specifische Form anzunehmen." Die "Einheiten" sind also physiologisch veränderliche Grössen, welche immer so thätig sind, wie es das Ganze vorschreibt.
Zur Erklärung der Vererbung reicht die Annahme dieser "physiologischen Einheiten" nicht aus; sie erweist sich schon bei der einfachen Ontogenese, der Differenzirung der Organe als unzureichend, geschweige denn bei der Hinzuziehung der zweielterlichen Vererbung. Aber sie hat das Verdienst, kleinste Lebens-Einheiten als Bausteine des Organismus aufgestellt und darauf den Versuch einer theoretischen Erklärung der Vererbung gegründet zu haben.
Der Erste, der solche kleinste Lebenstheilchen angenommen und mit zwingenden Gründen ihre Existenz erhärtet hatte, war Ernst Brücke gewesen. Wenn er sie auch in seinem bahn- brechenden Aufsatz "Elementarorganismen"1) nicht mit einem besonderen Namen belegte, so trat er doch zuerst gegen das alte Schema der Zelle auf, vor Allem gegen den "flüssigen" Zelleninhalt und zeigte, dass der Körper der Zelle "abgesehen von der Molekülarstruction der organischen Verbindungen" noch eine andere Structur besitzen müsse: "Organisation".
Schon wenige Jahre nach H. Spencer's Principien der Biologie erschien Ch. Darwin's "Pangenesis", als Schluss- capitel seines grossen Werkes über das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Schon allein der enorme Reichthum an Thatsachen der Vererbung, welcher in diesem Buche angehäuft ist, zeigt, wie sein genialer Verfasser bestrebt war, von allen Seiten her in das zu bewältigende, ver- wickelte Problem einzudringen. Wenn Darwin selbst auch seinen theoretischen Aufstellungen den bescheidenen Titel einer "provisorischen Hypothese" gab, so liegt doch jedenfalls hier
1) Wiener Sitzungsberichte vom 10. Okt. 1861. Bd. 44, II, p. 381.
1*
specifische Form anzunehmen.“ Die „Einheiten“ sind also physiologisch veränderliche Grössen, welche immer so thätig sind, wie es das Ganze vorschreibt.
Zur Erklärung der Vererbung reicht die Annahme dieser „physiologischen Einheiten“ nicht aus; sie erweist sich schon bei der einfachen Ontogenese, der Differenzirung der Organe als unzureichend, geschweige denn bei der Hinzuziehung der zweielterlichen Vererbung. Aber sie hat das Verdienst, kleinste Lebens-Einheiten als Bausteine des Organismus aufgestellt und darauf den Versuch einer theoretischen Erklärung der Vererbung gegründet zu haben.
Der Erste, der solche kleinste Lebenstheilchen angenommen und mit zwingenden Gründen ihre Existenz erhärtet hatte, war Ernst Brücke gewesen. Wenn er sie auch in seinem bahn- brechenden Aufsatz „Elementarorganismen“1) nicht mit einem besonderen Namen belegte, so trat er doch zuerst gegen das alte Schema der Zelle auf, vor Allem gegen den „flüssigen“ Zelleninhalt und zeigte, dass der Körper der Zelle „abgesehen von der Molekülarstruction der organischen Verbindungen“ noch eine andere Structur besitzen müsse: „Organisation“.
Schon wenige Jahre nach H. Spencer’s Principien der Biologie erschien Ch. Darwin’s „Pangenesis“, als Schluss- capitel seines grossen Werkes über das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Schon allein der enorme Reichthum an Thatsachen der Vererbung, welcher in diesem Buche angehäuft ist, zeigt, wie sein genialer Verfasser bestrebt war, von allen Seiten her in das zu bewältigende, ver- wickelte Problem einzudringen. Wenn Darwin selbst auch seinen theoretischen Aufstellungen den bescheidenen Titel einer „provisorischen Hypothese“ gab, so liegt doch jedenfalls hier
1) Wiener Sitzungsberichte vom 10. Okt. 1861. Bd. 44, II, p. 381.
1*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0027"n="3"/>
specifische Form anzunehmen.“ Die „Einheiten“ sind also<lb/><hirendition="#g">physiologisch veränderliche</hi> Grössen, welche immer so<lb/>
thätig sind, wie es das Ganze vorschreibt.</p><lb/><p>Zur Erklärung der Vererbung reicht die Annahme dieser<lb/>„physiologischen Einheiten“ nicht aus; sie erweist sich schon<lb/>
bei der einfachen Ontogenese, der Differenzirung der Organe<lb/>
als unzureichend, geschweige denn bei der Hinzuziehung der<lb/>
zweielterlichen Vererbung. Aber sie hat das Verdienst, kleinste<lb/>
Lebens-Einheiten als Bausteine des Organismus aufgestellt und<lb/>
darauf den Versuch einer theoretischen Erklärung der Vererbung<lb/>
gegründet zu haben.</p><lb/><p>Der Erste, der solche kleinste Lebenstheilchen angenommen<lb/>
und mit zwingenden Gründen ihre Existenz erhärtet hatte, war<lb/><hirendition="#g">Ernst Brücke</hi> gewesen. Wenn er sie auch in seinem bahn-<lb/>
brechenden Aufsatz „Elementarorganismen“<noteplace="foot"n="1)">Wiener Sitzungsberichte vom 10. Okt. 1861. Bd. 44, II, p. 381.</note> nicht mit einem<lb/>
besonderen Namen belegte, so trat er doch zuerst gegen das<lb/>
alte Schema der Zelle auf, vor Allem gegen den „flüssigen“<lb/>
Zelleninhalt und zeigte, dass der Körper der Zelle „abgesehen<lb/>
von der Molekülarstruction der organischen Verbindungen“<lb/>
noch eine andere Structur besitzen müsse: „<hirendition="#g">Organisation</hi>“.</p><lb/><p>Schon wenige Jahre nach H. <hirendition="#g">Spencer</hi>’s Principien der<lb/>
Biologie erschien <hirendition="#g">Ch. Darwin</hi>’s „Pangenesis“, als Schluss-<lb/>
capitel seines grossen Werkes über das Variiren der Thiere<lb/>
und Pflanzen im Zustande der Domestication. Schon allein der<lb/>
enorme Reichthum an Thatsachen der Vererbung, welcher in<lb/>
diesem Buche angehäuft ist, zeigt, wie sein genialer Verfasser<lb/>
bestrebt war, von allen Seiten her in das zu bewältigende, ver-<lb/>
wickelte Problem einzudringen. Wenn <hirendition="#g">Darwin</hi> selbst auch<lb/>
seinen theoretischen Aufstellungen den bescheidenen Titel einer<lb/>„provisorischen Hypothese“ gab, so liegt doch jedenfalls hier<lb/><fwplace="bottom"type="sig">1*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[3/0027]
specifische Form anzunehmen.“ Die „Einheiten“ sind also
physiologisch veränderliche Grössen, welche immer so
thätig sind, wie es das Ganze vorschreibt.
Zur Erklärung der Vererbung reicht die Annahme dieser
„physiologischen Einheiten“ nicht aus; sie erweist sich schon
bei der einfachen Ontogenese, der Differenzirung der Organe
als unzureichend, geschweige denn bei der Hinzuziehung der
zweielterlichen Vererbung. Aber sie hat das Verdienst, kleinste
Lebens-Einheiten als Bausteine des Organismus aufgestellt und
darauf den Versuch einer theoretischen Erklärung der Vererbung
gegründet zu haben.
Der Erste, der solche kleinste Lebenstheilchen angenommen
und mit zwingenden Gründen ihre Existenz erhärtet hatte, war
Ernst Brücke gewesen. Wenn er sie auch in seinem bahn-
brechenden Aufsatz „Elementarorganismen“ 1) nicht mit einem
besonderen Namen belegte, so trat er doch zuerst gegen das
alte Schema der Zelle auf, vor Allem gegen den „flüssigen“
Zelleninhalt und zeigte, dass der Körper der Zelle „abgesehen
von der Molekülarstruction der organischen Verbindungen“
noch eine andere Structur besitzen müsse: „Organisation“.
Schon wenige Jahre nach H. Spencer’s Principien der
Biologie erschien Ch. Darwin’s „Pangenesis“, als Schluss-
capitel seines grossen Werkes über das Variiren der Thiere
und Pflanzen im Zustande der Domestication. Schon allein der
enorme Reichthum an Thatsachen der Vererbung, welcher in
diesem Buche angehäuft ist, zeigt, wie sein genialer Verfasser
bestrebt war, von allen Seiten her in das zu bewältigende, ver-
wickelte Problem einzudringen. Wenn Darwin selbst auch
seinen theoretischen Aufstellungen den bescheidenen Titel einer
„provisorischen Hypothese“ gab, so liegt doch jedenfalls hier
1) Wiener Sitzungsberichte vom 10. Okt. 1861. Bd. 44, II, p. 381.
1*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/27>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.