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Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893.

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zu reinigen, im Nachtheil sei gegenüber einem anderen,
welches solche Mittel besässe, aber er würde es für absurd
erklären, zu glauben, dass so geringfügige Verbesserungen
an dem Putzapparat, wie sie eine kleine Abflachung des
Tarsus darstelle, darüber entscheiden könne, wer untergehen
und wer überleben solle.

Dutzendweise sind ja auch thatsächlich solche Einwen-
dungen gegen die Existenz einer Naturzüchtung erhoben
worden, und nicht blos von Unwissenden und oberfläch-
lichen Denkern, sondern von sehr kenntniss- und gedanken-
reichen Männern der Wissenschaft; ich erinnere nur wieder
an Nägeli. Wir können auch einen solchen Wider-
strebenden nicht zu unserer Meinung zwingen, wenigstens
nicht in dem einzelnen Fall, weil wir nicht nachweisen
können, was er bezweifelt; wir sind unfähig, direct zu be-
weisen, dass ein so kleiner Vortheil den Ausschlag über
Leben und Tod geben kann, und noch viel weniger, dass
er ihn in vielen Fällen geben muss und in jeder Gene-
ration immer wieder von neuem gibt, so dass schliesslich
die Variation mit einer seichten Abflachung des Tarsus die
herrschende wird. Alles, was wir thun können, ist, dass
wir die Nützlichkeit der vervollkommneten Einrichtungen
nachweisen, indem wir, wie Forel es gethan hat, einem
solchen Insect die Vordertibien sammt ihrem Putzapparat
abschneiden und dann feststellen, dass es sehr bald an
seinen Fühlern schmutzig wird und nicht mehr im Stande
ist, sich zu reinigen.

Damit aber, dass gegenüber dem Sporn eine kleine
Abplattung sich bildet, ist der Züchtungsprocess, den wir
fordern müssen, erst begonnen, aber noch lange nicht
zu Ende. Wie kommt es -- so wird unser Gegner sagen --

zu reinigen, im Nachtheil sei gegenüber einem anderen,
welches solche Mittel besässe, aber er würde es für absurd
erklären, zu glauben, dass so geringfügige Verbesserungen
an dem Putzapparat, wie sie eine kleine Abflachung des
Tarsus darstelle, darüber entscheiden könne, wer untergehen
und wer überleben solle.

Dutzendweise sind ja auch thatsächlich solche Einwen-
dungen gegen die Existenz einer Naturzüchtung erhoben
worden, und nicht blos von Unwissenden und oberfläch-
lichen Denkern, sondern von sehr kenntniss- und gedanken-
reichen Männern der Wissenschaft; ich erinnere nur wieder
an Nägeli. Wir können auch einen solchen Wider-
strebenden nicht zu unserer Meinung zwingen, wenigstens
nicht in dem einzelnen Fall, weil wir nicht nachweisen
können, was er bezweifelt; wir sind unfähig, direct zu be-
weisen, dass ein so kleiner Vortheil den Ausschlag über
Leben und Tod geben kann, und noch viel weniger, dass
er ihn in vielen Fällen geben muss und in jeder Gene-
ration immer wieder von neuem gibt, so dass schliesslich
die Variation mit einer seichten Abflachung des Tarsus die
herrschende wird. Alles, was wir thun können, ist, dass
wir die Nützlichkeit der vervollkommneten Einrichtungen
nachweisen, indem wir, wie Forel es gethan hat, einem
solchen Insect die Vordertibien sammt ihrem Putzapparat
abschneiden und dann feststellen, dass es sehr bald an
seinen Fühlern schmutzig wird und nicht mehr im Stande
ist, sich zu reinigen.

Damit aber, dass gegenüber dem Sporn eine kleine
Abplattung sich bildet, ist der Züchtungsprocess, den wir
fordern müssen, erst begonnen, aber noch lange nicht
zu Ende. Wie kommt es — so wird unser Gegner sagen —

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[32/0044] zu reinigen, im Nachtheil sei gegenüber einem anderen, welches solche Mittel besässe, aber er würde es für absurd erklären, zu glauben, dass so geringfügige Verbesserungen an dem Putzapparat, wie sie eine kleine Abflachung des Tarsus darstelle, darüber entscheiden könne, wer untergehen und wer überleben solle. Dutzendweise sind ja auch thatsächlich solche Einwen- dungen gegen die Existenz einer Naturzüchtung erhoben worden, und nicht blos von Unwissenden und oberfläch- lichen Denkern, sondern von sehr kenntniss- und gedanken- reichen Männern der Wissenschaft; ich erinnere nur wieder an Nägeli. Wir können auch einen solchen Wider- strebenden nicht zu unserer Meinung zwingen, wenigstens nicht in dem einzelnen Fall, weil wir nicht nachweisen können, was er bezweifelt; wir sind unfähig, direct zu be- weisen, dass ein so kleiner Vortheil den Ausschlag über Leben und Tod geben kann, und noch viel weniger, dass er ihn in vielen Fällen geben muss und in jeder Gene- ration immer wieder von neuem gibt, so dass schliesslich die Variation mit einer seichten Abflachung des Tarsus die herrschende wird. Alles, was wir thun können, ist, dass wir die Nützlichkeit der vervollkommneten Einrichtungen nachweisen, indem wir, wie Forel es gethan hat, einem solchen Insect die Vordertibien sammt ihrem Putzapparat abschneiden und dann feststellen, dass es sehr bald an seinen Fühlern schmutzig wird und nicht mehr im Stande ist, sich zu reinigen. Damit aber, dass gegenüber dem Sporn eine kleine Abplattung sich bildet, ist der Züchtungsprocess, den wir fordern müssen, erst begonnen, aber noch lange nicht zu Ende. Wie kommt es — so wird unser Gegner sagen —

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Zitationshilfe: Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893/44>, abgerufen am 25.04.2024.