Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

stehung erforderlichen Determinanten in keinen andern Zellen
des Körpers vorhanden sind. Derselbe Schluss wird -- so scheint
mir -- auch für den Fall der Keimzellen unvermeidlich sein;
es muss an dem für die Bildung von Keimzellen nöthigen
Idioplasma, dem Keimplasma fehlen, und dasselbe muss
mindestens in diesen Fällen sich aus somatischem Idio-
plasma nicht herstellen lassen
.

Vielleicht noch zwingender sprechen die Thatsachen bei
den Hydroiden1), weil es sich hier nicht um den Ver-
such einer künstlichen, sondern um eine thatsächlich statt-
findende natürliche Verlegung der Keimstätte handelt.
Wie schon gesagt, entstehen die Keimzellen der Hydroiden
erst sehr spät, erst in einer Entfernung von Hunderten, ja von
Tausenden von Zellgenerationen von der befruchteten Eizelle
ab gerechnet. Bei den Arten mit ausgebildetem Generations-
wechsel bilden sie sich erst in den von einem Polypenstöckchen
hervorknospenden Medusen und zwar an einer ganz bestimmten
Stelle, bei den meisten im Ektoderm des von der Glocke
herabhängenden "Magenstiels" (vergl. Fig. 10). Bei der jungen
Medusenknospe ist noch keine Spur von ihnen zu sehen, ja oft
differenziren sie sich von den übrigen Zellen des Ektoderm's
überhaupt erst, nachdem die Meduse sich schon vom Polypen-
stock losgelöst und zum selbstständigen, freischwimmenden Thier
entwickelt hat. Alsdann wandelt sich ein Theil der Ektoderm-
zellen der bezeichneten Stelle in Eizellen oder Spermazellen um.

Es giebt nun Polypen-Arten, welche zwar in früheren
Zeiten der Art-Entwickelung Medusen als Geschlechtsthiere her-
vorbrachten, bei welchen aber heute diese Medusen sich nicht
mehr loslösen, sondern am Stock sitzen bleiben und somit nicht
mehr der Verbreitung der Geschlechtsprodukte, sondern nur

1) Weismann, "Die Entstehung der Sexualzellen bei den Hydro-
medusen". 40 mit Atlas von 25 Tafeln. Jena 1883.

stehung erforderlichen Determinanten in keinen andern Zellen
des Körpers vorhanden sind. Derselbe Schluss wird — so scheint
mir — auch für den Fall der Keimzellen unvermeidlich sein;
es muss an dem für die Bildung von Keimzellen nöthigen
Idioplasma, dem Keimplasma fehlen, und dasselbe muss
mindestens in diesen Fällen sich aus somatischem Idio-
plasma nicht herstellen lassen
.

Vielleicht noch zwingender sprechen die Thatsachen bei
den Hydroiden1), weil es sich hier nicht um den Ver-
such einer künstlichen, sondern um eine thatsächlich statt-
findende natürliche Verlegung der Keimstätte handelt.
Wie schon gesagt, entstehen die Keimzellen der Hydroiden
erst sehr spät, erst in einer Entfernung von Hunderten, ja von
Tausenden von Zellgenerationen von der befruchteten Eizelle
ab gerechnet. Bei den Arten mit ausgebildetem Generations-
wechsel bilden sie sich erst in den von einem Polypenstöckchen
hervorknospenden Medusen und zwar an einer ganz bestimmten
Stelle, bei den meisten im Ektoderm des von der Glocke
herabhängenden „Magenstiels“ (vergl. Fig. 10). Bei der jungen
Medusenknospe ist noch keine Spur von ihnen zu sehen, ja oft
differenziren sie sich von den übrigen Zellen des Ektoderm’s
überhaupt erst, nachdem die Meduse sich schon vom Polypen-
stock losgelöst und zum selbstständigen, freischwimmenden Thier
entwickelt hat. Alsdann wandelt sich ein Theil der Ektoderm-
zellen der bezeichneten Stelle in Eizellen oder Spermazellen um.

Es giebt nun Polypen-Arten, welche zwar in früheren
Zeiten der Art-Entwickelung Medusen als Geschlechtsthiere her-
vorbrachten, bei welchen aber heute diese Medusen sich nicht
mehr loslösen, sondern am Stock sitzen bleiben und somit nicht
mehr der Verbreitung der Geschlechtsprodukte, sondern nur

1) Weismann, „Die Entstehung der Sexualzellen bei den Hydro-
medusen“. 40 mit Atlas von 25 Tafeln. Jena 1883.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0270" n="246"/>
stehung erforderlichen Determinanten in keinen andern Zellen<lb/>
des Körpers vorhanden sind. Derselbe Schluss wird &#x2014; so scheint<lb/>
mir &#x2014; auch für den Fall der Keimzellen unvermeidlich sein;<lb/><hi rendition="#g">es muss an dem für die Bildung von Keimzellen nöthigen<lb/>
Idioplasma, dem Keimplasma fehlen, und dasselbe muss<lb/>
mindestens in diesen Fällen sich aus somatischem Idio-<lb/>
plasma nicht herstellen lassen</hi>.</p><lb/>
            <p>Vielleicht noch zwingender sprechen die Thatsachen bei<lb/>
den <hi rendition="#g">Hydroiden</hi><note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Weismann</hi>, &#x201E;Die Entstehung der Sexualzellen bei den Hydro-<lb/>
medusen&#x201C;. 4<hi rendition="#sup">0</hi> mit Atlas von 25 Tafeln. Jena 1883.</note>, weil es sich hier nicht um den Ver-<lb/>
such einer künstlichen, sondern um eine thatsächlich statt-<lb/>
findende <hi rendition="#g">natürliche Verlegung der Keimstätte</hi> handelt.<lb/>
Wie schon gesagt, entstehen die Keimzellen der Hydroiden<lb/>
erst sehr spät, erst in einer Entfernung von Hunderten, ja von<lb/>
Tausenden von Zellgenerationen von der befruchteten Eizelle<lb/>
ab gerechnet. Bei den Arten mit ausgebildetem Generations-<lb/>
wechsel bilden sie sich erst in den von einem Polypenstöckchen<lb/>
hervorknospenden Medusen und zwar an einer ganz bestimmten<lb/>
Stelle, bei den meisten im Ektoderm des von der Glocke<lb/>
herabhängenden &#x201E;Magenstiels&#x201C; (vergl. Fig. 10). Bei der jungen<lb/>
Medusenknospe ist noch keine Spur von ihnen zu sehen, ja oft<lb/>
differenziren sie sich von den übrigen Zellen des Ektoderm&#x2019;s<lb/>
überhaupt erst, nachdem die Meduse sich schon vom Polypen-<lb/>
stock losgelöst und zum selbstständigen, freischwimmenden Thier<lb/>
entwickelt hat. Alsdann wandelt sich ein Theil der Ektoderm-<lb/>
zellen der bezeichneten Stelle in Eizellen oder Spermazellen um.</p><lb/>
            <p>Es giebt nun Polypen-Arten, welche zwar in früheren<lb/>
Zeiten der Art-Entwickelung Medusen als Geschlechtsthiere her-<lb/>
vorbrachten, bei welchen aber heute diese Medusen sich nicht<lb/>
mehr loslösen, sondern am Stock sitzen bleiben und somit nicht<lb/>
mehr der Verbreitung der Geschlechtsprodukte, sondern nur<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0270] stehung erforderlichen Determinanten in keinen andern Zellen des Körpers vorhanden sind. Derselbe Schluss wird — so scheint mir — auch für den Fall der Keimzellen unvermeidlich sein; es muss an dem für die Bildung von Keimzellen nöthigen Idioplasma, dem Keimplasma fehlen, und dasselbe muss mindestens in diesen Fällen sich aus somatischem Idio- plasma nicht herstellen lassen. Vielleicht noch zwingender sprechen die Thatsachen bei den Hydroiden 1), weil es sich hier nicht um den Ver- such einer künstlichen, sondern um eine thatsächlich statt- findende natürliche Verlegung der Keimstätte handelt. Wie schon gesagt, entstehen die Keimzellen der Hydroiden erst sehr spät, erst in einer Entfernung von Hunderten, ja von Tausenden von Zellgenerationen von der befruchteten Eizelle ab gerechnet. Bei den Arten mit ausgebildetem Generations- wechsel bilden sie sich erst in den von einem Polypenstöckchen hervorknospenden Medusen und zwar an einer ganz bestimmten Stelle, bei den meisten im Ektoderm des von der Glocke herabhängenden „Magenstiels“ (vergl. Fig. 10). Bei der jungen Medusenknospe ist noch keine Spur von ihnen zu sehen, ja oft differenziren sie sich von den übrigen Zellen des Ektoderm’s überhaupt erst, nachdem die Meduse sich schon vom Polypen- stock losgelöst und zum selbstständigen, freischwimmenden Thier entwickelt hat. Alsdann wandelt sich ein Theil der Ektoderm- zellen der bezeichneten Stelle in Eizellen oder Spermazellen um. Es giebt nun Polypen-Arten, welche zwar in früheren Zeiten der Art-Entwickelung Medusen als Geschlechtsthiere her- vorbrachten, bei welchen aber heute diese Medusen sich nicht mehr loslösen, sondern am Stock sitzen bleiben und somit nicht mehr der Verbreitung der Geschlechtsprodukte, sondern nur 1) Weismann, „Die Entstehung der Sexualzellen bei den Hydro- medusen“. 40 mit Atlas von 25 Tafeln. Jena 1883.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/270
Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/270>, abgerufen am 09.05.2024.