durch die Lebenseigenschaften unterscheiden". Das Nägeli'sche Micell durfte ich ebensowenig wählen, da es sich sowohl in seiner Zusammensetzung, als in seinen Eigenschaften wesentlich vom Biophor unterscheidet. Es wird definirt als "mikrosko- pisch unsichtbares, aus einer grösseren oder kleineren Zahl von Molekülen bestehendes Kryställchen, von denen jedes im imbi- birten Zustande mit einer Wasserhülle umgeben ist."1)Nägeli nimmt bei Gelegenheit einer Berechnung der absoluten Grösse seiner Micelle an, dass es zwar aus 100, aber auch aus nur einem "Eiweiss-Molekül" bestehen können. Wir haben es also hier, wie bei Häckel's Plastidulen, mit einer Lebenseinheit zu thun, deren Lebenseigenschaft nicht auf einer eigenthümlichen Gruppirung mehrerer oder vieler verschiedenartiger Moleküle beruht. Allerdings macht Nägeli an einer andern Stelle seines Buches (p. 63) auf die schwankende chemische Zusammensetzung der Albuminate aufmerksam, soweit wir dieselbe aus Analysen ersehen können und hält es -- gewiss mit Recht -- für äusserst wahrscheinlich, "dass es verschiedene Eiweissmoleküle gebe, die durch den ungleichen Wasserstoff- und Sauerstoffgehalt" u. s. w. "von einander abweichen". Dies führt ihn dann zu der weiteren Annahme, "dass die Micelle der Albuminate aus einem Gemenge von zwei oder mehreren verschiedenartigen Eiweiss-Molekülen" bestehen. In jedem Albuminat wären die verschiedenartigen Eiweiss-Moleküle in eigenthümlichen Verhältnissen gemengt, in jedem wären ferner eigenthümliche Mengen von Phosphaten, von Magnesia- und Kalksalzen u. s. w. enthalten. Diese Vor- stellung verträgt sich nun wohl kaum mit der Vorstellung von der "Krystall"-Natur des Micells, denn Krystalle sind eben ge- rade keine "Gemenge", sondern chemisch reine Körper, aber abgesehen davon würde man irren, wollte man aus dieser Stelle
1)Carl Nägeli, "Mechanisch-physiologische Theorie der Ab- stammungslehre", München und Leipzig 1884, p. 35.
durch die Lebenseigenschaften unterscheiden“. Das Nägeli’sche Micell durfte ich ebensowenig wählen, da es sich sowohl in seiner Zusammensetzung, als in seinen Eigenschaften wesentlich vom Biophor unterscheidet. Es wird definirt als „mikrosko- pisch unsichtbares, aus einer grösseren oder kleineren Zahl von Molekülen bestehendes Kryställchen, von denen jedes im imbi- birten Zustande mit einer Wasserhülle umgeben ist.“1)Nägeli nimmt bei Gelegenheit einer Berechnung der absoluten Grösse seiner Micelle an, dass es zwar aus 100, aber auch aus nur einem „Eiweiss-Molekül“ bestehen können. Wir haben es also hier, wie bei Häckel’s Plastidulen, mit einer Lebenseinheit zu thun, deren Lebenseigenschaft nicht auf einer eigenthümlichen Gruppirung mehrerer oder vieler verschiedenartiger Moleküle beruht. Allerdings macht Nägeli an einer andern Stelle seines Buches (p. 63) auf die schwankende chemische Zusammensetzung der Albuminate aufmerksam, soweit wir dieselbe aus Analysen ersehen können und hält es — gewiss mit Recht — für äusserst wahrscheinlich, „dass es verschiedene Eiweissmoleküle gebe, die durch den ungleichen Wasserstoff- und Sauerstoffgehalt“ u. s. w. „von einander abweichen“. Dies führt ihn dann zu der weiteren Annahme, „dass die Micelle der Albuminate aus einem Gemenge von zwei oder mehreren verschiedenartigen Eiweiss-Molekülen“ bestehen. In jedem Albuminat wären die verschiedenartigen Eiweiss-Moleküle in eigenthümlichen Verhältnissen gemengt, in jedem wären ferner eigenthümliche Mengen von Phosphaten, von Magnesia- und Kalksalzen u. s. w. enthalten. Diese Vor- stellung verträgt sich nun wohl kaum mit der Vorstellung von der „Krystall“-Natur des Micells, denn Krystalle sind eben ge- rade keine „Gemenge“, sondern chemisch reine Körper, aber abgesehen davon würde man irren, wollte man aus dieser Stelle
1)Carl Nägeli, „Mechanisch-physiologische Theorie der Ab- stammungslehre“, München und Leipzig 1884, p. 35.
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durch die Lebenseigenschaften unterscheiden“. Das Nägeli’sche
Micell durfte ich ebensowenig wählen, da es sich sowohl in
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vom Biophor unterscheidet. Es wird definirt als „mikrosko-
pisch unsichtbares, aus einer grösseren oder kleineren Zahl von
Molekülen bestehendes Kryställchen, von denen jedes im imbi-
birten Zustande mit einer Wasserhülle umgeben ist.“ 1) Nägeli
nimmt bei Gelegenheit einer Berechnung der absoluten Grösse
seiner Micelle an, dass es zwar aus 100, aber auch aus nur
einem „Eiweiss-Molekül“ bestehen können. Wir haben es also
hier, wie bei Häckel’s Plastidulen, mit einer Lebenseinheit zu
thun, deren Lebenseigenschaft nicht auf einer eigenthümlichen
Gruppirung mehrerer oder vieler verschiedenartiger Moleküle
beruht. Allerdings macht Nägeli an einer andern Stelle seines
Buches (p. 63) auf die schwankende chemische Zusammensetzung
der Albuminate aufmerksam, soweit wir dieselbe aus Analysen
ersehen können und hält es — gewiss mit Recht — für äusserst
wahrscheinlich, „dass es verschiedene Eiweissmoleküle gebe, die
durch den ungleichen Wasserstoff- und Sauerstoffgehalt“ u. s. w.
„von einander abweichen“. Dies führt ihn dann zu der weiteren
Annahme, „dass die Micelle der Albuminate aus einem Gemenge
von zwei oder mehreren verschiedenartigen Eiweiss-Molekülen“
bestehen. In jedem Albuminat wären die verschiedenartigen
Eiweiss-Moleküle in eigenthümlichen Verhältnissen gemengt, in
jedem wären ferner eigenthümliche Mengen von Phosphaten,
von Magnesia- und Kalksalzen u. s. w. enthalten. Diese Vor-
stellung verträgt sich nun wohl kaum mit der Vorstellung von
der „Krystall“-Natur des Micells, denn Krystalle sind eben ge-
rade keine „Gemenge“, sondern chemisch reine Körper, aber
abgesehen davon würde man irren, wollte man aus dieser Stelle
1) Carl Nägeli, „Mechanisch-physiologische Theorie der Ab-
stammungslehre“, München und Leipzig 1884, p. 35.
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/79>, abgerufen am 29.11.2024.
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