurde, dass diese Erscheinungen auch da vorkommen,
wo die Vererbung functioneller Abänderungen ausgeschlossen
ist, kein Grund mehr vorliegt, dies Erklärungsprincip
anderswo als wirkend anzunehmen. Wenn die Arbeiterin
einer Ameisenart sich zum Soldaten umwandelt, wenn eine
Menge cooperirender Theile derselben harmonisch abändern
können, ohne Hülfe der angenommenen Vererbung functio-
neller Abänderungen, dann liegt kein Grund vor, dieselbe
Fähigkeit dem Hirsch oder der Giraffe abzusprechen. Es
wäre unlogisch, hier eine neue unerwiesene Kraft anzu-
nehmen, nachdem einmal erwiesen ist, dass analoge Um-
wandlungen bei den Ameisen ohne eine solche Kraft er-
folgen. Damit wird auch Spencer übereinstimmen müssen,
denn er sagt: „a recognised principle of reasoning — the
law of parsimony — forbids the assumption of more causes
than are needful for explanation of phenomena“ (p. 750).

Somit halte ich es jetzt für erwiesen, dass alle erbliche
Anpassung auf Naturzüchtung beruht, dass Naturzüchtung
das einzige grosse Princip ist, welches die Organismen
befähigt, ihren wechselnden Lebensbedingungen bis zu einem
gewissen hohen Grade zu folgen, indem es auf den alten
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[62/0074] functioneller Abänderungen herleiten können, vielmehr betrachte ich dieselbe jetzt für definitiv wider- legt, nachdem sie auch aus ihrem letzten Schlupfwinkel, der harmonischen Abänderung cooperirender Theile, ver- trieben ist. Wenn man sich erinnert, dass directe Beweise für diese Form der Vererbung fehlen, dass somit die Be- rechtigung, sie anzunehmen, sich nur darauf stützte, dass sie zur Erklärung gewisser Erscheinungen unentbehrlich schien, so wird man zugeben müssen, dass jetzt, nachdem gezeigt wurde, dass diese Erscheinungen auch da vorkommen, wo die Vererbung functioneller Abänderungen ausgeschlossen ist, kein Grund mehr vorliegt, dies Erklärungsprincip anderswo als wirkend anzunehmen. Wenn die Arbeiterin einer Ameisenart sich zum Soldaten umwandelt, wenn eine Menge cooperirender Theile derselben harmonisch abändern können, ohne Hülfe der angenommenen Vererbung functio- neller Abänderungen, dann liegt kein Grund vor, dieselbe Fähigkeit dem Hirsch oder der Giraffe abzusprechen. Es wäre unlogisch, hier eine neue unerwiesene Kraft anzu- nehmen, nachdem einmal erwiesen ist, dass analoge Um- wandlungen bei den Ameisen ohne eine solche Kraft er- folgen. Damit wird auch Spencer übereinstimmen müssen, denn er sagt: „a recognised principle of reasoning — the law of parsimony — forbids the assumption of more causes than are needful for explanation of phenomena“ (p. 750). Somit halte ich es jetzt für erwiesen, dass alle erbliche Anpassung auf Naturzüchtung beruht, dass Naturzüchtung das einzige grosse Princip ist, welches die Organismen befähigt, ihren wechselnden Lebensbedingungen bis zu einem gewissen hohen Grade zu folgen, indem es auf den alten Anpassungen neue aufbaut; es ist nicht ein Hülfsprincip,

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Zitationshilfe: Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893/74>, abgerufen am 24.11.2024.