wird die eine von ihnen inaktiv in einer Zelle liegen bleiben, die sich nicht weitertheilt, während die andere weitere Zell- theilungen hervorruft.
Vielfach besteht der sexuelle Dimorphismus in der Ver- kümmerung eines Organs in dem einen Geschlecht. So fehlen manchen Schmetterlingsweibchen die Flügel. Idioplas- matisch wird dies darauf beruhen, dass die Determinantengruppe des Flügels, die in früheren phyletischen Stadien schon doppelt, d. h. männlich und weiblich vorhanden war, nun einseitig ver- kümmert. Häufig besitzen solche Weibchen noch Rudimente der Flügel, und dann werden beide Flügel-Determinantengruppen in der Ontogenese zusammengehen bis zu jenem Stadium der Raupe, in welchem von einer Zelle der Hypodermis die Bildung der Imaginalscheibe des Flügels ausgeht. Ist das Thier weib- lich, so wird jetzt die verkümmerte Flügel-Determinantengruppe aktiv, ist es männlich die vollkommne. Es ist aber auch denk- bar, dass die Verkümmerung der weiblichen Determinanten- gruppe bis zu ihrem völligen Verschwinden geht, wie denn bei den weiblichen Psychiden die Flügel ganz fehlen.
Aber auch mit dem völligen Schwund einzelner Theile ist der höchste Grad des sexuellen Dimorphismus noch nicht er- reicht. Es giebt in verschiedenen Gruppen des Thierreichs Arten, deren Männchen sich beinahe in allen Charak- teren von den Weibchen unterscheiden. Schon bei vielen Räderthieren sind die Männchen winzig klein gegenüber den Weibchen, haben eine in allen Theilen verschiedene Körper- gestalt und entbehren des gesammten Nahrungskanals, und bei Bonellia viridis, einem Meereswurm aus der Gruppe der Gephy- reen, weicht das Männchen so sehr vom Weibchen ab, dass man versucht sein könnte, es einer ganz andern Klasse von Würmern, den Strudelwürmern, zuzutheilen. Zugleich ist hier der Unterschied der Körpergrösse zwischen beiden Geschlechtern
wird die eine von ihnen inaktiv in einer Zelle liegen bleiben, die sich nicht weitertheilt, während die andere weitere Zell- theilungen hervorruft.
Vielfach besteht der sexuelle Dimorphismus in der Ver- kümmerung eines Organs in dem einen Geschlecht. So fehlen manchen Schmetterlingsweibchen die Flügel. Idioplas- matisch wird dies darauf beruhen, dass die Determinantengruppe des Flügels, die in früheren phyletischen Stadien schon doppelt, d. h. männlich und weiblich vorhanden war, nun einseitig ver- kümmert. Häufig besitzen solche Weibchen noch Rudimente der Flügel, und dann werden beide Flügel-Determinantengruppen in der Ontogenese zusammengehen bis zu jenem Stadium der Raupe, in welchem von einer Zelle der Hypodermis die Bildung der Imaginalscheibe des Flügels ausgeht. Ist das Thier weib- lich, so wird jetzt die verkümmerte Flügel-Determinantengruppe aktiv, ist es männlich die vollkommne. Es ist aber auch denk- bar, dass die Verkümmerung der weiblichen Determinanten- gruppe bis zu ihrem völligen Verschwinden geht, wie denn bei den weiblichen Psychiden die Flügel ganz fehlen.
Aber auch mit dem völligen Schwund einzelner Theile ist der höchste Grad des sexuellen Dimorphismus noch nicht er- reicht. Es giebt in verschiedenen Gruppen des Thierreichs Arten, deren Männchen sich beinahe in allen Charak- teren von den Weibchen unterscheiden. Schon bei vielen Räderthieren sind die Männchen winzig klein gegenüber den Weibchen, haben eine in allen Theilen verschiedene Körper- gestalt und entbehren des gesammten Nahrungskanals, und bei Bonellia viridis, einem Meereswurm aus der Gruppe der Gephy- reen, weicht das Männchen so sehr vom Weibchen ab, dass man versucht sein könnte, es einer ganz andern Klasse von Würmern, den Strudelwürmern, zuzutheilen. Zugleich ist hier der Unterschied der Körpergrösse zwischen beiden Geschlechtern
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[477/0501]
wird die eine von ihnen inaktiv in einer Zelle liegen bleiben,
die sich nicht weitertheilt, während die andere weitere Zell-
theilungen hervorruft.
Vielfach besteht der sexuelle Dimorphismus in der Ver-
kümmerung eines Organs in dem einen Geschlecht. So
fehlen manchen Schmetterlingsweibchen die Flügel. Idioplas-
matisch wird dies darauf beruhen, dass die Determinantengruppe
des Flügels, die in früheren phyletischen Stadien schon doppelt,
d. h. männlich und weiblich vorhanden war, nun einseitig ver-
kümmert. Häufig besitzen solche Weibchen noch Rudimente
der Flügel, und dann werden beide Flügel-Determinantengruppen
in der Ontogenese zusammengehen bis zu jenem Stadium der
Raupe, in welchem von einer Zelle der Hypodermis die Bildung
der Imaginalscheibe des Flügels ausgeht. Ist das Thier weib-
lich, so wird jetzt die verkümmerte Flügel-Determinantengruppe
aktiv, ist es männlich die vollkommne. Es ist aber auch denk-
bar, dass die Verkümmerung der weiblichen Determinanten-
gruppe bis zu ihrem völligen Verschwinden geht, wie denn bei
den weiblichen Psychiden die Flügel ganz fehlen.
Aber auch mit dem völligen Schwund einzelner Theile ist
der höchste Grad des sexuellen Dimorphismus noch nicht er-
reicht. Es giebt in verschiedenen Gruppen des Thierreichs
Arten, deren Männchen sich beinahe in allen Charak-
teren von den Weibchen unterscheiden. Schon bei vielen
Räderthieren sind die Männchen winzig klein gegenüber den
Weibchen, haben eine in allen Theilen verschiedene Körper-
gestalt und entbehren des gesammten Nahrungskanals, und bei
Bonellia viridis, einem Meereswurm aus der Gruppe der Gephy-
reen, weicht das Männchen so sehr vom Weibchen ab, dass
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der Unterschied der Körpergrösse zwischen beiden Geschlechtern
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/501>, abgerufen am 22.11.2024.
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