welche Schlüsse er aus den von ihm für Pflanzen entworfenen Zellen-Stammbäumen zieht.
De Vries unterscheidet "Haupt"- und Neben-Keim- bahnen. Unter ersteren versteht er das, was ich schlechthin als Keimbahnen bezeichnet habe, d. h. die Zellenfolgen, welche normalerweise von der befruchteten Eizelle zu den neuen Keim- zellen (Eizellen, Spermatozoen, Pollenkörnern) hinführen. Als "Neben-Keimbahnen" aber bezeichnet er solche Zellfolgen, welche "durch adventive Knospen" zu Keimzellen hinleiten". Diese Neben-Keimbahnen fehlen nach de Vries den "höheren Thieren", sind im Pflanzenreich aber weit verbreitet, und es wird mir zum Vorwurf gemacht, dass ich denselben nicht ge- bührend Rechnung getragen habe. Der Begriff der "Neben- Keimbahn" beruht, soweit ich sehe, darauf, dass es sich zwar hier auch um regelmässige Keimbahnen handelt, aber um solche, die nicht immer zur Anwendung kommen. Bei vielen niederen Pflanzen, Moosen, Pilzen "können sich nahezu sämmtliche Zellen des Körpers zu neuen Individuen entwickeln", und bei höheren Pflanzen können wenigstens aus gewissen Gewebeformen, seien es jugendliche (meristematische) Zellen oder wohl auch er- wachsene, unter Umständen Knospen bilden, die zur ganzen Pflanze sammt Keimzellen heranwachsen können.
Betrachten wir zuerst die "Haupt-Keimbahnen", so findet de Vries einen durchgreifenden Unterschied in dem Ver- halten dieser Keimbahnen bei den höheren Thieren und den Pflanzen, indem bei ersteren der Zellenstammbaum der Keim- bahn einen "geraden", nur an seinem Gipfel ein wenig verästelten "Baum" darstellt, während er bei den höheren Pflanzen "von seinem Ursprung ab so reich und wiederholt verzweigt ist, dass der Hauptstamm von seinen Ästen oft weit überragt wird, oder richtiger, dass ein eigentlicher Hauptstamm nicht, oder kaum vorhanden ist". Dagegen lässt sich gewiss Nichts einwenden.
welche Schlüsse er aus den von ihm für Pflanzen entworfenen Zellen-Stammbäumen zieht.
De Vries unterscheidet „Haupt“- und Neben-Keim- bahnen. Unter ersteren versteht er das, was ich schlechthin als Keimbahnen bezeichnet habe, d. h. die Zellenfolgen, welche normalerweise von der befruchteten Eizelle zu den neuen Keim- zellen (Eizellen, Spermatozoen, Pollenkörnern) hinführen. Als „Neben-Keimbahnen“ aber bezeichnet er solche Zellfolgen, welche „durch adventive Knospen“ zu Keimzellen hinleiten“. Diese Neben-Keimbahnen fehlen nach de Vries den „höheren Thieren“, sind im Pflanzenreich aber weit verbreitet, und es wird mir zum Vorwurf gemacht, dass ich denselben nicht ge- bührend Rechnung getragen habe. Der Begriff der „Neben- Keimbahn“ beruht, soweit ich sehe, darauf, dass es sich zwar hier auch um regelmässige Keimbahnen handelt, aber um solche, die nicht immer zur Anwendung kommen. Bei vielen niederen Pflanzen, Moosen, Pilzen „können sich nahezu sämmtliche Zellen des Körpers zu neuen Individuen entwickeln“, und bei höheren Pflanzen können wenigstens aus gewissen Gewebeformen, seien es jugendliche (meristematische) Zellen oder wohl auch er- wachsene, unter Umständen Knospen bilden, die zur ganzen Pflanze sammt Keimzellen heranwachsen können.
Betrachten wir zuerst die „Haupt-Keimbahnen“, so findet de Vries einen durchgreifenden Unterschied in dem Ver- halten dieser Keimbahnen bei den höheren Thieren und den Pflanzen, indem bei ersteren der Zellenstammbaum der Keim- bahn einen „geraden“, nur an seinem Gipfel ein wenig verästelten „Baum“ darstellt, während er bei den höheren Pflanzen „von seinem Ursprung ab so reich und wiederholt verzweigt ist, dass der Hauptstamm von seinen Ästen oft weit überragt wird, oder richtiger, dass ein eigentlicher Hauptstamm nicht, oder kaum vorhanden ist“. Dagegen lässt sich gewiss Nichts einwenden.
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welche Schlüsse er aus den von ihm für Pflanzen entworfenen
Zellen-Stammbäumen zieht.
De Vries unterscheidet „Haupt“- und Neben-Keim-
bahnen. Unter ersteren versteht er das, was ich schlechthin
als Keimbahnen bezeichnet habe, d. h. die Zellenfolgen, welche
normalerweise von der befruchteten Eizelle zu den neuen Keim-
zellen (Eizellen, Spermatozoen, Pollenkörnern) hinführen. Als
„Neben-Keimbahnen“ aber bezeichnet er solche Zellfolgen,
welche „durch adventive Knospen“ zu Keimzellen hinleiten“.
Diese Neben-Keimbahnen fehlen nach de Vries den „höheren
Thieren“, sind im Pflanzenreich aber weit verbreitet, und es
wird mir zum Vorwurf gemacht, dass ich denselben nicht ge-
bührend Rechnung getragen habe. Der Begriff der „Neben-
Keimbahn“ beruht, soweit ich sehe, darauf, dass es sich zwar
hier auch um regelmässige Keimbahnen handelt, aber um solche,
die nicht immer zur Anwendung kommen. Bei vielen niederen
Pflanzen, Moosen, Pilzen „können sich nahezu sämmtliche Zellen
des Körpers zu neuen Individuen entwickeln“, und bei höheren
Pflanzen können wenigstens aus gewissen Gewebeformen, seien
es jugendliche (meristematische) Zellen oder wohl auch er-
wachsene, unter Umständen Knospen bilden, die zur ganzen
Pflanze sammt Keimzellen heranwachsen können.
Betrachten wir zuerst die „Haupt-Keimbahnen“, so
findet de Vries einen durchgreifenden Unterschied in dem Ver-
halten dieser Keimbahnen bei den höheren Thieren und den
Pflanzen, indem bei ersteren der Zellenstammbaum der Keim-
bahn einen „geraden“, nur an seinem Gipfel ein wenig verästelten
„Baum“ darstellt, während er bei den höheren Pflanzen „von
seinem Ursprung ab so reich und wiederholt verzweigt ist, dass
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/295>, abgerufen am 22.11.2024.
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