sich durch den Sohn hindurch auf die Enkelin vererben, ebenso der schwarze Bart des Vaters durch die Tochter auf den Enkel. Auch bei Thieren müssen in jedem geschlechtlich differenzirten Bion beiderlei Geschlechtscharaktere vorhanden sein, die einen manifest, die andern latent. Der Nachweis ist hier nur in gewissen Fällen zu führen, weil wir die individuellen Unterschiede dieser Charaktere nur selten so genau bemerken, allein er ist selbst für ziemlich einfach organisirte Arten zu führen, und die latente Anwesenheit der entgegengesetzten Geschlechts- charaktere in jedem geschlechtlich differenzirten Bion muss deshalb als allgemeine Einrichtung aufgefasst werden. Bei der Biene besitzen die aus unbefruchteten Eiern sich ent- wickelnden Männchen die sekundären Geschlechtscharaktere des Grossvaters, und bei den Wasserflöhen, bei welchen mehrere rein weibliche Generationen auseinander hervorgehen, bringt die letzte derselben Männchen hervor mit den sekundären Geschlechts- charakteren der Art, welche somit in latentem Zustand in einer ganzen Reihe von weiblichen Generationen vorhanden sein mussten.
Es wird also in dem Keimplasma der befruchteten Eizelle nicht nur die Anlage zu männlichen und weiblichen Keimzellen, sondern auch die zu sämmtlichen sekundären Sexualcharakteren, weiblichen und männlichen enthalten sein müssen. Man könnte nun glauben, mit der Annahme auszureichen, dass die Determi- nanten von beiderlei Charakteren im Keimplasma vorhanden seien, und dass bei der Entscheidung über das Geschlecht nicht nur über die Sexual-Determinanten bestimmt würde, also ob die Keimzellen männlich oder weiblich werden sollen, sondern auch über die somatischen Determinanten, ob die der männlichen oder der weiblichen sekundären Geschlechtscharaktere die Führung im Aufbau des Soma übernehmen sollen.
Diese Annahme ist zwar unerlässlich und genügt auch,
sich durch den Sohn hindurch auf die Enkelin vererben, ebenso der schwarze Bart des Vaters durch die Tochter auf den Enkel. Auch bei Thieren müssen in jedem geschlechtlich differenzirten Bion beiderlei Geschlechtscharaktere vorhanden sein, die einen manifest, die andern latent. Der Nachweis ist hier nur in gewissen Fällen zu führen, weil wir die individuellen Unterschiede dieser Charaktere nur selten so genau bemerken, allein er ist selbst für ziemlich einfach organisirte Arten zu führen, und die latente Anwesenheit der entgegengesetzten Geschlechts- charaktere in jedem geschlechtlich differenzirten Bion muss deshalb als allgemeine Einrichtung aufgefasst werden. Bei der Biene besitzen die aus unbefruchteten Eiern sich ent- wickelnden Männchen die sekundären Geschlechtscharaktere des Grossvaters, und bei den Wasserflöhen, bei welchen mehrere rein weibliche Generationen auseinander hervorgehen, bringt die letzte derselben Männchen hervor mit den sekundären Geschlechts- charakteren der Art, welche somit in latentem Zustand in einer ganzen Reihe von weiblichen Generationen vorhanden sein mussten.
Es wird also in dem Keimplasma der befruchteten Eizelle nicht nur die Anlage zu männlichen und weiblichen Keimzellen, sondern auch die zu sämmtlichen sekundären Sexualcharakteren, weiblichen und männlichen enthalten sein müssen. Man könnte nun glauben, mit der Annahme auszureichen, dass die Determi- nanten von beiderlei Charakteren im Keimplasma vorhanden seien, und dass bei der Entscheidung über das Geschlecht nicht nur über die Sexual-Determinanten bestimmt würde, also ob die Keimzellen männlich oder weiblich werden sollen, sondern auch über die somatischen Determinanten, ob die der männlichen oder der weiblichen sekundären Geschlechtscharaktere die Führung im Aufbau des Soma übernehmen sollen.
Diese Annahme ist zwar unerlässlich und genügt auch,
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[468/0492]
sich durch den Sohn hindurch auf die Enkelin vererben, ebenso
der schwarze Bart des Vaters durch die Tochter auf den Enkel.
Auch bei Thieren müssen in jedem geschlechtlich differenzirten
Bion beiderlei Geschlechtscharaktere vorhanden sein, die einen
manifest, die andern latent. Der Nachweis ist hier nur in
gewissen Fällen zu führen, weil wir die individuellen Unterschiede
dieser Charaktere nur selten so genau bemerken, allein er ist
selbst für ziemlich einfach organisirte Arten zu führen, und die
latente Anwesenheit der entgegengesetzten Geschlechts-
charaktere in jedem geschlechtlich differenzirten Bion
muss deshalb als allgemeine Einrichtung aufgefasst werden.
Bei der Biene besitzen die aus unbefruchteten Eiern sich ent-
wickelnden Männchen die sekundären Geschlechtscharaktere des
Grossvaters, und bei den Wasserflöhen, bei welchen mehrere
rein weibliche Generationen auseinander hervorgehen, bringt die
letzte derselben Männchen hervor mit den sekundären Geschlechts-
charakteren der Art, welche somit in latentem Zustand in einer
ganzen Reihe von weiblichen Generationen vorhanden sein
mussten.
Es wird also in dem Keimplasma der befruchteten Eizelle
nicht nur die Anlage zu männlichen und weiblichen Keimzellen,
sondern auch die zu sämmtlichen sekundären Sexualcharakteren,
weiblichen und männlichen enthalten sein müssen. Man könnte
nun glauben, mit der Annahme auszureichen, dass die Determi-
nanten von beiderlei Charakteren im Keimplasma vorhanden
seien, und dass bei der Entscheidung über das Geschlecht nicht
nur über die Sexual-Determinanten bestimmt würde, also ob die
Keimzellen männlich oder weiblich werden sollen, sondern auch
über die somatischen Determinanten, ob die der männlichen
oder der weiblichen sekundären Geschlechtscharaktere die Führung
im Aufbau des Soma übernehmen sollen.
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/492>, abgerufen am 22.11.2024.
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