blosse Hypothese, sondern nur ein verallgemeinerter Ausdruck der Thatsachen", und an einer anderen Stelle, es sei zwar wohl "schwierig", sich die Regeneration nach Art eines Krystallisations- Processes vorzustellen, aber "wir sehen, dass es so ist"; allein gerade dieses muss ich bestreiten. Wir sehen, dass es manchmal so ist, oder besser, dass es so aussieht, aber wir sehen auch, dass es häufig nicht so ist. Wären die "Ein- heiten" des Körpers fähig, sich unter dem Einfluss des Ganzen beliebig umzugestalten und zu dem gerade fehlenden Theil zu krystallisiren, so müssten sie dies bei allen Arten thun können und bei allen Organen. Dies ist aber gerade nicht der Fall. Das Bein des Salamanders regenerirt sich, das der Eidechse aber thut es nicht. Ich werde im speciellen Theil dieses Abschnittes noch genauer zeigen können, dass Regeneration nicht auf einem allgemeinen Vermögen des thierischen Körpers, sondern dass es auf besonderer Anpassung beruht.
Ich will darauf verzichten, auch für die Regeneration eines einzelnen Knochens, z. B. des Oberarm-Knochens ein Schema zu entwerfen, aus welchem zu ersehen wäre, welche Ersatz- Determinanten jeder der den Knochen zusammensetzenden Zellen beigegeben sein muss, damit Regeneration von jeder Stelle des Knochens aus erfolgen kann. Das oben gegebene Schema für den ganzen Arm genügt wohl, um das Erklärungsprincip deut- lich zu machen, und im Einzelnen ist ja eine Annäherung an die thatsächlichen Verhältnisse überhaupt nicht zu erreichen, wie ja schon ein Vergleich der hier angenommenen und der in Wirklichkeit den Knochen aufbauenden Zellenziffern ergiebt. Ich habe deshalb auch gar keinen Versuch gemacht, die feineren Verhältnisse der Histologie mit hereinzuziehen und etwa die Qualität der zur Regeneration befähigten Zellen, ob es solche des Periost's oder des Knochens selbst, ob es alle oder nur gewisse Zellen sind, zu bestimmen. Es kam hier nur darauf
blosse Hypothese, sondern nur ein verallgemeinerter Ausdruck der Thatsachen“, und an einer anderen Stelle, es sei zwar wohl „schwierig“, sich die Regeneration nach Art eines Krystallisations- Processes vorzustellen, aber „wir sehen, dass es so ist“; allein gerade dieses muss ich bestreiten. Wir sehen, dass es manchmal so ist, oder besser, dass es so aussieht, aber wir sehen auch, dass es häufig nicht so ist. Wären die „Ein- heiten“ des Körpers fähig, sich unter dem Einfluss des Ganzen beliebig umzugestalten und zu dem gerade fehlenden Theil zu krystallisiren, so müssten sie dies bei allen Arten thun können und bei allen Organen. Dies ist aber gerade nicht der Fall. Das Bein des Salamanders regenerirt sich, das der Eidechse aber thut es nicht. Ich werde im speciellen Theil dieses Abschnittes noch genauer zeigen können, dass Regeneration nicht auf einem allgemeinen Vermögen des thierischen Körpers, sondern dass es auf besonderer Anpassung beruht.
Ich will darauf verzichten, auch für die Regeneration eines einzelnen Knochens, z. B. des Oberarm-Knochens ein Schema zu entwerfen, aus welchem zu ersehen wäre, welche Ersatz- Determinanten jeder der den Knochen zusammensetzenden Zellen beigegeben sein muss, damit Regeneration von jeder Stelle des Knochens aus erfolgen kann. Das oben gegebene Schema für den ganzen Arm genügt wohl, um das Erklärungsprincip deut- lich zu machen, und im Einzelnen ist ja eine Annäherung an die thatsächlichen Verhältnisse überhaupt nicht zu erreichen, wie ja schon ein Vergleich der hier angenommenen und der in Wirklichkeit den Knochen aufbauenden Zellenziffern ergiebt. Ich habe deshalb auch gar keinen Versuch gemacht, die feineren Verhältnisse der Histologie mit hereinzuziehen und etwa die Qualität der zur Regeneration befähigten Zellen, ob es solche des Periost’s oder des Knochens selbst, ob es alle oder nur gewisse Zellen sind, zu bestimmen. Es kam hier nur darauf
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0164"n="140"/>
blosse Hypothese, sondern nur ein verallgemeinerter Ausdruck<lb/>
der Thatsachen“, und an einer anderen Stelle, es sei zwar wohl<lb/>„schwierig“, sich die Regeneration nach Art eines Krystallisations-<lb/>
Processes vorzustellen, aber „<hirendition="#g">wir sehen, dass es so ist</hi>“;<lb/>
allein gerade dieses muss ich bestreiten. Wir sehen, dass es<lb/><hirendition="#g">manchmal</hi> so ist, oder besser, dass es so aussieht, aber wir<lb/>
sehen auch, dass es häufig <hirendition="#g">nicht so ist</hi>. Wären die „Ein-<lb/>
heiten“ des Körpers fähig, sich unter dem Einfluss des Ganzen<lb/>
beliebig umzugestalten und zu dem gerade fehlenden Theil zu<lb/>
krystallisiren, so müssten sie dies bei allen Arten thun können<lb/>
und bei allen Organen. Dies ist aber gerade nicht der Fall.<lb/>
Das Bein des Salamanders regenerirt sich, das der Eidechse aber<lb/>
thut es nicht. Ich werde im speciellen Theil dieses Abschnittes<lb/>
noch genauer zeigen können, dass Regeneration nicht auf einem<lb/><hirendition="#g">allgemeinen</hi> Vermögen des thierischen Körpers, sondern dass<lb/>
es auf besonderer Anpassung beruht.</p><lb/><p>Ich will darauf verzichten, auch für die Regeneration eines<lb/>
einzelnen Knochens, z. B. des Oberarm-Knochens ein Schema<lb/>
zu entwerfen, aus welchem zu ersehen wäre, welche Ersatz-<lb/>
Determinanten jeder der den Knochen zusammensetzenden Zellen<lb/>
beigegeben sein muss, damit Regeneration von jeder Stelle des<lb/>
Knochens aus erfolgen kann. Das oben gegebene Schema für<lb/>
den ganzen Arm genügt wohl, um das Erklärungsprincip deut-<lb/>
lich zu machen, und im Einzelnen ist ja eine Annäherung an<lb/>
die thatsächlichen Verhältnisse überhaupt nicht zu erreichen, wie<lb/>
ja schon ein Vergleich der hier angenommenen und der in<lb/>
Wirklichkeit den Knochen aufbauenden Zellenziffern ergiebt.<lb/>
Ich habe deshalb auch gar keinen Versuch gemacht, die feineren<lb/>
Verhältnisse der Histologie mit hereinzuziehen und etwa die<lb/>
Qualität der zur Regeneration befähigten Zellen, ob es solche<lb/>
des Periost’s oder des Knochens selbst, ob es alle oder nur<lb/>
gewisse Zellen sind, zu bestimmen. Es kam hier nur darauf<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[140/0164]
blosse Hypothese, sondern nur ein verallgemeinerter Ausdruck
der Thatsachen“, und an einer anderen Stelle, es sei zwar wohl
„schwierig“, sich die Regeneration nach Art eines Krystallisations-
Processes vorzustellen, aber „wir sehen, dass es so ist“;
allein gerade dieses muss ich bestreiten. Wir sehen, dass es
manchmal so ist, oder besser, dass es so aussieht, aber wir
sehen auch, dass es häufig nicht so ist. Wären die „Ein-
heiten“ des Körpers fähig, sich unter dem Einfluss des Ganzen
beliebig umzugestalten und zu dem gerade fehlenden Theil zu
krystallisiren, so müssten sie dies bei allen Arten thun können
und bei allen Organen. Dies ist aber gerade nicht der Fall.
Das Bein des Salamanders regenerirt sich, das der Eidechse aber
thut es nicht. Ich werde im speciellen Theil dieses Abschnittes
noch genauer zeigen können, dass Regeneration nicht auf einem
allgemeinen Vermögen des thierischen Körpers, sondern dass
es auf besonderer Anpassung beruht.
Ich will darauf verzichten, auch für die Regeneration eines
einzelnen Knochens, z. B. des Oberarm-Knochens ein Schema
zu entwerfen, aus welchem zu ersehen wäre, welche Ersatz-
Determinanten jeder der den Knochen zusammensetzenden Zellen
beigegeben sein muss, damit Regeneration von jeder Stelle des
Knochens aus erfolgen kann. Das oben gegebene Schema für
den ganzen Arm genügt wohl, um das Erklärungsprincip deut-
lich zu machen, und im Einzelnen ist ja eine Annäherung an
die thatsächlichen Verhältnisse überhaupt nicht zu erreichen, wie
ja schon ein Vergleich der hier angenommenen und der in
Wirklichkeit den Knochen aufbauenden Zellenziffern ergiebt.
Ich habe deshalb auch gar keinen Versuch gemacht, die feineren
Verhältnisse der Histologie mit hereinzuziehen und etwa die
Qualität der zur Regeneration befähigten Zellen, ob es solche
des Periost’s oder des Knochens selbst, ob es alle oder nur
gewisse Zellen sind, zu bestimmen. Es kam hier nur darauf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/164>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.