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Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893.

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liegen, von denen bei der Entwickelung des betreffenden
Eies oder der betreffenden Samenzelle immer nur eine
activ würde und somit jene Stelle des Flügels entweder
mit braunen, blauen oder rothen Schuppen bedeckte.

Uebertragen wir nun diese theoretische Vorstellung auf
die Bienen oder Ameisen, so wird ein jeder Theil des Ameisen-
körpers, der bei Männchen, Weibchen und Arbeiterin ver-
schieden gebaut ist, durch dreifache vicariirende Determi-
nanten im Keimplasma vertreten sein, von denen immer
nur eine bei der Entwickelung eines Eies zur Geltung,
d. h. zur Ausbildung des betreffenden Körpertheils gelangt,
die anderen aber inactiv bleiben.

Die Umbildung der Körpertheile der Arbeiterinnen bei
Ameisen und Bienen wird also so zu denken sein, dass ein
Geschlechtsthier (Weibchen oder Männchen), dessen Keim-
plasma günstige Variationen der Arbeiterinnen-Determi-
nanten enthält, bessere Aussicht für die Erhaltung ihrer
Nachkommenschaft hat, als andere, die nur weniger günstige
Variationen solcher Determinanten darbieten. Der Selec-
tionsprocess selbst ist der gleiche, wie wenn es sich um
die Erzielung günstiger Einrichtungen am Körper des Ge-
schlechtsthieres selbst handeln würde, denn in beiden Fällen
ist es -- wie ich früher einmal sagte -- nicht eigentlich
der Körper des Thieres, der selectirt wird, sondern das
Keimplasma, aus welchem dieser Körper sich entwickelt.
Der Unterschied zwischen beiden Fällen liegt nur darin,
dass die Ueberlegenheit im Kampf ums Dasein in dem einen
Fall durch Charaktere oder Variationen des eignen Körpers
gesetzt wird, im anderen Falle erst durch Charaktere einer
bestimmten Art von Nachkommen, der Arbeiterinnen. Be-

liegen, von denen bei der Entwickelung des betreffenden
Eies oder der betreffenden Samenzelle immer nur eine
activ würde und somit jene Stelle des Flügels entweder
mit braunen, blauen oder rothen Schuppen bedeckte.

Uebertragen wir nun diese theoretische Vorstellung auf
die Bienen oder Ameisen, so wird ein jeder Theil des Ameisen-
körpers, der bei Männchen, Weibchen und Arbeiterin ver-
schieden gebaut ist, durch dreifache vicariirende Determi-
nanten im Keimplasma vertreten sein, von denen immer
nur eine bei der Entwickelung eines Eies zur Geltung,
d. h. zur Ausbildung des betreffenden Körpertheils gelangt,
die anderen aber inactiv bleiben.

Die Umbildung der Körpertheile der Arbeiterinnen bei
Ameisen und Bienen wird also so zu denken sein, dass ein
Geschlechtsthier (Weibchen oder Männchen), dessen Keim-
plasma günstige Variationen der Arbeiterinnen-Determi-
nanten enthält, bessere Aussicht für die Erhaltung ihrer
Nachkommenschaft hat, als andere, die nur weniger günstige
Variationen solcher Determinanten darbieten. Der Selec-
tionsprocess selbst ist der gleiche, wie wenn es sich um
die Erzielung günstiger Einrichtungen am Körper des Ge-
schlechtsthieres selbst handeln würde, denn in beiden Fällen
ist es — wie ich früher einmal sagte — nicht eigentlich
der Körper des Thieres, der selectirt wird, sondern das
Keimplasma, aus welchem dieser Körper sich entwickelt.
Der Unterschied zwischen beiden Fällen liegt nur darin,
dass die Ueberlegenheit im Kampf ums Dasein in dem einen
Fall durch Charaktere oder Variationen des eignen Körpers
gesetzt wird, im anderen Falle erst durch Charaktere einer
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[39/0051] liegen, von denen bei der Entwickelung des betreffenden Eies oder der betreffenden Samenzelle immer nur eine activ würde und somit jene Stelle des Flügels entweder mit braunen, blauen oder rothen Schuppen bedeckte. Uebertragen wir nun diese theoretische Vorstellung auf die Bienen oder Ameisen, so wird ein jeder Theil des Ameisen- körpers, der bei Männchen, Weibchen und Arbeiterin ver- schieden gebaut ist, durch dreifache vicariirende Determi- nanten im Keimplasma vertreten sein, von denen immer nur eine bei der Entwickelung eines Eies zur Geltung, d. h. zur Ausbildung des betreffenden Körpertheils gelangt, die anderen aber inactiv bleiben. Die Umbildung der Körpertheile der Arbeiterinnen bei Ameisen und Bienen wird also so zu denken sein, dass ein Geschlechtsthier (Weibchen oder Männchen), dessen Keim- plasma günstige Variationen der Arbeiterinnen-Determi- nanten enthält, bessere Aussicht für die Erhaltung ihrer Nachkommenschaft hat, als andere, die nur weniger günstige Variationen solcher Determinanten darbieten. Der Selec- tionsprocess selbst ist der gleiche, wie wenn es sich um die Erzielung günstiger Einrichtungen am Körper des Ge- schlechtsthieres selbst handeln würde, denn in beiden Fällen ist es — wie ich früher einmal sagte — nicht eigentlich der Körper des Thieres, der selectirt wird, sondern das Keimplasma, aus welchem dieser Körper sich entwickelt. Der Unterschied zwischen beiden Fällen liegt nur darin, dass die Ueberlegenheit im Kampf ums Dasein in dem einen Fall durch Charaktere oder Variationen des eignen Körpers gesetzt wird, im anderen Falle erst durch Charaktere einer bestimmten Art von Nachkommen, der Arbeiterinnen. Be-

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Zitationshilfe: Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893/51>, abgerufen am 21.11.2024.