Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

Männchen und Weibchen Doppeldeterminanten angenommen
werden mussten, wenigstens für alle bei den beiden Geschlechtern
verschiedenen Theile, so bleibt Nichts übrig, als die Annahme,
dass die weibliche Hälfte der Doppeldeterminanten
selbst wieder doppelt sein kann
, indem sie sich aus einer
königlichen und einer arbeiterlichen Hälfte zusammensetzt, von
denen natürlich jede als volle Determinante zu denken ist, der
Masse und dem Bau nach. Es kommt Nichts darauf an, ob man sie
als fest verbundene oder als selbständige, dicht aneinander
liegende Körper denken will, in jedem Falle sind sie phyletisch
aus der Verdoppelung und Verdreifachung einer einzigen Stamm-
determinante hervorgegangen. Des leichteren Ausdrucks halber
spreche ich von "Doppeldeterminanten" und "Determi-
nantenhälften
". Physiologisch verhalten sie sich zu ein-
ander wie homologe, aber heterodyname Determinanten ver-
schiedener Ide.

Das entscheidende Moment dafür, welche der beiden Hälften
der weiblichen Determinante aktiv werden soll, scheint bei den
Bienen die Intensität der larvalen Ernährung zu sein, so dass
also diese Entscheidung jedenfalls erst lange nach Ablauf der
Embryogenese, auf dem Wege zur Verpuppung gegeben wird.
Bekanntlich erziehen sich die Bienen, wenn ihnen ihre Königin
verloren gegangen ist, eine neue Königin, indem sie einem der
vorhandenen Arbeiter-Eier königliche Nahrung zukommen lassen.
Durch die Befruchtung, je nachdem sie eintritt oder ausbleibt,
wird also über das Geschlecht entschieden, über die Modification
des weiblichen Thieres, ob Königin oder Arbeiterin aber erst
viel später im Laufe des Larvenlebens. Dadurch erscheint es
auch weniger schwierig, sich ein schematisches Bild von der
dreifachen Gestalt gewisser Determinanten des Keimplasma's zu
machen. In den Iden des Keimplasma's wird man sich dieselben
als Doppeldeterminanten vorstellen dürfen, deren weibliche

Männchen und Weibchen Doppeldeterminanten angenommen
werden mussten, wenigstens für alle bei den beiden Geschlechtern
verschiedenen Theile, so bleibt Nichts übrig, als die Annahme,
dass die weibliche Hälfte der Doppeldeterminanten
selbst wieder doppelt sein kann
, indem sie sich aus einer
königlichen und einer arbeiterlichen Hälfte zusammensetzt, von
denen natürlich jede als volle Determinante zu denken ist, der
Masse und dem Bau nach. Es kommt Nichts darauf an, ob man sie
als fest verbundene oder als selbständige, dicht aneinander
liegende Körper denken will, in jedem Falle sind sie phyletisch
aus der Verdoppelung und Verdreifachung einer einzigen Stamm-
determinante hervorgegangen. Des leichteren Ausdrucks halber
spreche ich von „Doppeldeterminanten“ und „Determi-
nantenhälften
“. Physiologisch verhalten sie sich zu ein-
ander wie homologe, aber heterodyname Determinanten ver-
schiedener Ide.

Das entscheidende Moment dafür, welche der beiden Hälften
der weiblichen Determinante aktiv werden soll, scheint bei den
Bienen die Intensität der larvalen Ernährung zu sein, so dass
also diese Entscheidung jedenfalls erst lange nach Ablauf der
Embryogenese, auf dem Wege zur Verpuppung gegeben wird.
Bekanntlich erziehen sich die Bienen, wenn ihnen ihre Königin
verloren gegangen ist, eine neue Königin, indem sie einem der
vorhandenen Arbeiter-Eier königliche Nahrung zukommen lassen.
Durch die Befruchtung, je nachdem sie eintritt oder ausbleibt,
wird also über das Geschlecht entschieden, über die Modification
des weiblichen Thieres, ob Königin oder Arbeiterin aber erst
viel später im Laufe des Larvenlebens. Dadurch erscheint es
auch weniger schwierig, sich ein schematisches Bild von der
dreifachen Gestalt gewisser Determinanten des Keimplasma’s zu
machen. In den Iden des Keimplasma’s wird man sich dieselben
als Doppeldeterminanten vorstellen dürfen, deren weibliche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0520" n="496"/>
Männchen und Weibchen Doppeldeterminanten angenommen<lb/>
werden mussten, wenigstens für alle bei den beiden Geschlechtern<lb/>
verschiedenen Theile, so bleibt Nichts übrig, als die Annahme,<lb/><hi rendition="#g">dass die weibliche Hälfte der Doppeldeterminanten<lb/>
selbst wieder doppelt sein kann</hi>, indem sie sich aus einer<lb/>
königlichen und einer arbeiterlichen Hälfte zusammensetzt, von<lb/>
denen natürlich jede als volle Determinante zu denken ist, der<lb/>
Masse und dem Bau nach. Es kommt Nichts darauf an, ob man sie<lb/>
als fest verbundene oder als selbständige, dicht aneinander<lb/>
liegende Körper denken will, in jedem Falle sind sie phyletisch<lb/>
aus der Verdoppelung und Verdreifachung einer einzigen Stamm-<lb/>
determinante hervorgegangen. Des leichteren Ausdrucks halber<lb/>
spreche ich von &#x201E;<hi rendition="#g">Doppeldeterminanten</hi>&#x201C; und &#x201E;<hi rendition="#g">Determi-<lb/>
nantenhälften</hi>&#x201C;. Physiologisch verhalten sie sich zu ein-<lb/>
ander wie homologe, aber heterodyname Determinanten ver-<lb/>
schiedener Ide.</p><lb/>
            <p>Das entscheidende Moment dafür, welche der beiden Hälften<lb/>
der weiblichen Determinante aktiv werden soll, scheint bei den<lb/>
Bienen die Intensität der larvalen Ernährung zu sein, so dass<lb/>
also diese Entscheidung jedenfalls erst lange nach Ablauf der<lb/>
Embryogenese, auf dem Wege zur Verpuppung gegeben wird.<lb/>
Bekanntlich erziehen sich die Bienen, wenn ihnen ihre Königin<lb/>
verloren gegangen ist, eine neue Königin, indem sie einem der<lb/>
vorhandenen Arbeiter-Eier königliche Nahrung zukommen lassen.<lb/>
Durch die Befruchtung, je nachdem sie eintritt oder ausbleibt,<lb/>
wird also über das Geschlecht entschieden, über die Modification<lb/>
des weiblichen Thieres, ob Königin oder Arbeiterin aber erst<lb/>
viel später im Laufe des Larvenlebens. Dadurch erscheint es<lb/>
auch weniger schwierig, sich ein schematisches Bild von der<lb/>
dreifachen Gestalt gewisser Determinanten des Keimplasma&#x2019;s zu<lb/>
machen. In den Iden des Keimplasma&#x2019;s wird man sich dieselben<lb/>
als Doppeldeterminanten vorstellen dürfen, deren weibliche<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[496/0520] Männchen und Weibchen Doppeldeterminanten angenommen werden mussten, wenigstens für alle bei den beiden Geschlechtern verschiedenen Theile, so bleibt Nichts übrig, als die Annahme, dass die weibliche Hälfte der Doppeldeterminanten selbst wieder doppelt sein kann, indem sie sich aus einer königlichen und einer arbeiterlichen Hälfte zusammensetzt, von denen natürlich jede als volle Determinante zu denken ist, der Masse und dem Bau nach. Es kommt Nichts darauf an, ob man sie als fest verbundene oder als selbständige, dicht aneinander liegende Körper denken will, in jedem Falle sind sie phyletisch aus der Verdoppelung und Verdreifachung einer einzigen Stamm- determinante hervorgegangen. Des leichteren Ausdrucks halber spreche ich von „Doppeldeterminanten“ und „Determi- nantenhälften“. Physiologisch verhalten sie sich zu ein- ander wie homologe, aber heterodyname Determinanten ver- schiedener Ide. Das entscheidende Moment dafür, welche der beiden Hälften der weiblichen Determinante aktiv werden soll, scheint bei den Bienen die Intensität der larvalen Ernährung zu sein, so dass also diese Entscheidung jedenfalls erst lange nach Ablauf der Embryogenese, auf dem Wege zur Verpuppung gegeben wird. Bekanntlich erziehen sich die Bienen, wenn ihnen ihre Königin verloren gegangen ist, eine neue Königin, indem sie einem der vorhandenen Arbeiter-Eier königliche Nahrung zukommen lassen. Durch die Befruchtung, je nachdem sie eintritt oder ausbleibt, wird also über das Geschlecht entschieden, über die Modification des weiblichen Thieres, ob Königin oder Arbeiterin aber erst viel später im Laufe des Larvenlebens. Dadurch erscheint es auch weniger schwierig, sich ein schematisches Bild von der dreifachen Gestalt gewisser Determinanten des Keimplasma’s zu machen. In den Iden des Keimplasma’s wird man sich dieselben als Doppeldeterminanten vorstellen dürfen, deren weibliche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/520
Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/520>, abgerufen am 19.05.2024.