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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Uberfl. gedancken andere gattung
lumpen-händeln gedient/ die ich nicht singen kan. Komm
her/ wir wollen eins mit einander musiciren.
Gil. Da singe den discant in der unter-octave/ ich
will den baß in der ober-octave fistuliren.
Fill. Was ist der inhalt?
Gil. Es ist auff die leute gericht/ die sich in den ge-
dancken verlieben/ allemahl voller melancholischen
grillen seyn/ und der liebsten nahmen an alle wände/ an
alle bäume/ an alle bücher kratzen/ ob schon die gute
jungfer nicht einmahl nachricht hat/ daß sie so ein un-
glück gestifftet hat.
Fill. So wird es gar tröstlich kommen/ nur gib mir
keinen stich.
Gil. Jch weiß wol daß du manchen abend auff der
gasse herum gehst/ und die jungfer-thüren bloqvirt häl-
test/ doch du solst selber bekennen/ daß ich deiner ver-
schont habe.

WUchert ja nicht in gedancken
Jhr verliebten seelen ihr:
Denn in diesem engen schrancken
Uberkömmt man keine zier.
Weg mit diesem hertzeleide/
Ausser uns besteht die freude.
Die gedancken sind nur wind/
Wenn sie noch so köstlich sind.
2. Manche stunde wird zu schanden/
Mancher schöner tag verdirbt/
Weil man in den eitlen banden
Nichts als solchen rauch erwirbt.
Da gedenckt man um die wette/
Wenn ich könte/ wenn ich hätte/
Und je mehr man denckt und dicht/
Desto
Uberfl. gedancken andere gattung
lumpen-haͤndeln gedient/ die ich nicht ſingen kan. Kom̃
her/ wir wollen eins mit einander muſiciren.
Gil. Da ſinge den diſcant in der unter-octave/ ich
will den baß in der ober-octave fiſtuliren.
Fill. Was iſt der inhalt?
Gil. Es iſt auff die leute gericht/ die ſich in den ge-
dancken verlieben/ allemahl voller melancholiſchen
grillen ſeyn/ und der liebſten nahmen an alle waͤnde/ an
alle baͤume/ an alle buͤcher kratzen/ ob ſchon die gute
jungfer nicht einmahl nachricht hat/ daß ſie ſo ein un-
gluͤck geſtifftet hat.
Fill. So wird es gar troͤſtlich kommen/ nur gib mir
keinen ſtich.
Gil. Jch weiß wol daß du manchen abend auff der
gaſſe herum gehſt/ und die jungfer-thuͤren bloqvirt haͤl-
teſt/ doch du ſolſt ſelber bekennen/ daß ich deiner ver-
ſchont habe.

WUchert ja nicht in gedancken
Jhr verliebten ſeelen ihr:
Denn in dieſem engen ſchrancken
Uberkoͤmmt man keine zier.
Weg mit dieſem hertzeleide/
Auſſer uns beſteht die freude.
Die gedancken ſind nur wind/
Wenn ſie noch ſo koͤſtlich ſind.
2. Manche ſtunde wird zu ſchanden/
Mancher ſchoͤner tag verdirbt/
Weil man in den eitlen banden
Nichts als ſolchen rauch erwirbt.
Da gedenckt man um die wette/
Wenn ich koͤnte/ wenn ich haͤtte/
Und je mehr man denckt und dicht/
Deſto
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[356/0372] Uberfl. gedancken andere gattung lumpen-haͤndeln gedient/ die ich nicht ſingen kan. Kom̃ her/ wir wollen eins mit einander muſiciren. Gil. Da ſinge den diſcant in der unter-octave/ ich will den baß in der ober-octave fiſtuliren. Fill. Was iſt der inhalt? Gil. Es iſt auff die leute gericht/ die ſich in den ge- dancken verlieben/ allemahl voller melancholiſchen grillen ſeyn/ und der liebſten nahmen an alle waͤnde/ an alle baͤume/ an alle buͤcher kratzen/ ob ſchon die gute jungfer nicht einmahl nachricht hat/ daß ſie ſo ein un- gluͤck geſtifftet hat. Fill. So wird es gar troͤſtlich kommen/ nur gib mir keinen ſtich. Gil. Jch weiß wol daß du manchen abend auff der gaſſe herum gehſt/ und die jungfer-thuͤren bloqvirt haͤl- teſt/ doch du ſolſt ſelber bekennen/ daß ich deiner ver- ſchont habe. WUchert ja nicht in gedancken Jhr verliebten ſeelen ihr: Denn in dieſem engen ſchrancken Uberkoͤmmt man keine zier. Weg mit dieſem hertzeleide/ Auſſer uns beſteht die freude. Die gedancken ſind nur wind/ Wenn ſie noch ſo koͤſtlich ſind. 2. Manche ſtunde wird zu ſchanden/ Mancher ſchoͤner tag verdirbt/ Weil man in den eitlen banden Nichts als ſolchen rauch erwirbt. Da gedenckt man um die wette/ Wenn ich koͤnte/ wenn ich haͤtte/ Und je mehr man denckt und dicht/ Deſto

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/372>, abgerufen am 11.06.2024.