Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Der beschützten Unschuld gel nicht mit meiner stirne aufgefangen habe; so hätteich doch das liebreiche andencken meiner in hoffnung liebsten Leonore mit in den tod genommen: Da ich nun eben so wol sterben/ und darzu unvergnügt sterben muß. (Er geht etwas in gedancken fort/ Flavio sprin- get mit blossem gewehr hervor/ und hat das gesichte mit einer Masque verdeckt) Flav. Ha du verräther bistu in meiner gewalt? Cam. Sieh da Borgia kömmstu selbst? wilstu dei- ne augen an meinem tode weiden. Flav. Komm her und laß dich vor deine bubenstücke straffen. Cam. Wolan ich wil meine kräffte zuletzt noch ver- sammlen/ und diesen trost mit in den tod nehmen/ daß Borgia mich nicht überleben sol. (Sie fallen einander an/ endlich nach lan- gem gefechte unterläufft Camillo den Flavio/ reisset ihm den degen aus der faust/ und zeucht ihm die Masque vom gesichte: wie er den Fla- vio erkennet/ springt er zurück/ und lässet ihn auff.) Cam. Ach Flavio/ zu dieser missethat habt ihr mich gebracht. Flav. O du schaum von allen rechtschaffenen men- schen/ wilstu nun zum Banditen werden/ und unser land verrathen. Cam. Liebster Flavio/ die Masque hat mich verfüh- ret/ daß ich mich wider meinen freund versündiget ha- be: Hier ist das blosse gewehr/ hier ist meine blosse brust. Was meine hand geirret hat/ das sol mein blut abwa- schen. Flav. Dein blut ist viel zu wenig alle verrätherey abzu-
Der beſchuͤtzten Unſchuld gel nicht mit meiner ſtirne aufgefangen habe; ſo haͤtteich doch das liebreiche andencken meiner in hoffnung liebſten Leonore mit in den tod genommen: Da ich nun eben ſo wol ſterbẽ/ und darzu unvergnuͤgt ſterben muß. (Er geht etwas in gedanckẽ fort/ Flavio ſprin- get mit bloſſem gewehr hervor/ und hat das geſichte mit einer Maſque verdeckt) Flav. Ha du verꝛaͤther biſtu in meiner gewalt? Cam. Sieh da Borgia koͤmmſtu ſelbſt? wilſtu dei- ne augen an meinem tode weiden. Flav. Kom̃ her und laß dich vor deine bubenſtuͤcke ſtraffen. Cam. Wolan ich wil meine kraͤffte zuletzt noch ver- ſammlen/ und dieſen troſt mit in den tod nehmen/ daß Borgia mich nicht uͤberleben ſol. (Sie fallen einander an/ endlich nach lan- gem gefechte unterlaͤufft Camillo den Flavio/ reiſſet ihm den degen aus der fauſt/ und zeucht ihm die Maſque vom geſichte: wie er den Fla- vio erkennet/ ſpringt er zuruͤck/ und laͤſſet ihn auff.) Cam. Ach Flavio/ zu dieſer miſſethat habt ihr mich gebracht. Flav. O du ſchaum von allen rechtſchaffenen men- ſchen/ wilſtu nun zum Banditen werden/ und unſer land verrathen. Cam. Liebſter Flavio/ die Maſque hat mich verfuͤh- ret/ daß ich mich wider meinen fꝛeund verſuͤndiget ha- be: Hier iſt das bloſſe gewehr/ hier iſt meine bloſſe bꝛuſt. Was meine hand geirret hat/ das ſol mein blut abwa- ſchen. Flav. Dein blut iſt viel zu wenig alle verꝛaͤtherey abzu-
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Der beſchuͤtzten Unſchuld
gel nicht mit meiner ſtirne aufgefangen habe; ſo haͤtte
ich doch das liebreiche andencken meiner in hoffnung
liebſten Leonore mit in den tod genommen: Da ich nun
eben ſo wol ſterbẽ/ und darzu unvergnuͤgt ſterben muß.
(Er geht etwas in gedanckẽ fort/ Flavio ſprin-
get mit bloſſem gewehr hervor/ und hat das
geſichte mit einer Maſque verdeckt)
Flav. Ha du verꝛaͤther biſtu in meiner gewalt?
Cam. Sieh da Borgia koͤmmſtu ſelbſt? wilſtu dei-
ne augen an meinem tode weiden.
Flav. Kom̃ her und laß dich vor deine bubenſtuͤcke
ſtraffen.
Cam. Wolan ich wil meine kraͤffte zuletzt noch ver-
ſammlen/ und dieſen troſt mit in den tod nehmen/ daß
Borgia mich nicht uͤberleben ſol.
(Sie fallen einander an/ endlich nach lan-
gem gefechte unterlaͤufft Camillo den Flavio/
reiſſet ihm den degen aus der fauſt/ und zeucht
ihm die Maſque vom geſichte: wie er den Fla-
vio erkennet/ ſpringt er zuruͤck/ und laͤſſet ihn
auff.)
Cam. Ach Flavio/ zu dieſer miſſethat habt ihr mich
gebracht.
Flav. O du ſchaum von allen rechtſchaffenen men-
ſchen/ wilſtu nun zum Banditen werden/ und unſer
land verrathen.
Cam. Liebſter Flavio/ die Maſque hat mich verfuͤh-
ret/ daß ich mich wider meinen fꝛeund verſuͤndiget ha-
be: Hier iſt das bloſſe gewehr/ hier iſt meine bloſſe bꝛuſt.
Was meine hand geirret hat/ das ſol mein blut abwa-
ſchen.
Flav. Dein blut iſt viel zu wenig alle verꝛaͤtherey
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/554>, abgerufen am 26.06.2024. |