Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

schiedenheit homologer Theile der beiden Antimeren kommt
vor, wie erwähnt wurde; sie findet sich sogar bei gewissen
Thieren häufig, wenn auch nur in Bezug auf Merkmale von
untergeordneter biologischer Bedeutung. Es ist bisher der That-
sache wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden, dass viele unserer
Hausthiere in der Zeichnung ihrer Haut die ursprüng-
liche Symmetrie
verloren haben. Gescheckte Katzen, Hunde,
Pferde, Kühe, Meerschweinchen sind keine Seltenheit und
bilden den Beweis, dass die Symmetrie der Zeichnung durch
Domestication vollständig verloren gehen kann. Die Erklärung
wird davon ausgehen müssen, dass diese ursprünglich symme-
trischen Färbungen durch die Domestication ihren biologischen
Werth einbüssten. Wenn die Determinanten dieser Charaktere
auf der rechten Seite anders variirten, als auf der linken, und
wenn in Folge dessen das betreffende Thier gescheckt wurde,
so brachte ihm dies keinen Nachtheil, es konnte trotzdem leben
und Nachkommen hervorbringen. Paarten sich dann zwei ver-
schiedentlich gescheckte Thiere mit einander, so entstand noch
grössere Asymmetrie der Färbung und Zeichnung, wie denn
thatsächlich bei manchen unserer Rinderrassen kein Stück mehr
dem andern gleich ist in Bezug auf Zeichnung und ebenso bei
vielen Hunden und bei den Meerschweinchen der gewöhnlichen
Art. Wir wissen ja, von wie bedeutendem Werth für die Er-
haltung des Individuums und der Art diese Zeichnungen und
Färbungen im Naturzustand sein können; es wird deshalb
gerechtfertigt sein, die Erhaltung ihrer Symmetrie von Natur-
züchtung abhängig zu denken und den Verlust derselben auf
Panmixie zu beziehen.

In Bezug auf die den Körper der gegliederten Thiere zu-
sammensetzenden, hintereinander gelegenen Theilstücke, die
Metameren, besitzen wir einige Thatsachen, welche beweisen,
dass abwechselnd die mütterlichen und die väterlichen Charaktere

schiedenheit homologer Theile der beiden Antimeren kommt
vor, wie erwähnt wurde; sie findet sich sogar bei gewissen
Thieren häufig, wenn auch nur in Bezug auf Merkmale von
untergeordneter biologischer Bedeutung. Es ist bisher der That-
sache wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden, dass viele unserer
Hausthiere in der Zeichnung ihrer Haut die ursprüng-
liche Symmetrie
verloren haben. Gescheckte Katzen, Hunde,
Pferde, Kühe, Meerschweinchen sind keine Seltenheit und
bilden den Beweis, dass die Symmetrie der Zeichnung durch
Domestication vollständig verloren gehen kann. Die Erklärung
wird davon ausgehen müssen, dass diese ursprünglich symme-
trischen Färbungen durch die Domestication ihren biologischen
Werth einbüssten. Wenn die Determinanten dieser Charaktere
auf der rechten Seite anders variirten, als auf der linken, und
wenn in Folge dessen das betreffende Thier gescheckt wurde,
so brachte ihm dies keinen Nachtheil, es konnte trotzdem leben
und Nachkommen hervorbringen. Paarten sich dann zwei ver-
schiedentlich gescheckte Thiere mit einander, so entstand noch
grössere Asymmetrie der Färbung und Zeichnung, wie denn
thatsächlich bei manchen unserer Rinderrassen kein Stück mehr
dem andern gleich ist in Bezug auf Zeichnung und ebenso bei
vielen Hunden und bei den Meerschweinchen der gewöhnlichen
Art. Wir wissen ja, von wie bedeutendem Werth für die Er-
haltung des Individuums und der Art diese Zeichnungen und
Färbungen im Naturzustand sein können; es wird deshalb
gerechtfertigt sein, die Erhaltung ihrer Symmetrie von Natur-
züchtung abhängig zu denken und den Verlust derselben auf
Panmixie zu beziehen.

In Bezug auf die den Körper der gegliederten Thiere zu-
sammensetzenden, hintereinander gelegenen Theilstücke, die
Metameren, besitzen wir einige Thatsachen, welche beweisen,
dass abwechselnd die mütterlichen und die väterlichen Charaktere

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0400" n="376"/>
schiedenheit homologer Theile der beiden Antimeren kommt<lb/>
vor, wie erwähnt wurde; sie findet sich sogar bei gewissen<lb/>
Thieren häufig, wenn auch nur in Bezug auf Merkmale von<lb/>
untergeordneter biologischer Bedeutung. Es ist bisher der That-<lb/>
sache wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden, dass viele unserer<lb/><hi rendition="#g">Hausthiere</hi> in der <hi rendition="#g">Zeichnung ihrer Haut die ursprüng-<lb/>
liche Symmetrie</hi> verloren haben. <hi rendition="#g">Gescheckte</hi> Katzen, Hunde,<lb/>
Pferde, Kühe, Meerschweinchen sind keine Seltenheit und<lb/>
bilden den Beweis, dass die Symmetrie der Zeichnung durch<lb/>
Domestication vollständig verloren gehen kann. Die Erklärung<lb/>
wird davon ausgehen müssen, dass diese ursprünglich symme-<lb/>
trischen Färbungen durch die Domestication ihren biologischen<lb/>
Werth einbüssten. Wenn die Determinanten dieser Charaktere<lb/>
auf der rechten Seite anders variirten, als auf der linken, und<lb/>
wenn in Folge dessen das betreffende Thier gescheckt wurde,<lb/>
so brachte ihm dies keinen Nachtheil, es konnte trotzdem leben<lb/>
und Nachkommen hervorbringen. Paarten sich dann zwei ver-<lb/>
schiedentlich gescheckte Thiere mit einander, so entstand noch<lb/>
grössere Asymmetrie der Färbung und Zeichnung, wie denn<lb/>
thatsächlich bei manchen unserer Rinderrassen kein Stück mehr<lb/>
dem andern gleich ist in Bezug auf Zeichnung und ebenso bei<lb/>
vielen Hunden und bei den Meerschweinchen der gewöhnlichen<lb/>
Art. Wir wissen ja, von wie bedeutendem Werth für die Er-<lb/>
haltung des Individuums und der Art diese Zeichnungen und<lb/>
Färbungen im <hi rendition="#g">Naturzustand</hi> sein können; es wird deshalb<lb/>
gerechtfertigt sein, die Erhaltung ihrer Symmetrie von Natur-<lb/>
züchtung abhängig zu denken und den Verlust derselben auf<lb/>
Panmixie zu beziehen.</p><lb/>
              <p>In Bezug auf die den Körper der gegliederten Thiere zu-<lb/>
sammensetzenden, <hi rendition="#g">hintereinander</hi> gelegenen Theilstücke, die<lb/><hi rendition="#g">Metameren</hi>, besitzen wir einige Thatsachen, welche beweisen,<lb/>
dass abwechselnd die mütterlichen und die väterlichen Charaktere<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[376/0400] schiedenheit homologer Theile der beiden Antimeren kommt vor, wie erwähnt wurde; sie findet sich sogar bei gewissen Thieren häufig, wenn auch nur in Bezug auf Merkmale von untergeordneter biologischer Bedeutung. Es ist bisher der That- sache wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden, dass viele unserer Hausthiere in der Zeichnung ihrer Haut die ursprüng- liche Symmetrie verloren haben. Gescheckte Katzen, Hunde, Pferde, Kühe, Meerschweinchen sind keine Seltenheit und bilden den Beweis, dass die Symmetrie der Zeichnung durch Domestication vollständig verloren gehen kann. Die Erklärung wird davon ausgehen müssen, dass diese ursprünglich symme- trischen Färbungen durch die Domestication ihren biologischen Werth einbüssten. Wenn die Determinanten dieser Charaktere auf der rechten Seite anders variirten, als auf der linken, und wenn in Folge dessen das betreffende Thier gescheckt wurde, so brachte ihm dies keinen Nachtheil, es konnte trotzdem leben und Nachkommen hervorbringen. Paarten sich dann zwei ver- schiedentlich gescheckte Thiere mit einander, so entstand noch grössere Asymmetrie der Färbung und Zeichnung, wie denn thatsächlich bei manchen unserer Rinderrassen kein Stück mehr dem andern gleich ist in Bezug auf Zeichnung und ebenso bei vielen Hunden und bei den Meerschweinchen der gewöhnlichen Art. Wir wissen ja, von wie bedeutendem Werth für die Er- haltung des Individuums und der Art diese Zeichnungen und Färbungen im Naturzustand sein können; es wird deshalb gerechtfertigt sein, die Erhaltung ihrer Symmetrie von Natur- züchtung abhängig zu denken und den Verlust derselben auf Panmixie zu beziehen. In Bezug auf die den Körper der gegliederten Thiere zu- sammensetzenden, hintereinander gelegenen Theilstücke, die Metameren, besitzen wir einige Thatsachen, welche beweisen, dass abwechselnd die mütterlichen und die väterlichen Charaktere

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/400
Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/400>, abgerufen am 08.05.2024.