jenigen Zellen enthalten sein muss, welche Keimzellen den Ur- sprung geben? Ja, wenn eine continuirliche Reihe von Zellen, welche blos "Keimsubstanz" enthalten, von der Ursprungszelle bis zu den neuen Keimzellen hinführte, dann wäre die Sache ja sehr einfach. Aber so einfach ist sie nur im Falle der Dipteren, in allen übrigen Fällen sind die dazwischen liegenden Zellen, d. h. diejenigen der Keimbahn, nachweislich keine Zellen, die blos Keimplasma enthalten, sondern solche mit ganz bestimmten somatischen Anlagen, und zwar bei Pflanzen ganz ebensowohl als bei Thieren. Man sehe nur den oben abgebildeten Zellenstammbaum für die Onto- genese von Ascaris nigrovenosa (Fig. 16) nach. Wie kommt es denn, dass z. B. bei der Theilung der Ur-Entodermzelle in die erste Entoderm- und erste Mesodermzelle die letztere dennoch im Stande ist, später Nachkommen hervorzubringen, welche "Keimsubstanz" enthalten, Keimzellen? Sie hat doch bei ihrer Entstehung die Entoderm-Anlagen an ihre Schwesterzelle ab- getreten, wie kommen diese Entoderm-Anlagen und gar die schon früher abgegebenen Ektoderm-Anlagen, in ihre Nach- kommen, die Keimzellen? Meine Antwort habe ich gegeben, sie lautet: sie führen von der Eizelle her eine gewisse Menge von Keimplasma in gebundenem Zustand neben ihrem aktiven Mesoderm-Idioplasma mit sich. De Vries und die Botaniker, welche mit ihm übereinstimmen, halten eine Antwort für über- flüssig. Es steht offenbar Jedem frei, auf die Lösung eines Problems zu verzichten, allein dann kann er nicht den Anspruch erheben, es gelöst zu haben.
Ich komme zu den "Neben-Keimbahnen" von de Vries. Wie oben bereits erwähnt wurde, versteht er darunter solche Zellfolgen, welche durch "adventive Knospen" zu Keimzellen hinleiten. Unter adventiven Knospen versteht man nach Sachs (Vorlesungen p. 579) solche Vegetationspunkte, welche nicht
jenigen Zellen enthalten sein muss, welche Keimzellen den Ur- sprung geben? Ja, wenn eine continuirliche Reihe von Zellen, welche blos „Keimsubstanz“ enthalten, von der Ursprungszelle bis zu den neuen Keimzellen hinführte, dann wäre die Sache ja sehr einfach. Aber so einfach ist sie nur im Falle der Dipteren, in allen übrigen Fällen sind die dazwischen liegenden Zellen, d. h. diejenigen der Keimbahn, nachweislich keine Zellen, die blos Keimplasma enthalten, sondern solche mit ganz bestimmten somatischen Anlagen, und zwar bei Pflanzen ganz ebensowohl als bei Thieren. Man sehe nur den oben abgebildeten Zellenstammbaum für die Onto- genese von Ascaris nigrovenosa (Fig. 16) nach. Wie kommt es denn, dass z. B. bei der Theilung der Ur-Entodermzelle in die erste Entoderm- und erste Mesodermzelle die letztere dennoch im Stande ist, später Nachkommen hervorzubringen, welche „Keimsubstanz“ enthalten, Keimzellen? Sie hat doch bei ihrer Entstehung die Entoderm-Anlagen an ihre Schwesterzelle ab- getreten, wie kommen diese Entoderm-Anlagen und gar die schon früher abgegebenen Ektoderm-Anlagen, in ihre Nach- kommen, die Keimzellen? Meine Antwort habe ich gegeben, sie lautet: sie führen von der Eizelle her eine gewisse Menge von Keimplasma in gebundenem Zustand neben ihrem aktiven Mesoderm-Idioplasma mit sich. De Vries und die Botaniker, welche mit ihm übereinstimmen, halten eine Antwort für über- flüssig. Es steht offenbar Jedem frei, auf die Lösung eines Problems zu verzichten, allein dann kann er nicht den Anspruch erheben, es gelöst zu haben.
Ich komme zu den „Neben-Keimbahnen“ von de Vries. Wie oben bereits erwähnt wurde, versteht er darunter solche Zellfolgen, welche durch „adventive Knospen“ zu Keimzellen hinleiten. Unter adventiven Knospen versteht man nach Sachs (Vorlesungen p. 579) solche Vegetationspunkte, welche nicht
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jenigen Zellen enthalten sein muss, welche Keimzellen den Ur-
sprung geben? Ja, wenn eine continuirliche Reihe von Zellen,
welche blos „Keimsubstanz“ enthalten, von der Ursprungszelle
bis zu den neuen Keimzellen hinführte, dann wäre die Sache
ja sehr einfach. Aber so einfach ist sie nur im Falle der
Dipteren, in allen übrigen Fällen sind die dazwischen liegenden
Zellen, d. h. diejenigen der Keimbahn, nachweislich keine
Zellen, die blos Keimplasma enthalten, sondern solche
mit ganz bestimmten somatischen Anlagen, und zwar
bei Pflanzen ganz ebensowohl als bei Thieren. Man
sehe nur den oben abgebildeten Zellenstammbaum für die Onto-
genese von Ascaris nigrovenosa (Fig. 16) nach. Wie kommt es
denn, dass z. B. bei der Theilung der Ur-Entodermzelle in die
erste Entoderm- und erste Mesodermzelle die letztere dennoch
im Stande ist, später Nachkommen hervorzubringen, welche
„Keimsubstanz“ enthalten, Keimzellen? Sie hat doch bei ihrer
Entstehung die Entoderm-Anlagen an ihre Schwesterzelle ab-
getreten, wie kommen diese Entoderm-Anlagen und gar die
schon früher abgegebenen Ektoderm-Anlagen, in ihre Nach-
kommen, die Keimzellen? Meine Antwort habe ich gegeben,
sie lautet: sie führen von der Eizelle her eine gewisse Menge
von Keimplasma in gebundenem Zustand neben ihrem aktiven
Mesoderm-Idioplasma mit sich. De Vries und die Botaniker,
welche mit ihm übereinstimmen, halten eine Antwort für über-
flüssig. Es steht offenbar Jedem frei, auf die Lösung eines
Problems zu verzichten, allein dann kann er nicht den Anspruch
erheben, es gelöst zu haben.
Ich komme zu den „Neben-Keimbahnen“ von de Vries.
Wie oben bereits erwähnt wurde, versteht er darunter solche
Zellfolgen, welche durch „adventive Knospen“ zu Keimzellen
hinleiten. Unter adventiven Knospen versteht man nach Sachs
(Vorlesungen p. 579) solche Vegetationspunkte, welche nicht
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/301>, abgerufen am 22.11.2024.
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