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Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693.

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nicht stehen/ daß ihr die Klugheit wollet
zur Narrheit machen.
Mischm. Wir müssen einander recht ver-
stehen/ die Politic ist entweder eine
Klugheit/ und also bin ich klüger als ihr/
oder sie ist eine Narrheit/ und so bin ich
närrischer als ihr.
Qver. Jch begehre meinen Wolthäter
an seinem Nahmens-Tage nicht zu
schimpffen/ sonst weiß er wol/ daß ich
gar unleidlich bin.
Mischm. Wer unleidlich ist/ der ist kein
Politicus. Zu Hofe muß man viel in-
jurien
einfressen/ und muß noch grossen
Danck dazu sagen/ man muß viel dissi-
muli
ren/ man muß viel bittere Pillen
vor Bisen-Kugeln verschlingen. O
mein guter Freund/ auff diesem Hand-
wercke seyd ihr noch kein Meister/ komt/
komt/ und laßt euch ein Gläßgen Wein
davor schmecken/ das werdet ihr besser
können.
(Er sühret ihn hinein.)
Misch. Aber wer wil ein Studiosus Theo-
logiae
seyn?
Mod. Das bin ich.
Misch. Nun ihr seht doch bald so aus/ als
wenn
nicht ſtehen/ daß ihr die Klugheit wollet
zur Narrheit machen.
Miſchm. Wir muͤſſen einander recht ver-
ſtehen/ die Politic iſt entweder eine
Klugheit/ und alſo bin ich kluͤger als ihr/
oder ſie iſt eine Narrheit/ und ſo bin ich
naͤrriſcher als ihr.
Qver. Jch begehre meinen Wolthaͤter
an ſeinem Nahmens-Tage nicht zu
ſchimpffen/ ſonſt weiß er wol/ daß ich
gar unleidlich bin.
Miſchm. Wer unleidlich iſt/ der iſt kein
Politicus. Zu Hofe muß man viel in-
jurien
einfreſſen/ und muß noch groſſen
Danck dazu ſagen/ man muß viel diſſi-
muli
ren/ man muß viel bittere Pillen
vor Biſen-Kugeln verſchlingen. O
mein guter Freund/ auff dieſem Hand-
wercke ſeyd ihr noch kein Meiſter/ komt/
komt/ und laßt euch ein Glaͤßgen Wein
davor ſchmecken/ das werdet ihr beſſer
koͤnnen.
(Er ſuͤhret ihn hinein.)
Miſch. Aber wer wil ein Studioſus Theo-
logiæ
ſeyn?
Mod. Das bin ich.
Miſch. Nun ihr ſeht doch bald ſo aus/ als
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[832/1000] nicht ſtehen/ daß ihr die Klugheit wollet zur Narrheit machen. Miſchm. Wir muͤſſen einander recht ver- ſtehen/ die Politic iſt entweder eine Klugheit/ und alſo bin ich kluͤger als ihr/ oder ſie iſt eine Narrheit/ und ſo bin ich naͤrriſcher als ihr. Qver. Jch begehre meinen Wolthaͤter an ſeinem Nahmens-Tage nicht zu ſchimpffen/ ſonſt weiß er wol/ daß ich gar unleidlich bin. Miſchm. Wer unleidlich iſt/ der iſt kein Politicus. Zu Hofe muß man viel in- jurien einfreſſen/ und muß noch groſſen Danck dazu ſagen/ man muß viel diſſi- muliren/ man muß viel bittere Pillen vor Biſen-Kugeln verſchlingen. O mein guter Freund/ auff dieſem Hand- wercke ſeyd ihr noch kein Meiſter/ komt/ komt/ und laßt euch ein Glaͤßgen Wein davor ſchmecken/ das werdet ihr beſſer koͤnnen. (Er ſuͤhret ihn hinein.) Miſch. Aber wer wil ein Studioſus Theo- logiæ ſeyn? Mod. Das bin ich. Miſch. Nun ihr ſeht doch bald ſo aus/ als wenn

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693, S. 832. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693/1000>, abgerufen am 16.06.2024.