Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

können, und wenn sie diesen besitzen in diesem Falle,
so liegt kein Grund vor, dass sie ihn in unzähligen
anderen
analogen Fällen nicht auch besitzen sollten --
mit anderen Worten: Naturzüchtung bewirkt alle
Art-Anpassungen
.

Wir können also den Beweis für die Wirklich-
keit der Naturzüchtung
durch Ausschliessung führen,
und sobald das einmal geschehen ist, schrumpfen die all-
gemeinen Einwürfe, welche sich auf unsere Unfähigkeit
stützen, den Selectionswerth im einzelnen Fall zu erweisen,
zu einem gewichtslosen Einwurf zusammen.

Deshalb werde ich auch hier nicht versuchen, eine ein-
gehende Erklärung der harmonischen Abänderung zu geben.
Es kommt nichts darauf an, ob ich im Stande bin, dies zu
thun, oder nicht, ob ich es besser oder schlechter thun
kann; sobald feststeht, dass Naturzüchtung das einzige
Princip ist, welches in Betracht kommt, so muss es eine
richtige Erklärung dieser Vorgänge durch Naturzüchtung
geben. Die Erklärung mag sehr schwierig sein, es mag
noch Vieles an Daten fehlen, um sie mit Sicherheit geben
zu können, das widerlegt den Vorgang selbst so wenig, als
die Ansicht der modernen Physiologie, es gäbe keine be-
sondere Lebenskraft, dadurch widerlegt wird, dass wir heute
noch nicht im Stande sind, auch nur einen einzigen Lebens-
process rein aus physikalischen Kräften heraus zu erklären.
Ich glaube übrigens, dass sich auch heute schon eine un-
gefähre und allgemeine Erklärung der harmonischen Ab-
änderung (Coadaptation) wohl geben lässt, und werde eine
solche an einem anderen Orte versuchen.

Sollte sie aber auch noch so unvollkommen ausfallen,
man wird daraus nicht einen Beweis für die Vererbung

können, und wenn sie diesen besitzen in diesem Falle,
so liegt kein Grund vor, dass sie ihn in unzähligen
anderen
analogen Fällen nicht auch besitzen sollten —
mit anderen Worten: Naturzüchtung bewirkt alle
Art-Anpassungen
.

Wir können also den Beweis für die Wirklich-
keit der Naturzüchtung
durch Ausschliessung führen,
und sobald das einmal geschehen ist, schrumpfen die all-
gemeinen Einwürfe, welche sich auf unsere Unfähigkeit
stützen, den Selectionswerth im einzelnen Fall zu erweisen,
zu einem gewichtslosen Einwurf zusammen.

Deshalb werde ich auch hier nicht versuchen, eine ein-
gehende Erklärung der harmonischen Abänderung zu geben.
Es kommt nichts darauf an, ob ich im Stande bin, dies zu
thun, oder nicht, ob ich es besser oder schlechter thun
kann; sobald feststeht, dass Naturzüchtung das einzige
Princip ist, welches in Betracht kommt, so muss es eine
richtige Erklärung dieser Vorgänge durch Naturzüchtung
geben. Die Erklärung mag sehr schwierig sein, es mag
noch Vieles an Daten fehlen, um sie mit Sicherheit geben
zu können, das widerlegt den Vorgang selbst so wenig, als
die Ansicht der modernen Physiologie, es gäbe keine be-
sondere Lebenskraft, dadurch widerlegt wird, dass wir heute
noch nicht im Stande sind, auch nur einen einzigen Lebens-
process rein aus physikalischen Kräften heraus zu erklären.
Ich glaube übrigens, dass sich auch heute schon eine un-
gefähre und allgemeine Erklärung der harmonischen Ab-
änderung (Coadaptation) wohl geben lässt, und werde eine
solche an einem anderen Orte versuchen.

Sollte sie aber auch noch so unvollkommen ausfallen,
man wird daraus nicht einen Beweis für die Vererbung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0073" n="61"/>
können</hi>, und wenn sie diesen besitzen in <hi rendition="#g">diesem</hi> Falle,<lb/>
so liegt kein Grund vor, dass sie ihn in <hi rendition="#g">unzähligen<lb/>
anderen</hi> analogen Fällen nicht auch besitzen sollten &#x2014;<lb/>
mit anderen Worten: <hi rendition="#g">Naturzüchtung bewirkt alle<lb/>
Art-Anpassungen</hi>.</p><lb/>
        <p>Wir können also den <hi rendition="#g">Beweis für die Wirklich-<lb/>
keit der Naturzüchtung</hi> durch Ausschliessung führen,<lb/>
und sobald das einmal geschehen ist, schrumpfen die all-<lb/>
gemeinen Einwürfe, welche sich auf unsere Unfähigkeit<lb/>
stützen, den Selectionswerth im einzelnen Fall zu erweisen,<lb/>
zu einem gewichtslosen Einwurf zusammen.</p><lb/>
        <p>Deshalb werde ich auch hier nicht versuchen, eine ein-<lb/>
gehende Erklärung der harmonischen Abänderung zu geben.<lb/>
Es kommt nichts darauf an, ob ich im Stande bin, dies zu<lb/>
thun, oder nicht, ob ich es besser oder schlechter thun<lb/>
kann; sobald feststeht, dass Naturzüchtung das einzige<lb/>
Princip ist, welches in Betracht kommt, so muss es eine<lb/>
richtige Erklärung dieser Vorgänge durch Naturzüchtung<lb/>
geben. Die Erklärung mag sehr schwierig sein, es mag<lb/>
noch Vieles an Daten fehlen, um sie mit Sicherheit geben<lb/>
zu können, das widerlegt den Vorgang selbst so wenig, als<lb/>
die Ansicht der modernen Physiologie, es gäbe keine be-<lb/>
sondere Lebenskraft, dadurch widerlegt wird, dass wir heute<lb/>
noch nicht im Stande sind, auch nur einen einzigen Lebens-<lb/>
process rein aus physikalischen Kräften heraus zu erklären.<lb/>
Ich glaube übrigens, dass sich auch heute schon eine un-<lb/>
gefähre und allgemeine Erklärung der harmonischen Ab-<lb/>
änderung (Coadaptation) wohl geben lässt, und werde eine<lb/>
solche an einem anderen Orte versuchen.</p><lb/>
        <p>Sollte sie aber auch noch so unvollkommen ausfallen,<lb/>
man wird daraus nicht einen Beweis für die Vererbung<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0073] können, und wenn sie diesen besitzen in diesem Falle, so liegt kein Grund vor, dass sie ihn in unzähligen anderen analogen Fällen nicht auch besitzen sollten — mit anderen Worten: Naturzüchtung bewirkt alle Art-Anpassungen. Wir können also den Beweis für die Wirklich- keit der Naturzüchtung durch Ausschliessung führen, und sobald das einmal geschehen ist, schrumpfen die all- gemeinen Einwürfe, welche sich auf unsere Unfähigkeit stützen, den Selectionswerth im einzelnen Fall zu erweisen, zu einem gewichtslosen Einwurf zusammen. Deshalb werde ich auch hier nicht versuchen, eine ein- gehende Erklärung der harmonischen Abänderung zu geben. Es kommt nichts darauf an, ob ich im Stande bin, dies zu thun, oder nicht, ob ich es besser oder schlechter thun kann; sobald feststeht, dass Naturzüchtung das einzige Princip ist, welches in Betracht kommt, so muss es eine richtige Erklärung dieser Vorgänge durch Naturzüchtung geben. Die Erklärung mag sehr schwierig sein, es mag noch Vieles an Daten fehlen, um sie mit Sicherheit geben zu können, das widerlegt den Vorgang selbst so wenig, als die Ansicht der modernen Physiologie, es gäbe keine be- sondere Lebenskraft, dadurch widerlegt wird, dass wir heute noch nicht im Stande sind, auch nur einen einzigen Lebens- process rein aus physikalischen Kräften heraus zu erklären. Ich glaube übrigens, dass sich auch heute schon eine un- gefähre und allgemeine Erklärung der harmonischen Ab- änderung (Coadaptation) wohl geben lässt, und werde eine solche an einem anderen Orte versuchen. Sollte sie aber auch noch so unvollkommen ausfallen, man wird daraus nicht einen Beweis für die Vererbung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893/73
Zitationshilfe: Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893/73>, abgerufen am 05.05.2024.