Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Der triumphirenden keuschheit mit deinem vater fertig bin/ soll deiner auch gedachtwerden/ fort alter. (Führt den Ephialtes weg.) Pick. Wer will einen hasen sehen/ dem das fell biß an den kopff gestreiffelt ist? wer will eine wilde sau se- hen/ die das weidemesser noch im leibe stecken hat/ ach der sehe den armen und gemarterten Pickelhä- ring an. Mein kopff ist wie ein dürrer kühfladen/ darinnen kein goldkäfer einiges trostes herberge hat: mein poeten-kasten ist wie ein ameißhauffen/ dem die eyer gestohlen sind; und meine invention- kammer ist wie ein kirmes-kuchen/ da die rosinen ab- geklaubt seyn. Ach die brandteweinflasche mei- ner weißheit hat ein loch bekommen/ und das Zerb- ster-bier meiner erfahrenheit ist sauer worden. Die citronen meiner fröligkeit haben sich in tanznapfen verwandelt/ und die pomerantzen meiner zuversicht sind zu pferd-äpffeln worden. O es ist um mich und um alle häscher geschehen/ o hätte ich mich er- stechen lassen/ so dörffte ich itzt nicht hengelbeeren fressen/ o wer itzt ein kind im leibe hätte/ so müsten sie mich zum wenigsten die sechs wochen aushalten lassen! O wann doch allen scharffrichtern und schinderknechten die hände verkrummten/ daß mich keiner anknüpffen könte. O wann doch alle holtz- würme nichts anders fressen wolten/ als galgen- holtz. O tod! o tod! wie bist du so bitter. Mel. Was hör ich! hör ich nicht meinen liebsten Pi- ckelhäring? ach Pickelhäring! lebst du noch? Pick. Bin ich nicht gnug geplagt/ wollt ihr mir auch vollends den kopff warm machen? Mel. Mein tausend-schatz! verstehet mich doch recht/ ich
Der triumphirenden keuſchheit mit deinem vater fertig bin/ ſoll deiner auch gedachtwerden/ fort alter. (Fuͤhrt den Ephialtes weg.) Pick. Wer will einen haſen ſehen/ dem das fell biß an den kopff geſtreiffelt iſt? wer will eine wilde ſau ſe- hen/ die das weidemeſſer noch im leibe ſtecken hat/ ach der ſehe den armen und gemarterten Pickelhaͤ- ring an. Mein kopff iſt wie ein duͤrrer kuͤhfladen/ darinnen kein goldkaͤfer einiges troſtes herberge hat: mein poeten-kaſten iſt wie ein ameißhauffen/ dem die eyer geſtohlen ſind; und meine invention- kammer iſt wie ein kirmes-kuchen/ da die roſinen ab- geklaubt ſeyn. Ach die brandteweinflaſche mei- ner weißheit hat ein loch bekommen/ und das Zerb- ſter-bier meiner erfahrenheit iſt ſauer worden. Die citronen meiner froͤligkeit haben ſich in tanznapfen verwandelt/ und die pomerantzen meiner zuverſicht ſind zu pferd-aͤpffeln worden. O es iſt um mich und um alle haͤſcher geſchehen/ o haͤtte ich mich er- ſtechen laſſen/ ſo doͤrffte ich itzt nicht hengelbeeren freſſen/ o wer itzt ein kind im leibe haͤtte/ ſo muͤſten ſie mich zum wenigſten die ſechs wochen aushalten laſſen! O wann doch allen ſcharffrichtern und ſchinderknechten die haͤnde verkrummten/ daß mich keiner anknuͤpffen koͤnte. O wann doch alle holtz- wuͤrme nichts anders freſſen wolten/ als galgen- holtz. O tod! o tod! wie biſt du ſo bitter. Mel. Was hoͤr ich! hoͤr ich nicht meinen liebſten Pi- ckelhaͤring? ach Pickelhaͤring! lebſt du noch? Pick. Bin ich nicht gnug geplagt/ wollt ihr mir auch vollends den kopff warm machen? Mel. Mein tauſend-ſchatz! verſtehet mich doch recht/ ich
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Der triumphirenden keuſchheit
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(Fuͤhrt den Ephialtes weg.)
Pick. Wer will einen haſen ſehen/ dem das fell biß an
den kopff geſtreiffelt iſt? wer will eine wilde ſau ſe-
hen/ die das weidemeſſer noch im leibe ſtecken hat/
ach der ſehe den armen und gemarterten Pickelhaͤ-
ring an. Mein kopff iſt wie ein duͤrrer kuͤhfladen/
darinnen kein goldkaͤfer einiges troſtes herberge
hat: mein poeten-kaſten iſt wie ein ameißhauffen/
dem die eyer geſtohlen ſind; und meine invention-
kammer iſt wie ein kirmes-kuchen/ da die roſinen ab-
geklaubt ſeyn. Ach die brandteweinflaſche mei-
ner weißheit hat ein loch bekommen/ und das Zerb-
ſter-bier meiner erfahrenheit iſt ſauer worden. Die
citronen meiner froͤligkeit haben ſich in tanznapfen
verwandelt/ und die pomerantzen meiner zuverſicht
ſind zu pferd-aͤpffeln worden. O es iſt um mich
und um alle haͤſcher geſchehen/ o haͤtte ich mich er-
ſtechen laſſen/ ſo doͤrffte ich itzt nicht hengelbeeren
freſſen/ o wer itzt ein kind im leibe haͤtte/ ſo muͤſten
ſie mich zum wenigſten die ſechs wochen aushalten
laſſen! O wann doch allen ſcharffrichtern und
ſchinderknechten die haͤnde verkrummten/ daß mich
keiner anknuͤpffen koͤnte. O wann doch alle holtz-
wuͤrme nichts anders freſſen wolten/ als galgen-
holtz. O tod! o tod! wie biſt du ſo bitter.
Mel. Was hoͤr ich! hoͤr ich nicht meinen liebſten Pi-
ckelhaͤring? ach Pickelhaͤring! lebſt du noch?
Pick. Bin ich nicht gnug geplagt/ wollt ihr mir auch
vollends den kopff warm machen?
Mel. Mein tauſend-ſchatz! verſtehet mich doch recht/
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/274>, abgerufen am 16.02.2025. |