Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693. Vitr. Und wem ers zu dancken hat/ daher mag er auch seine Entschuldigung su- chen. Jch sag es noch einmahl/ die verzagte resolution bringet mich so weit/ daß ich von seiner Person ins künfftige anders raisoniren werde. (geht ab.) Del. Man hat gut zu raisoniren/ so lange man in gutem Glücke fremdes Unglück verspotten kan. (geht ab.) Amb. Bruder/ unser Herr Hauptmann war itzund nicht wol zu sprechen. Gaut. Jch bin selber der Gedancken/ es hätte so einem grossen Herrn besser an- gestanden/ daß er sich liesse den Tod an- thun/ als daß er so bettelmäntsch zum Creutze kreucht. Amb. Bruder/ bistu auch schon einmahl gestorben? Gaut. Das kan ich lernen/ weil ich lebe. Amb. Ach glaube mirs/ es spricht man- cher/ ehe er das oder jenes thäte/ so wolte er lieber in den Tod gehen. Aber wenn es so weit kömmt/ so klinget die Spra- che gar anders. Wir thun alles mit einander/ nur daß wir mit dem Leben davon kommen. Gaut. Y 3
Vitr. Und wem ers zu dancken hat/ daher mag er auch ſeine Entſchuldigung ſu- chen. Jch ſag es noch einmahl/ die verzagte reſolution bringet mich ſo weit/ daß ich von ſeiner Perſon ins kuͤnfftige anders raiſoniren werde. (geht ab.) Del. Man hat gut zu raiſoniren/ ſo lange man in gutem Gluͤcke fremdes Ungluͤck verſpotten kan. (geht ab.) Amb. Bruder/ unſer Herr Hauptmann war itzund nicht wol zu ſprechen. Gaut. Jch bin ſelber der Gedancken/ es haͤtte ſo einem groſſen Herrn beſſer an- geſtanden/ daß er ſich lieſſe den Tod an- thun/ als daß er ſo bettelmaͤntſch zum Creutze kreucht. Amb. Bruder/ biſtu auch ſchon einmahl geſtorben? Gaut. Das kan ich lernen/ weil ich lebe. Amb. Ach glaube mirs/ es ſpricht man- cher/ ehe er das oder jenes thaͤte/ ſo wolte er lieber in den Tod gehen. Aber wenn es ſo weit koͤmmt/ ſo klinget die Spra- che gar anders. Wir thun alles mit einander/ nur daß wir mit dem Leben davon kommen. Gaut. Y 3
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Vitr. Und wem ers zu dancken hat/ daher
mag er auch ſeine Entſchuldigung ſu-
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verzagte reſolution bringet mich ſo weit/
daß ich von ſeiner Perſon ins kuͤnfftige
anders raiſoniren werde. (geht ab.)
Del. Man hat gut zu raiſoniren/ ſo lange
man in gutem Gluͤcke fremdes Ungluͤck
verſpotten kan. (geht ab.)
Amb. Bruder/ unſer Herr Hauptmann
war itzund nicht wol zu ſprechen.
Gaut. Jch bin ſelber der Gedancken/ es
haͤtte ſo einem groſſen Herrn beſſer an-
geſtanden/ daß er ſich lieſſe den Tod an-
thun/ als daß er ſo bettelmaͤntſch zum
Creutze kreucht.
Amb. Bruder/ biſtu auch ſchon einmahl
geſtorben?
Gaut. Das kan ich lernen/ weil ich lebe.
Amb. Ach glaube mirs/ es ſpricht man-
cher/ ehe er das oder jenes thaͤte/ ſo wolte
er lieber in den Tod gehen. Aber wenn
es ſo weit koͤmmt/ ſo klinget die Spra-
che gar anders. Wir thun alles mit
einander/ nur daß wir mit dem Leben
davon kommen.
Gaut.
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693/671>, abgerufen am 23.06.2024. |