Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

generation eines Wurmes zu Grunde liegt, dem man den Kopf
abgeschnitten hat, oder der sich spontan theilt. Auch hier
müssen den verschiedenen Zellen des Polypenleibes verschiedene
Determinantengruppen der Meduse als inaktives Neben-Idioplasma
beigegeben sein, welche bei der Strobilation aktiv werden und
die höchst complicirte, acht- oder mehrstrahlig gebaute, mit
Augen, Gehörorganen und Riechgrübchen ausgerüstete Meduse
hervorrufen. Der Unterschied von der einfachen Theilung mit
Regeneration liegt nur darin, dass bei ihr die Ersatz-Determi-
nanten der Körperzellen dieselben sind, wie diejenigen waren,
welche diesen Körper aufbauten. Bei der Strobilation muss
das Keimplasma der Ei- und Samenzellen, welche die Geschlechts-
generation, die Meduse, hervorbringt, zweierlei, nicht blos einerlei
Ide enthalten, Polypen- und Medusen-Ide; die Letzteren bleiben
bei der Ontogenese des Polypen zwar inaktiv und nehmen keinen
Theil an der Beherrschung der Zellen, aber sie sind nicht ab-
solut gebunden, sondern zerlegen sich während der Ontogenese
in viele verschiedene Determinantengruppen und vertheilen sich
zugleich auf verschiedene Zellen in regelmässiger und völlig
gesetzmässiger Weise. Es ist sehr wahrscheinlich, dass alle
Zellen des Polypen, sowohl die des Entoderms, als des Ektoderms
mit Neben-Determinanten ausgerüstet sind, so dass jede Polypen-
zelle zugleich die Anlage für irgend einen Theil der Meduse
enthält; doch haben wir darüber keine Gewissheit, da noch
keine Untersuchungen über die Zellfolgen, welche vom Polypen
zur Meduse führen, angestellt worden sind.

Die idioplasmatische Grundlage des Generations-
wechsels muss also in allen Fällen ein Keimplasma mit
mindestens zweierlei verschieden gebauten Iden sein,
von denen abwechselnd die eine und die andere Art
die Beherrschung des sich entwickelnden Wesens über-
nimmt
.


generation eines Wurmes zu Grunde liegt, dem man den Kopf
abgeschnitten hat, oder der sich spontan theilt. Auch hier
müssen den verschiedenen Zellen des Polypenleibes verschiedene
Determinantengruppen der Meduse als inaktives Neben-Idioplasma
beigegeben sein, welche bei der Strobilation aktiv werden und
die höchst complicirte, acht- oder mehrstrahlig gebaute, mit
Augen, Gehörorganen und Riechgrübchen ausgerüstete Meduse
hervorrufen. Der Unterschied von der einfachen Theilung mit
Regeneration liegt nur darin, dass bei ihr die Ersatz-Determi-
nanten der Körperzellen dieselben sind, wie diejenigen waren,
welche diesen Körper aufbauten. Bei der Strobilation muss
das Keimplasma der Ei- und Samenzellen, welche die Geschlechts-
generation, die Meduse, hervorbringt, zweierlei, nicht blos einerlei
Ide enthalten, Polypen- und Medusen-Ide; die Letzteren bleiben
bei der Ontogenese des Polypen zwar inaktiv und nehmen keinen
Theil an der Beherrschung der Zellen, aber sie sind nicht ab-
solut gebunden, sondern zerlegen sich während der Ontogenese
in viele verschiedene Determinantengruppen und vertheilen sich
zugleich auf verschiedene Zellen in regelmässiger und völlig
gesetzmässiger Weise. Es ist sehr wahrscheinlich, dass alle
Zellen des Polypen, sowohl die des Entoderms, als des Ektoderms
mit Neben-Determinanten ausgerüstet sind, so dass jede Polypen-
zelle zugleich die Anlage für irgend einen Theil der Meduse
enthält; doch haben wir darüber keine Gewissheit, da noch
keine Untersuchungen über die Zellfolgen, welche vom Polypen
zur Meduse führen, angestellt worden sind.

Die idioplasmatische Grundlage des Generations-
wechsels muss also in allen Fällen ein Keimplasma mit
mindestens zweierlei verschieden gebauten Iden sein,
von denen abwechselnd die eine und die andere Art
die Beherrschung des sich entwickelnden Wesens über-
nimmt
.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0264" n="240"/>
generation eines Wurmes zu Grunde liegt, dem man den Kopf<lb/>
abgeschnitten hat, oder der sich spontan theilt. Auch hier<lb/>
müssen den verschiedenen Zellen des Polypenleibes verschiedene<lb/>
Determinantengruppen der Meduse als inaktives Neben-Idioplasma<lb/>
beigegeben sein, welche bei der Strobilation aktiv werden und<lb/>
die höchst complicirte, acht- oder mehrstrahlig gebaute, mit<lb/>
Augen, Gehörorganen und Riechgrübchen ausgerüstete Meduse<lb/>
hervorrufen. Der Unterschied von der einfachen Theilung mit<lb/>
Regeneration liegt nur darin, dass bei ihr die Ersatz-Determi-<lb/>
nanten der Körperzellen dieselben sind, wie diejenigen waren,<lb/>
welche diesen Körper aufbauten. Bei der Strobilation muss<lb/>
das Keimplasma der Ei- und Samenzellen, welche die Geschlechts-<lb/>
generation, die Meduse, hervorbringt, zweierlei, nicht blos einerlei<lb/>
Ide enthalten, Polypen- und Medusen-Ide; die Letzteren bleiben<lb/>
bei der Ontogenese des Polypen zwar inaktiv und nehmen keinen<lb/>
Theil an der Beherrschung der Zellen, aber sie sind nicht ab-<lb/>
solut <hi rendition="#g">gebunden</hi>, sondern zerlegen sich während der Ontogenese<lb/>
in viele verschiedene Determinantengruppen und vertheilen sich<lb/>
zugleich auf verschiedene Zellen in regelmässiger und völlig<lb/>
gesetzmässiger Weise. Es ist sehr wahrscheinlich, dass <hi rendition="#g">alle</hi><lb/>
Zellen des Polypen, sowohl die des Entoderms, als des Ektoderms<lb/>
mit Neben-Determinanten ausgerüstet sind, so dass jede Polypen-<lb/>
zelle zugleich die Anlage für irgend einen Theil der Meduse<lb/>
enthält; doch haben wir darüber keine Gewissheit, da noch<lb/>
keine Untersuchungen über die Zellfolgen, welche vom Polypen<lb/>
zur Meduse führen, angestellt worden sind.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Die idioplasmatische Grundlage des Generations-<lb/>
wechsels muss also in allen Fällen ein Keimplasma mit<lb/>
mindestens zweierlei verschieden gebauten Iden sein,<lb/>
von denen abwechselnd die eine und die andere Art<lb/>
die Beherrschung des sich entwickelnden Wesens über-<lb/>
nimmt</hi>.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0264] generation eines Wurmes zu Grunde liegt, dem man den Kopf abgeschnitten hat, oder der sich spontan theilt. Auch hier müssen den verschiedenen Zellen des Polypenleibes verschiedene Determinantengruppen der Meduse als inaktives Neben-Idioplasma beigegeben sein, welche bei der Strobilation aktiv werden und die höchst complicirte, acht- oder mehrstrahlig gebaute, mit Augen, Gehörorganen und Riechgrübchen ausgerüstete Meduse hervorrufen. Der Unterschied von der einfachen Theilung mit Regeneration liegt nur darin, dass bei ihr die Ersatz-Determi- nanten der Körperzellen dieselben sind, wie diejenigen waren, welche diesen Körper aufbauten. Bei der Strobilation muss das Keimplasma der Ei- und Samenzellen, welche die Geschlechts- generation, die Meduse, hervorbringt, zweierlei, nicht blos einerlei Ide enthalten, Polypen- und Medusen-Ide; die Letzteren bleiben bei der Ontogenese des Polypen zwar inaktiv und nehmen keinen Theil an der Beherrschung der Zellen, aber sie sind nicht ab- solut gebunden, sondern zerlegen sich während der Ontogenese in viele verschiedene Determinantengruppen und vertheilen sich zugleich auf verschiedene Zellen in regelmässiger und völlig gesetzmässiger Weise. Es ist sehr wahrscheinlich, dass alle Zellen des Polypen, sowohl die des Entoderms, als des Ektoderms mit Neben-Determinanten ausgerüstet sind, so dass jede Polypen- zelle zugleich die Anlage für irgend einen Theil der Meduse enthält; doch haben wir darüber keine Gewissheit, da noch keine Untersuchungen über die Zellfolgen, welche vom Polypen zur Meduse führen, angestellt worden sind. Die idioplasmatische Grundlage des Generations- wechsels muss also in allen Fällen ein Keimplasma mit mindestens zweierlei verschieden gebauten Iden sein, von denen abwechselnd die eine und die andere Art die Beherrschung des sich entwickelnden Wesens über- nimmt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/264
Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/264>, abgerufen am 22.11.2024.