Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

lehrreiche Verkümmerung des Triebes der
Nahrungssuche
.

Herbert Spencer richtet in seinem Aufsatz seine
Angriffe auch gegen Panmixie und sucht zu beweisen,
dass ich unter diesem Namen die Selection des minder
Schädlichen verstehe, und dass damit nichts zu erklären sei.
Er bezieht sich auf mein Beispiel der blinden Höhlenthiere,
z. B. des Proteus, und meint, es sei nicht möglich, dass das
Princip der Sparsamkeit (economy of growth) hier den Aus-
schlag über Leben und Tod gegeben haben könne, da die
Unterschiede der individuellen Variation in Bezug auf die
Grösse des Auges viel zu minimal seien. Er mag darin
Recht haben, allein Panmixie ist auch nach meiner Dar-
stellung etwas ganz Anderes, als das Ueberleben des min-
dest Unpassenden, es ist das Herabsinken eines überflüssigen
Organs von der Höhe seiner Ausbildung durch den
Nichtuntergang derjenigen Individuen, welche
es in weniger vollkommener Ausführung be-
sitzen
. Nach meiner Ansicht wird jedes Organ nur durch
unausgesetzte Selection auf der Höhe seiner Ausbildung
gehalten und sinkt unaufhaltsam, wenn auch überaus lang-
sam von dieser Höhe herab, sobald es keinen Werth mehr
für die Erhaltung der Art besitzt. Das ist es, was ich als
Panmixie bezeichnet habe, wie Romanes sehr richtig
kürzlich gegen Spencer ausgeführt hat 1). Das Princip
der Sparsamkeit habe ich nur als eine mögliche Nebenhülfe
des Verkümmerns angeführt. Es heisst auf p. 568 der
Aufsätze grade in Bezug auf den Proteus: "Mög-

1) "The Spencer-Weismann Controversy" in The
Contemporary Review, Nr. 331, July 1893.
4*

lehrreiche Verkümmerung des Triebes der
Nahrungssuche
.

Herbert Spencer richtet in seinem Aufsatz seine
Angriffe auch gegen Panmixie und sucht zu beweisen,
dass ich unter diesem Namen die Selection des minder
Schädlichen verstehe, und dass damit nichts zu erklären sei.
Er bezieht sich auf mein Beispiel der blinden Höhlenthiere,
z. B. des Proteus, und meint, es sei nicht möglich, dass das
Princip der Sparsamkeit (economy of growth) hier den Aus-
schlag über Leben und Tod gegeben haben könne, da die
Unterschiede der individuellen Variation in Bezug auf die
Grösse des Auges viel zu minimal seien. Er mag darin
Recht haben, allein Panmixie ist auch nach meiner Dar-
stellung etwas ganz Anderes, als das Ueberleben des min-
dest Unpassenden, es ist das Herabsinken eines überflüssigen
Organs von der Höhe seiner Ausbildung durch den
Nichtuntergang derjenigen Individuen, welche
es in weniger vollkommener Ausführung be-
sitzen
. Nach meiner Ansicht wird jedes Organ nur durch
unausgesetzte Selection auf der Höhe seiner Ausbildung
gehalten und sinkt unaufhaltsam, wenn auch überaus lang-
sam von dieser Höhe herab, sobald es keinen Werth mehr
für die Erhaltung der Art besitzt. Das ist es, was ich als
Panmixie bezeichnet habe, wie Romanes sehr richtig
kürzlich gegen Spencer ausgeführt hat 1). Das Princip
der Sparsamkeit habe ich nur als eine mögliche Nebenhülfe
des Verkümmerns angeführt. Es heisst auf p. 568 der
Aufsätze grade in Bezug auf den Proteus: „Mög-

1) „The Spencer-Weismann Controversy“ in The
Contemporary Review, Nr. 331, July 1893.
4*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0063" n="51"/>
lehrreiche Verkümmerung des Triebes der<lb/>
Nahrungssuche</hi>.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Herbert Spencer</hi> richtet in seinem Aufsatz seine<lb/>
Angriffe auch gegen <hi rendition="#g">Panmixie</hi> und sucht zu beweisen,<lb/>
dass ich unter diesem Namen die Selection des minder<lb/>
Schädlichen verstehe, und dass damit nichts zu erklären sei.<lb/>
Er bezieht sich auf mein Beispiel der blinden Höhlenthiere,<lb/>
z. B. des Proteus, und meint, es sei nicht möglich, dass das<lb/>
Princip der Sparsamkeit (economy of growth) hier den Aus-<lb/>
schlag über Leben und Tod gegeben haben könne, da die<lb/>
Unterschiede der individuellen Variation in Bezug auf die<lb/>
Grösse des Auges viel zu minimal seien. Er mag darin<lb/>
Recht haben, allein Panmixie ist auch nach meiner Dar-<lb/>
stellung etwas ganz Anderes, als das Ueberleben des min-<lb/>
dest Unpassenden, es ist das Herabsinken eines überflüssigen<lb/>
Organs von der Höhe seiner Ausbildung <hi rendition="#g">durch den<lb/>
Nichtuntergang derjenigen Individuen, welche<lb/>
es in weniger vollkommener Ausführung be-<lb/>
sitzen</hi>. Nach meiner Ansicht wird jedes Organ nur durch<lb/>
unausgesetzte Selection auf der Höhe seiner Ausbildung<lb/>
gehalten und sinkt unaufhaltsam, wenn auch überaus lang-<lb/>
sam von dieser Höhe herab, sobald es keinen Werth mehr<lb/>
für die Erhaltung der Art besitzt. Das ist es, was ich als<lb/>
Panmixie bezeichnet habe, wie <hi rendition="#g">Romanes</hi> sehr richtig<lb/>
kürzlich gegen <hi rendition="#g">Spencer</hi> ausgeführt hat <note place="foot" n="1)">&#x201E;The <hi rendition="#g">Spencer-Weismann</hi> Controversy&#x201C; in The<lb/>
Contemporary Review, Nr. 331, July 1893.</note>. Das Princip<lb/>
der Sparsamkeit habe ich nur als eine mögliche Nebenhülfe<lb/>
des Verkümmerns angeführt. Es heisst auf p. 568 der<lb/>
Aufsätze grade in Bezug auf den Proteus: &#x201E;<hi rendition="#g">Mög-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">4*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0063] lehrreiche Verkümmerung des Triebes der Nahrungssuche. Herbert Spencer richtet in seinem Aufsatz seine Angriffe auch gegen Panmixie und sucht zu beweisen, dass ich unter diesem Namen die Selection des minder Schädlichen verstehe, und dass damit nichts zu erklären sei. Er bezieht sich auf mein Beispiel der blinden Höhlenthiere, z. B. des Proteus, und meint, es sei nicht möglich, dass das Princip der Sparsamkeit (economy of growth) hier den Aus- schlag über Leben und Tod gegeben haben könne, da die Unterschiede der individuellen Variation in Bezug auf die Grösse des Auges viel zu minimal seien. Er mag darin Recht haben, allein Panmixie ist auch nach meiner Dar- stellung etwas ganz Anderes, als das Ueberleben des min- dest Unpassenden, es ist das Herabsinken eines überflüssigen Organs von der Höhe seiner Ausbildung durch den Nichtuntergang derjenigen Individuen, welche es in weniger vollkommener Ausführung be- sitzen. Nach meiner Ansicht wird jedes Organ nur durch unausgesetzte Selection auf der Höhe seiner Ausbildung gehalten und sinkt unaufhaltsam, wenn auch überaus lang- sam von dieser Höhe herab, sobald es keinen Werth mehr für die Erhaltung der Art besitzt. Das ist es, was ich als Panmixie bezeichnet habe, wie Romanes sehr richtig kürzlich gegen Spencer ausgeführt hat 1). Das Princip der Sparsamkeit habe ich nur als eine mögliche Nebenhülfe des Verkümmerns angeführt. Es heisst auf p. 568 der Aufsätze grade in Bezug auf den Proteus: „Mög- 1) „The Spencer-Weismann Controversy“ in The Contemporary Review, Nr. 331, July 1893. 4*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893/63
Zitationshilfe: Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893/63>, abgerufen am 05.05.2024.