Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Uberfl. gedancken andere gattung 4. Mein kind/ es mag wol seyn daß ich zu kühne bin/ Jedoch verlaß ich mich auff deinen guten sinn/ Der hat mir allezeit die zuversicht gelassen/ Als kontestu mich nicht in meiner einfalt hassen 5. Ach hätt ich nur die zeit noch besser angewendt/ Und hät ich deinen sinn ein bißgen eh erkennt/ So würdestu vielleicht mit beßerm grunde wissen/ Daß mir die worte recht aus meinem hertzen flissen. 6. Jch sehe dirs wol an/ du traust in allen nicht/ (spricht. Wenn gleich mein frommer mund von treu und freundschafft Das machts ich hätte noch ein jahr verzieyen sollen/ So hätten wir gewiß bekanter werden wollen. 7. Jnzwischen weil die zeit mit mir ein ende macht/ So bring ich nun betrübt die letzte gute nacht/ Der himmel decke dich mit segen auß der höhe Daß alles weil du lebst/ nach deinem wunsche gehe. 8. Nur schaue mich mein kind abwesend gütig an/ Daß ich in freud und leid von dir erfahren kan/ Ob ich mich freuen sol/ ob ich mich sol bekrüben? Also wil ich dein glück mehr als mich selber lieben 9. Hiermit zu guter nacht/ nur laß mir willig zu Daß ich mein letztes wort in diesem liede thu/ Die thränen möchten sonst aus meinen augen brechen/ Und solches würde mir manch klügling übel sprechen. 10. Drum sprech ich kurtz und gut/ mein kind gehab dich Bedencke was ich nun mit dir verlassen sol/ (wol/ Und weil ich meine pflicht in worten nicht erweise/ So gieb mir liebstes kind/ ein blickgen auf die reise. Lis. Es ist mir leid vor den armen stümper. Fill. Und ich bethaure das frauenzimmer/ wo sie bey dem schmertzlichen scheiden mit geweint hat. Gill. Undich beklage mich/ daß ich einem bekandten freunde zu gefallen so viel grillen gefangen habe. Lis. Jch muß mich aber wundern wo er die verlieb- ten einfälle hernimmt. Gill. Jch wilitz ein stückgen bekennen/ das ich sonst mei-
Uberfl. gedancken andere gattung 4. Mein kind/ es mag wol ſeyn daß ich zu kuͤhne bin/ Jedoch verlaß ich mich auff deinen guten ſinn/ Der hat mir allezeit die zuverſicht gelaſſen/ Als konteſtu mich nicht in meiner einfalt haſſen 5. Ach haͤtt ich nur die zeit noch beſſer angewendt/ Und haͤt ich deinen ſinn ein bißgen eh erkennt/ So wuͤrdeſtu vielleicht mit beßerm grunde wiſſen/ Daß mir die worte recht aus meinem hertzen fliſſen. 6. Jch ſehe dirs wol an/ du trauſt in allen nicht/ (ſpricht. Wenn gleich mein from̃er mund von treu und freundſchafft Das machts ich haͤtte noch ein jahr verzieyen ſollen/ So haͤtten wir gewiß bekanter werden wollen. 7. Jnzwiſchen weil die zeit mit mir ein ende macht/ So bring ich nun betruͤbt die letzte gute nacht/ Der himmel decke dich mit ſegen auß der hoͤhe Daß alles weil du lebſt/ nach deinem wunſche gehe. 8. Nur ſchaue mich mein kind abweſend guͤtig an/ Daß ich in freud und leid von dir erfahren kan/ Ob ich mich freuen ſol/ ob ich mich ſol bekruͤben? Alſo wil ich dein gluͤck mehr als mich ſelber lieben 9. Hiermit zu guter nacht/ nur laß mir willig zu Daß ich mein letztes wort in dieſem liede thu/ Die thraͤnen moͤchten ſonſt aus meinen augen brechen/ Und ſolches wuͤrde mir manch kluͤgling uͤbel ſprechen. 10. Drum ſprech ich kurtz und gut/ mein kind gehab dich Bedencke was ich nun mit dir verlaſſen ſol/ (wol/ Und weil ich meine pflicht in worten nicht erweiſe/ So gieb mir liebſtes kind/ ein blickgen auf die reiſe. Liſ. Es iſt mir leid vor den armen ſtuͤmper. Fill. Und ich bethaure das frauenzimmer/ wo ſie bey dem ſchmertzlichen ſcheiden mit geweint hat. Gill. Undich beklage mich/ daß ich einem bekandten freunde zu gefallen ſo viel grillen gefangen habe. Liſ. Jch muß mich aber wundern wo er die verlieb- ten einfaͤlle hernimmt. Gill. Jch wilitz ein ſtuͤckgen bekennen/ das ich ſonſt mei-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp> <lg type="poem"> <pb facs="#f0414" n="398"/> <fw place="top" type="header">Uberfl. gedancken andere gattung</fw><lb/> <lg n="4"> <l>4. Mein kind/ es mag wol ſeyn daß ich zu kuͤhne bin/</l><lb/> <l>Jedoch verlaß ich mich auff deinen guten ſinn/</l><lb/> <l>Der hat mir allezeit die zuverſicht gelaſſen/</l><lb/> <l>Als konteſtu mich nicht in meiner einfalt haſſen</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>5. Ach haͤtt ich nur die zeit noch beſſer angewendt/</l><lb/> <l>Und haͤt ich deinen ſinn ein bißgen eh erkennt/</l><lb/> <l>So wuͤrdeſtu vielleicht mit beßerm grunde wiſſen/</l><lb/> <l>Daß mir die worte recht aus meinem hertzen fliſſen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>6. Jch ſehe dirs wol an/ du trauſt in allen nicht/ (ſpricht.</l><lb/> <l>Wenn gleich mein from̃er mund von treu und freundſchafft</l><lb/> <l>Das machts ich haͤtte noch ein jahr verzieyen ſollen/</l><lb/> <l>So haͤtten wir gewiß bekanter werden wollen.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>7. Jnzwiſchen weil die zeit mit mir ein ende macht/</l><lb/> <l>So bring ich nun betruͤbt die letzte gute nacht/</l><lb/> <l>Der himmel decke dich mit ſegen auß der hoͤhe</l><lb/> <l>Daß alles weil du lebſt/ nach deinem wunſche gehe.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>8. Nur ſchaue mich mein kind abweſend guͤtig an/</l><lb/> <l>Daß ich in freud und leid von dir erfahren kan/</l><lb/> <l>Ob ich mich freuen ſol/ ob ich mich ſol bekruͤben?</l><lb/> <l>Alſo wil ich dein gluͤck mehr als mich ſelber lieben</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>9. Hiermit zu guter nacht/ nur laß mir willig zu</l><lb/> <l>Daß ich mein letztes wort in dieſem liede thu/</l><lb/> <l>Die thraͤnen moͤchten ſonſt aus meinen augen brechen/</l><lb/> <l>Und ſolches wuͤrde mir manch kluͤgling uͤbel ſprechen.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>10. Drum ſprech ich kurtz und gut/ mein kind gehab dich</l><lb/> <l>Bedencke was ich nun mit dir verlaſſen ſol/ <hi rendition="#et">(wol/</hi></l><lb/> <l>Und weil ich meine pflicht in worten nicht erweiſe/</l><lb/> <l>So gieb mir liebſtes kind/ ein blickgen auf die reiſe.</l> </lg> </lg> </sp><lb/> <sp> <speaker>Liſ.</speaker> <p>Es iſt mir leid vor den armen ſtuͤmper.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker>Fill.</speaker> <p>Und ich bethaure das frauenzimmer/ wo ſie<lb/> bey dem ſchmertzlichen ſcheiden mit geweint hat.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker>Gill.</speaker> <p>Undich beklage mich/ daß ich einem bekandten<lb/> freunde zu gefallen ſo viel grillen gefangen habe.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker>Liſ.</speaker> <p>Jch muß mich aber wundern wo er die verlieb-<lb/> ten einfaͤlle hernimmt.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker>Gill.</speaker> <p>Jch wilitz ein ſtuͤckgen bekennen/ das ich ſonſt<lb/> <fw place="bottom" type="catch">mei-</fw><lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [398/0414]
Uberfl. gedancken andere gattung
4. Mein kind/ es mag wol ſeyn daß ich zu kuͤhne bin/
Jedoch verlaß ich mich auff deinen guten ſinn/
Der hat mir allezeit die zuverſicht gelaſſen/
Als konteſtu mich nicht in meiner einfalt haſſen
5. Ach haͤtt ich nur die zeit noch beſſer angewendt/
Und haͤt ich deinen ſinn ein bißgen eh erkennt/
So wuͤrdeſtu vielleicht mit beßerm grunde wiſſen/
Daß mir die worte recht aus meinem hertzen fliſſen.
6. Jch ſehe dirs wol an/ du trauſt in allen nicht/ (ſpricht.
Wenn gleich mein from̃er mund von treu und freundſchafft
Das machts ich haͤtte noch ein jahr verzieyen ſollen/
So haͤtten wir gewiß bekanter werden wollen.
7. Jnzwiſchen weil die zeit mit mir ein ende macht/
So bring ich nun betruͤbt die letzte gute nacht/
Der himmel decke dich mit ſegen auß der hoͤhe
Daß alles weil du lebſt/ nach deinem wunſche gehe.
8. Nur ſchaue mich mein kind abweſend guͤtig an/
Daß ich in freud und leid von dir erfahren kan/
Ob ich mich freuen ſol/ ob ich mich ſol bekruͤben?
Alſo wil ich dein gluͤck mehr als mich ſelber lieben
9. Hiermit zu guter nacht/ nur laß mir willig zu
Daß ich mein letztes wort in dieſem liede thu/
Die thraͤnen moͤchten ſonſt aus meinen augen brechen/
Und ſolches wuͤrde mir manch kluͤgling uͤbel ſprechen.
10. Drum ſprech ich kurtz und gut/ mein kind gehab dich
Bedencke was ich nun mit dir verlaſſen ſol/ (wol/
Und weil ich meine pflicht in worten nicht erweiſe/
So gieb mir liebſtes kind/ ein blickgen auf die reiſe.
Liſ. Es iſt mir leid vor den armen ſtuͤmper.
Fill. Und ich bethaure das frauenzimmer/ wo ſie
bey dem ſchmertzlichen ſcheiden mit geweint hat.
Gill. Undich beklage mich/ daß ich einem bekandten
freunde zu gefallen ſo viel grillen gefangen habe.
Liſ. Jch muß mich aber wundern wo er die verlieb-
ten einfaͤlle hernimmt.
Gill. Jch wilitz ein ſtuͤckgen bekennen/ das ich ſonſt
mei-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie für das DTA ausgewählte Ausgabe von 1701 vere… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |