schliessen, dass Nägeli die Lebenseigenschaften seines Micells von dem Zusammenwirken verschiedener, in einem einheit- lichen Verband zusammengeschlossener Moleküle abhängig denkt, denn an der oben angeführten Stelle hält er auch ein Eiweiss- molekül als hinreichend zur Constituirung eines Micells.
Die Begriffe des Biophors und Micells decken sich also schon aus diesem Grunde durchaus nicht. Sie unterscheiden sich aber ausserdem noch in einem Punkte, dessen fundamen- tale Bedeutung erst später ganz hervortreten wird, nämlich in der Art ihrer Vermehrung. Meine Biophoren besitzen als Lebensträger das Vermögen des Wachsthums und der Ver- mehrung durch Theilung, wie dies alle Ordnungen von Lebenseinheiten besitzen, über welche direkte Be- obachtungen vorliegen, von den Mikrosomen an, welche die Chromatin-Stäbchen des Zellkernes zusammensetzen durch die Chlorophyll-Körner, Zellkerne, Zellen hindurch bis zu den einfacheren Pflanzen und Thieren hinauf. Nägeli's Micellen vermehren sich auch, aber "durch freie Einlagerung neuer", den schon vorhandenen ähnlichen oder gleichen "Micelle", wie die Stärketheilchen ("Kryställchen") im Stärkekorn oder wie Krystalle sich aus einer Mutterlauge abscheiden. Letztere müsste freilich erst durch einen nicht weiter zu definirenden Einfluss der schon vorhandenen Micelle gebildet werden.
Fast ganz würden die "Pangene" von de Vries1) mit meinen "Biophoren" übereinstimmen, da auch ihnen die Funk- tionen des Wachsthums und der Vermehrung durch Theilung zugeschrieben und ihnen eine ganz ähnliche Rolle bei der Ver- erbung übertragen wird. Nur insofern die Biophoren Theile von höheren Einheiten der Vererbungssubstanz sind -- wie im Folgenden klar werden wird --, unterscheiden sie sich von den "Pangenen".
schliessen, dass Nägeli die Lebenseigenschaften seines Micells von dem Zusammenwirken verschiedener, in einem einheit- lichen Verband zusammengeschlossener Moleküle abhängig denkt, denn an der oben angeführten Stelle hält er auch ein Eiweiss- molekül als hinreichend zur Constituirung eines Micells.
Die Begriffe des Biophors und Micells decken sich also schon aus diesem Grunde durchaus nicht. Sie unterscheiden sich aber ausserdem noch in einem Punkte, dessen fundamen- tale Bedeutung erst später ganz hervortreten wird, nämlich in der Art ihrer Vermehrung. Meine Biophoren besitzen als Lebensträger das Vermögen des Wachsthums und der Ver- mehrung durch Theilung, wie dies alle Ordnungen von Lebenseinheiten besitzen, über welche direkte Be- obachtungen vorliegen, von den Mikrosomen an, welche die Chromatin-Stäbchen des Zellkernes zusammensetzen durch die Chlorophyll-Körner, Zellkerne, Zellen hindurch bis zu den einfacheren Pflanzen und Thieren hinauf. Nägeli’s Micellen vermehren sich auch, aber „durch freie Einlagerung neuer“, den schon vorhandenen ähnlichen oder gleichen „Micelle“, wie die Stärketheilchen („Kryställchen“) im Stärkekorn oder wie Krystalle sich aus einer Mutterlauge abscheiden. Letztere müsste freilich erst durch einen nicht weiter zu definirenden Einfluss der schon vorhandenen Micelle gebildet werden.
Fast ganz würden die „Pangene“ von de Vries1) mit meinen „Biophoren“ übereinstimmen, da auch ihnen die Funk- tionen des Wachsthums und der Vermehrung durch Theilung zugeschrieben und ihnen eine ganz ähnliche Rolle bei der Ver- erbung übertragen wird. Nur insofern die Biophoren Theile von höheren Einheiten der Vererbungssubstanz sind — wie im Folgenden klar werden wird —, unterscheiden sie sich von den „Pangenen“.
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schliessen, dass Nägeli die Lebenseigenschaften seines Micells
von dem Zusammenwirken verschiedener, in einem einheit-
lichen Verband zusammengeschlossener Moleküle abhängig denkt,
denn an der oben angeführten Stelle hält er auch ein Eiweiss-
molekül als hinreichend zur Constituirung eines Micells.
Die Begriffe des Biophors und Micells decken sich also
schon aus diesem Grunde durchaus nicht. Sie unterscheiden
sich aber ausserdem noch in einem Punkte, dessen fundamen-
tale Bedeutung erst später ganz hervortreten wird, nämlich in
der Art ihrer Vermehrung. Meine Biophoren besitzen als
Lebensträger das Vermögen des Wachsthums und der Ver-
mehrung durch Theilung, wie dies alle Ordnungen von
Lebenseinheiten besitzen, über welche direkte Be-
obachtungen vorliegen, von den Mikrosomen an, welche
die Chromatin-Stäbchen des Zellkernes zusammensetzen durch
die Chlorophyll-Körner, Zellkerne, Zellen hindurch bis zu den
einfacheren Pflanzen und Thieren hinauf. Nägeli’s Micellen
vermehren sich auch, aber „durch freie Einlagerung neuer“,
den schon vorhandenen ähnlichen oder gleichen „Micelle“, wie
die Stärketheilchen („Kryställchen“) im Stärkekorn oder wie
Krystalle sich aus einer Mutterlauge abscheiden. Letztere müsste
freilich erst durch einen nicht weiter zu definirenden Einfluss
der schon vorhandenen Micelle gebildet werden.
Fast ganz würden die „Pangene“ von de Vries 1) mit
meinen „Biophoren“ übereinstimmen, da auch ihnen die Funk-
tionen des Wachsthums und der Vermehrung durch Theilung
zugeschrieben und ihnen eine ganz ähnliche Rolle bei der Ver-
erbung übertragen wird. Nur insofern die Biophoren Theile
von höheren Einheiten der Vererbungssubstanz sind — wie im
Folgenden klar werden wird —, unterscheiden sie sich von den
„Pangenen“.
1) De Vries, „Intracellulare Pangenesis“. Jena 1889.
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/80>, abgerufen am 29.11.2024.
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