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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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werden müssen, denn sie befinden sich an beiden Orten durch-
aus nicht genau in derselben Umgebung. Im Keimplasma sind
sie eingeordnet in die Tausende und aber Tausende von Determi-
nanten der Art, welche alle zusammen erst das Keimplasma
ausmachen; in der jungen Flügelanlage der Raupe aber sind
sie nur noch mit wenigen andersartigen Determinanten ver-
bunden, und es muss ein Moment eintreten, in welchem sie --
jede für sich allein -- eine Zelle beherrschen, nämlich
diejenige, die sich zur rothen oder schwarzen Flügelschuppe
umbildet.

Es giebt nun eine Thatsache, welche bestimmt darauf hin-
deutet, dass die Empfänglichkeit dieser Schuppen-Determinanten
für den Einfluss der Wärme in einem gewissen Zeitpunkt der
Schmetterlings-Entwickelung am stärksten ist -- weit stärker,
als vorher und nachher. Es ist dies die vielmals von mir
wiederholte Beobachtung, dass bei saisondimorphen Arten, z. B.
bei Vanessa Prorsa-Levana, der umstimmende Einfluss der Wärme
oder Kälte nur dann eintritt, wenn er im Beginn der Puppen-
periode
einwirkt. Ich vermag den Zeitpunkt noch nicht genauer
zu präcisiren, aber ich kann bestimmt angeben, dass z. B. bei
Vanessa Levana Winterpuppen, welche man erst einen Monat
nach der Verpuppung hoher Temperatur aussetzt, niemals mehr
sich in die Prorsaform umwandeln lassen; sie schlüpfen sämmt-
lich als Levana aus.

Dies beruht nicht etwa darauf, dass einen Monat nach
der Verpuppung die Farben des Flügels schon angelegt wären --
keine Spur davon ist vorhanden. Es giebt also einen Mo-
ment der Auseinanderlegung der Determinanten, in
welchen dieselben am empfänglichsten für Temperatur-
einflüsse sind; später
sind sie es nicht mehr, und vorher
sind sie es zwar, aber -- wie ich vermuthen möchte -- nur
in einem weit geringeren Grade
. Dies mag auf ihrer Ver-

werden müssen, denn sie befinden sich an beiden Orten durch-
aus nicht genau in derselben Umgebung. Im Keimplasma sind
sie eingeordnet in die Tausende und aber Tausende von Determi-
nanten der Art, welche alle zusammen erst das Keimplasma
ausmachen; in der jungen Flügelanlage der Raupe aber sind
sie nur noch mit wenigen andersartigen Determinanten ver-
bunden, und es muss ein Moment eintreten, in welchem sie —
jede für sich allein — eine Zelle beherrschen, nämlich
diejenige, die sich zur rothen oder schwarzen Flügelschuppe
umbildet.

Es giebt nun eine Thatsache, welche bestimmt darauf hin-
deutet, dass die Empfänglichkeit dieser Schuppen-Determinanten
für den Einfluss der Wärme in einem gewissen Zeitpunkt der
Schmetterlings-Entwickelung am stärksten ist — weit stärker,
als vorher und nachher. Es ist dies die vielmals von mir
wiederholte Beobachtung, dass bei saisondimorphen Arten, z. B.
bei Vanessa Prorsa-Levana, der umstimmende Einfluss der Wärme
oder Kälte nur dann eintritt, wenn er im Beginn der Puppen-
periode
einwirkt. Ich vermag den Zeitpunkt noch nicht genauer
zu präcisiren, aber ich kann bestimmt angeben, dass z. B. bei
Vanessa Levana Winterpuppen, welche man erst einen Monat
nach der Verpuppung hoher Temperatur aussetzt, niemals mehr
sich in die Prorsaform umwandeln lassen; sie schlüpfen sämmt-
lich als Levana aus.

Dies beruht nicht etwa darauf, dass einen Monat nach
der Verpuppung die Farben des Flügels schon angelegt wären —
keine Spur davon ist vorhanden. Es giebt also einen Mo-
ment der Auseinanderlegung der Determinanten, in
welchen dieselben am empfänglichsten für Temperatur-
einflüsse sind; später
sind sie es nicht mehr, und vorher
sind sie es zwar, aber — wie ich vermuthen möchte — nur
in einem weit geringeren Grade
. Dies mag auf ihrer Ver-

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[527/0551] werden müssen, denn sie befinden sich an beiden Orten durch- aus nicht genau in derselben Umgebung. Im Keimplasma sind sie eingeordnet in die Tausende und aber Tausende von Determi- nanten der Art, welche alle zusammen erst das Keimplasma ausmachen; in der jungen Flügelanlage der Raupe aber sind sie nur noch mit wenigen andersartigen Determinanten ver- bunden, und es muss ein Moment eintreten, in welchem sie — jede für sich allein — eine Zelle beherrschen, nämlich diejenige, die sich zur rothen oder schwarzen Flügelschuppe umbildet. Es giebt nun eine Thatsache, welche bestimmt darauf hin- deutet, dass die Empfänglichkeit dieser Schuppen-Determinanten für den Einfluss der Wärme in einem gewissen Zeitpunkt der Schmetterlings-Entwickelung am stärksten ist — weit stärker, als vorher und nachher. Es ist dies die vielmals von mir wiederholte Beobachtung, dass bei saisondimorphen Arten, z. B. bei Vanessa Prorsa-Levana, der umstimmende Einfluss der Wärme oder Kälte nur dann eintritt, wenn er im Beginn der Puppen- periode einwirkt. Ich vermag den Zeitpunkt noch nicht genauer zu präcisiren, aber ich kann bestimmt angeben, dass z. B. bei Vanessa Levana Winterpuppen, welche man erst einen Monat nach der Verpuppung hoher Temperatur aussetzt, niemals mehr sich in die Prorsaform umwandeln lassen; sie schlüpfen sämmt- lich als Levana aus. Dies beruht nicht etwa darauf, dass einen Monat nach der Verpuppung die Farben des Flügels schon angelegt wären — keine Spur davon ist vorhanden. Es giebt also einen Mo- ment der Auseinanderlegung der Determinanten, in welchen dieselben am empfänglichsten für Temperatur- einflüsse sind; später sind sie es nicht mehr, und vorher sind sie es zwar, aber — wie ich vermuthen möchte — nur in einem weit geringeren Grade. Dies mag auf ihrer Ver-

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/551>, abgerufen am 22.11.2024.