war; in einem andern Fall fanden sich nicht nur volle Individuen der Abart B, sondern auch Zwischenformen zwischen beiden Abarten, was einerseits in theoretischer Beziehung interessant ist, anderseits jeden Zweifel an der Reinheit der Versuche aus- schliesst.
Lange Zeit harrte ich vergebens darauf, dass die umgekehrte Umwandlung, die der dunkeln in die helle Abart vorkommen möchte, und ich neigte schon zu der Ansicht hin, dass die dunkle Abart die Stammform beider sei, als mir im Winter 1890 auf 1891 eine Colonie von B vorkam, in welcher neben typischen Individuen der Abart B, die seit mehreren Jahren darin gezüchtet worden war, auch eine geringe Zahl typischer Individuen der Abart A sich vorfand.
Äussere Einwirkungen für diese plötzlichen Umwandlungen verantwortlich zu machen, geht deshalb nicht an, weil stets beide Formen nebeneinander in demselben kleinen Aquarium, also genau unter denselben Bedingungen auftraten. Nur Ver- änderungen des Keimplasma's können zur Erklärung heran- gezogen werden, und ich glaube, dass diese auch aufgewiesen werden können.
Parthenogenese im strengen Sinne des Wortes ist immer aus geschlechtlicher Fortpflanzung hervorgegangen, so auch nachweislich in diesem Falle, in welchem diese männerlosen Weibchen immer noch das Receptaculum seminis besitzen, welches nur unbenutzt und stets leer bleibt.
Die beiden Abarten nun müssen zu einer Zeit entstanden sein, zu welcher die Thiere sich wenigstens periodisch noch geschlechtlich fortpflanzten; andernfalls könnten nicht An- lagen von A im Keimplasma von B und umgekehrt enthalten sein. Nur durch die in einer wohl nicht weit zurückgelegenen Zeit noch stattfindende geschlechtliche Fortpflanzung wird das Nebeneinander beider Anlagen in demselben Thiere begreiflich.
war; in einem andern Fall fanden sich nicht nur volle Individuen der Abart B, sondern auch Zwischenformen zwischen beiden Abarten, was einerseits in theoretischer Beziehung interessant ist, anderseits jeden Zweifel an der Reinheit der Versuche aus- schliesst.
Lange Zeit harrte ich vergebens darauf, dass die umgekehrte Umwandlung, die der dunkeln in die helle Abart vorkommen möchte, und ich neigte schon zu der Ansicht hin, dass die dunkle Abart die Stammform beider sei, als mir im Winter 1890 auf 1891 eine Colonie von B vorkam, in welcher neben typischen Individuen der Abart B, die seit mehreren Jahren darin gezüchtet worden war, auch eine geringe Zahl typischer Individuen der Abart A sich vorfand.
Äussere Einwirkungen für diese plötzlichen Umwandlungen verantwortlich zu machen, geht deshalb nicht an, weil stets beide Formen nebeneinander in demselben kleinen Aquarium, also genau unter denselben Bedingungen auftraten. Nur Ver- änderungen des Keimplasma’s können zur Erklärung heran- gezogen werden, und ich glaube, dass diese auch aufgewiesen werden können.
Parthenogenese im strengen Sinne des Wortes ist immer aus geschlechtlicher Fortpflanzung hervorgegangen, so auch nachweislich in diesem Falle, in welchem diese männerlosen Weibchen immer noch das Receptaculum seminis besitzen, welches nur unbenutzt und stets leer bleibt.
Die beiden Abarten nun müssen zu einer Zeit entstanden sein, zu welcher die Thiere sich wenigstens periodisch noch geschlechtlich fortpflanzten; andernfalls könnten nicht An- lagen von A im Keimplasma von B und umgekehrt enthalten sein. Nur durch die in einer wohl nicht weit zurückgelegenen Zeit noch stattfindende geschlechtliche Fortpflanzung wird das Nebeneinander beider Anlagen in demselben Thiere begreiflich.
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war; in einem andern Fall fanden sich nicht nur volle Individuen
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Abarten, was einerseits in theoretischer Beziehung interessant
ist, anderseits jeden Zweifel an der Reinheit der Versuche aus-
schliesst.
Lange Zeit harrte ich vergebens darauf, dass die umgekehrte
Umwandlung, die der dunkeln in die helle Abart vorkommen
möchte, und ich neigte schon zu der Ansicht hin, dass die
dunkle Abart die Stammform beider sei, als mir im Winter
1890 auf 1891 eine Colonie von B vorkam, in welcher neben
typischen Individuen der Abart B, die seit mehreren Jahren darin
gezüchtet worden war, auch eine geringe Zahl typischer Individuen
der Abart A sich vorfand.
Äussere Einwirkungen für diese plötzlichen Umwandlungen
verantwortlich zu machen, geht deshalb nicht an, weil stets
beide Formen nebeneinander in demselben kleinen Aquarium,
also genau unter denselben Bedingungen auftraten. Nur Ver-
änderungen des Keimplasma’s können zur Erklärung heran-
gezogen werden, und ich glaube, dass diese auch aufgewiesen
werden können.
Parthenogenese im strengen Sinne des Wortes ist immer
aus geschlechtlicher Fortpflanzung hervorgegangen, so auch
nachweislich in diesem Falle, in welchem diese männerlosen
Weibchen immer noch das Receptaculum seminis besitzen, welches
nur unbenutzt und stets leer bleibt.
Die beiden Abarten nun müssen zu einer Zeit entstanden
sein, zu welcher die Thiere sich wenigstens periodisch noch
geschlechtlich fortpflanzten; andernfalls könnten nicht An-
lagen von A im Keimplasma von B und umgekehrt enthalten
sein. Nur durch die in einer wohl nicht weit zurückgelegenen
Zeit noch stattfindende geschlechtliche Fortpflanzung wird das
Nebeneinander beider Anlagen in demselben Thiere begreiflich.
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/478>, abgerufen am 22.11.2024.
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