Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn eben auch nur im Princip. Doch kann man sich leicht
einen solchen Fall auch durch Zahlen im Einzelnen anschaulich
machen.

Gesetzt, es seien nicht blos einzelne Ide, welche die "blauen"
Stammes-Determinanten enthalten, sondern ganze Idanten mit
allen ihren Iden, so würde sich also im Keimplasma der Datura-
Bastarde gegenüberstehen: eine Minorität alter Vorfahren-Idanten
und eine Majorität moderner Idanten, welche aber zur Hälfte
dem Bilde der Datura laevis, zur Hälfte dem Bilde der Datura
ferox entsprächen. Es seien im Ganzen 16 Idanten, davon
6 blaue Ahnen-Idanten und 10 weisse Idanten. Da nun die
Letzteren sich aus 5 Laevis- und 5 Ferox-Idanten zusammen-
setzen, also aus ungleichartigen, so überwiegen die 6 gleichen
Ahnen-Idanten, die sich gegenseitig verstärken, während die
2 x 5 differenten Laevis- und Ferox-Idanten sich nicht zur
Kraftsumme von 10 summiren.

Ich habe bisher vorausgesetzt, dass es sich in diesem Falle
um einen vollständigen Rückschlag auf die Stammform handle
und nicht blos um Rückschlag auf einzelne Vorfahren-
Charaktere
. Ich kann indessen aus den mir zugänglichen
Angaben über diese Bastarde nicht mit Sicherheit darüber
urtheilen, und da der Fall hier nicht seiner selbst willen, sondern
nur als Beispiel gewählt wurde, um daran zu zeigen, wie etwa
ein Fall völligen Rückschlags auf entferntere Vorfahren erklärt
werden könne, so kann die Frage, ob dieser Fall wirklich dahin
gehöre, und ob solche Fälle vollkommnen Rückschlags wirklich
vorkommen, unentschieden bleiben. Jedenfalls ist das Blau der
Blumen nicht der einzige scheinbar neue Charakter dieser
Bastarde, sondern auch die braune Farbe der Stengel, welche
bei beiden reinen Arten grün sind. Nur die eine der beiden
Arten, Datura ferox, zeigt in frühester Jugend diese braune
Farbe des Stengels, die sich später nur noch als ein Ring um

wenn eben auch nur im Princip. Doch kann man sich leicht
einen solchen Fall auch durch Zahlen im Einzelnen anschaulich
machen.

Gesetzt, es seien nicht blos einzelne Ide, welche die „blauen“
Stammes-Determinanten enthalten, sondern ganze Idanten mit
allen ihren Iden, so würde sich also im Keimplasma der Datura-
Bastarde gegenüberstehen: eine Minorität alter Vorfahren-Idanten
und eine Majorität moderner Idanten, welche aber zur Hälfte
dem Bilde der Datura laevis, zur Hälfte dem Bilde der Datura
ferox entsprächen. Es seien im Ganzen 16 Idanten, davon
6 blaue Ahnen-Idanten und 10 weisse Idanten. Da nun die
Letzteren sich aus 5 Laevis- und 5 Ferox-Idanten zusammen-
setzen, also aus ungleichartigen, so überwiegen die 6 gleichen
Ahnen-Idanten, die sich gegenseitig verstärken, während die
2 × 5 differenten Laevis- und Ferox-Idanten sich nicht zur
Kraftsumme von 10 summiren.

Ich habe bisher vorausgesetzt, dass es sich in diesem Falle
um einen vollständigen Rückschlag auf die Stammform handle
und nicht blos um Rückschlag auf einzelne Vorfahren-
Charaktere
. Ich kann indessen aus den mir zugänglichen
Angaben über diese Bastarde nicht mit Sicherheit darüber
urtheilen, und da der Fall hier nicht seiner selbst willen, sondern
nur als Beispiel gewählt wurde, um daran zu zeigen, wie etwa
ein Fall völligen Rückschlags auf entferntere Vorfahren erklärt
werden könne, so kann die Frage, ob dieser Fall wirklich dahin
gehöre, und ob solche Fälle vollkommnen Rückschlags wirklich
vorkommen, unentschieden bleiben. Jedenfalls ist das Blau der
Blumen nicht der einzige scheinbar neue Charakter dieser
Bastarde, sondern auch die braune Farbe der Stengel, welche
bei beiden reinen Arten grün sind. Nur die eine der beiden
Arten, Datura ferox, zeigt in frühester Jugend diese braune
Farbe des Stengels, die sich später nur noch als ein Ring um

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0447" n="423"/>
wenn eben auch nur im Princip. Doch kann man sich leicht<lb/>
einen solchen Fall auch durch Zahlen im Einzelnen anschaulich<lb/>
machen.</p><lb/>
            <p>Gesetzt, es seien nicht blos einzelne Ide, welche die &#x201E;blauen&#x201C;<lb/>
Stammes-Determinanten enthalten, sondern ganze Idanten mit<lb/>
allen ihren Iden, so würde sich also im Keimplasma der Datura-<lb/>
Bastarde gegenüberstehen: eine Minorität alter Vorfahren-Idanten<lb/>
und eine Majorität moderner Idanten, welche aber zur Hälfte<lb/>
dem Bilde der Datura laevis, zur Hälfte dem Bilde der Datura<lb/>
ferox entsprächen. Es seien im Ganzen 16 Idanten, davon<lb/>
6 blaue Ahnen-Idanten und 10 weisse Idanten. Da nun die<lb/>
Letzteren sich aus 5 Laevis- und 5 Ferox-Idanten zusammen-<lb/>
setzen, also aus ungleichartigen, so überwiegen die 6 gleichen<lb/>
Ahnen-Idanten, die sich gegenseitig verstärken, während die<lb/>
2 × 5 differenten Laevis- und Ferox-Idanten sich nicht zur<lb/>
Kraftsumme von 10 summiren.</p><lb/>
            <p>Ich habe bisher vorausgesetzt, dass es sich in diesem Falle<lb/>
um einen <hi rendition="#g">vollständigen</hi> Rückschlag auf die Stammform handle<lb/>
und nicht blos um <hi rendition="#g">Rückschlag auf einzelne Vorfahren-<lb/>
Charaktere</hi>. Ich kann indessen aus den mir zugänglichen<lb/>
Angaben über diese Bastarde nicht mit Sicherheit darüber<lb/>
urtheilen, und da der Fall hier nicht seiner selbst willen, sondern<lb/>
nur als Beispiel gewählt wurde, um daran zu zeigen, wie etwa<lb/>
ein Fall völligen Rückschlags auf entferntere Vorfahren erklärt<lb/>
werden könne, so kann die Frage, ob dieser Fall wirklich dahin<lb/>
gehöre, und ob solche Fälle vollkommnen Rückschlags wirklich<lb/>
vorkommen, unentschieden bleiben. Jedenfalls ist das Blau der<lb/>
Blumen nicht der einzige scheinbar neue Charakter dieser<lb/>
Bastarde, sondern auch die braune Farbe der Stengel, welche<lb/>
bei beiden reinen Arten grün sind. Nur die eine der beiden<lb/>
Arten, Datura ferox, zeigt in frühester Jugend diese braune<lb/>
Farbe des Stengels, die sich später nur noch als ein Ring um<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[423/0447] wenn eben auch nur im Princip. Doch kann man sich leicht einen solchen Fall auch durch Zahlen im Einzelnen anschaulich machen. Gesetzt, es seien nicht blos einzelne Ide, welche die „blauen“ Stammes-Determinanten enthalten, sondern ganze Idanten mit allen ihren Iden, so würde sich also im Keimplasma der Datura- Bastarde gegenüberstehen: eine Minorität alter Vorfahren-Idanten und eine Majorität moderner Idanten, welche aber zur Hälfte dem Bilde der Datura laevis, zur Hälfte dem Bilde der Datura ferox entsprächen. Es seien im Ganzen 16 Idanten, davon 6 blaue Ahnen-Idanten und 10 weisse Idanten. Da nun die Letzteren sich aus 5 Laevis- und 5 Ferox-Idanten zusammen- setzen, also aus ungleichartigen, so überwiegen die 6 gleichen Ahnen-Idanten, die sich gegenseitig verstärken, während die 2 × 5 differenten Laevis- und Ferox-Idanten sich nicht zur Kraftsumme von 10 summiren. Ich habe bisher vorausgesetzt, dass es sich in diesem Falle um einen vollständigen Rückschlag auf die Stammform handle und nicht blos um Rückschlag auf einzelne Vorfahren- Charaktere. Ich kann indessen aus den mir zugänglichen Angaben über diese Bastarde nicht mit Sicherheit darüber urtheilen, und da der Fall hier nicht seiner selbst willen, sondern nur als Beispiel gewählt wurde, um daran zu zeigen, wie etwa ein Fall völligen Rückschlags auf entferntere Vorfahren erklärt werden könne, so kann die Frage, ob dieser Fall wirklich dahin gehöre, und ob solche Fälle vollkommnen Rückschlags wirklich vorkommen, unentschieden bleiben. Jedenfalls ist das Blau der Blumen nicht der einzige scheinbar neue Charakter dieser Bastarde, sondern auch die braune Farbe der Stengel, welche bei beiden reinen Arten grün sind. Nur die eine der beiden Arten, Datura ferox, zeigt in frühester Jugend diese braune Farbe des Stengels, die sich später nur noch als ein Ring um

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/447
Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/447>, abgerufen am 19.05.2024.