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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Der triumphirenden keuschheit
Die vierdte Handlung.
Der schau-platz verwandelt sich in Floretto
gefängnis.
Bel.
JCh bin lange gnug verschwiegen gewesen/ ich habe
meinem heimlichen anliegen zeit gnug gelassen.
Meine seele! nun must du dem munde etliche un-
gewöhnliche worte zu gute halten: Floretto/ der
preiß von allen adelichen tugenden/ hat den preiß
meiner überwundenen liebe. Seine stattliche an-
kunfft hat die wenigste achtbarkeit bey mir vermeh-
ret. Seine großmütigkeit/ sein unbeflecktes le-
ben/ und seine überaus zierliche gestalt/ haben mich
erstlich in ein blosses gefallen/ hernachmals in die
hefftigste leidens-regung gebracht/ daß ich mein le-
ben ohne ihn kein leben heissen muß. Aber wo ist
mein werthester Floretto/ hat ihn nicht die unver-
antwortliche falschheit der geilen ehebrecherin zu
dem beschwerlichen gefängnis verdammet? muß
sich der zarte leib nicht in die eisen schicken/ und muß
die unschuld nicht über sich triumphiren lassen.
Ungerechte muhme! Was hat Floretto verschul-
det/ und wofern er einiger missethat schuldig befun-
den wird/ was habe dann ich gethan/ daß ich mit
ihm gestrafft werde? weist du nicht/ daß meine see-
le in seinem leibe wohnet/ und daß ich alles schmer-
tzens durch ihn theilhafftig werde? halte deine
grausamkeit zurücke und befördere zum wenigsten
durch seine qvaal meinen tod nicht. Hier ist der
schauplatz aller verfluchten ungerechtigkeit! Hier
ist der schatten der rachgierigen falschheit! Soll
die-
Der triumphirenden keuſchheit
Die vierdte Handlung.
Der ſchau-platz verwandelt ſich in Floretto
gefaͤngnis.
Bel.
JCh bin lange gnug verſchwiegen geweſen/ ich habe
meinem heimlichen anliegen zeit gnug gelaſſen.
Meine ſeele! nun muſt du dem munde etliche un-
gewoͤhnliche worte zu gute halten: Floretto/ der
preiß von allen adelichen tugenden/ hat den preiß
meiner uͤberwundenen liebe. Seine ſtattliche an-
kunfft hat die wenigſte achtbarkeit bey mir vermeh-
ret. Seine großmuͤtigkeit/ ſein unbeflecktes le-
ben/ und ſeine uͤberaus zierliche geſtalt/ haben mich
erſtlich in ein bloſſes gefallen/ hernachmals in die
hefftigſte leidens-regung gebracht/ daß ich mein le-
ben ohne ihn kein leben heiſſen muß. Aber wo iſt
mein wertheſter Floretto/ hat ihn nicht die unver-
antwortliche falſchheit der geilen ehebrecherin zu
dem beſchwerlichen gefaͤngnis verdammet? muß
ſich der zarte leib nicht in die eiſen ſchicken/ und muß
die unſchuld nicht uͤber ſich triumphiren laſſen.
Ungerechte muhme! Was hat Floretto verſchul-
det/ und wofern er einiger miſſethat ſchuldig befun-
den wird/ was habe dann ich gethan/ daß ich mit
ihm geſtrafft werde? weiſt du nicht/ daß meine ſee-
le in ſeinem leibe wohnet/ und daß ich alles ſchmer-
tzens durch ihn theilhafftig werde? halte deine
grauſamkeit zuruͤcke und befoͤrdere zum wenigſten
durch ſeine qvaal meinen tod nicht. Hier iſt der
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iſt der ſchatten der rachgierigen falſchheit! Soll
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[242/0258] Der triumphirenden keuſchheit Die vierdte Handlung. Der ſchau-platz verwandelt ſich in Floretto gefaͤngnis. Bel. JCh bin lange gnug verſchwiegen geweſen/ ich habe meinem heimlichen anliegen zeit gnug gelaſſen. Meine ſeele! nun muſt du dem munde etliche un- gewoͤhnliche worte zu gute halten: Floretto/ der preiß von allen adelichen tugenden/ hat den preiß meiner uͤberwundenen liebe. Seine ſtattliche an- kunfft hat die wenigſte achtbarkeit bey mir vermeh- ret. Seine großmuͤtigkeit/ ſein unbeflecktes le- ben/ und ſeine uͤberaus zierliche geſtalt/ haben mich erſtlich in ein bloſſes gefallen/ hernachmals in die hefftigſte leidens-regung gebracht/ daß ich mein le- ben ohne ihn kein leben heiſſen muß. Aber wo iſt mein wertheſter Floretto/ hat ihn nicht die unver- antwortliche falſchheit der geilen ehebrecherin zu dem beſchwerlichen gefaͤngnis verdammet? muß ſich der zarte leib nicht in die eiſen ſchicken/ und muß die unſchuld nicht uͤber ſich triumphiren laſſen. Ungerechte muhme! Was hat Floretto verſchul- det/ und wofern er einiger miſſethat ſchuldig befun- den wird/ was habe dann ich gethan/ daß ich mit ihm geſtrafft werde? weiſt du nicht/ daß meine ſee- le in ſeinem leibe wohnet/ und daß ich alles ſchmer- tzens durch ihn theilhafftig werde? halte deine grauſamkeit zuruͤcke und befoͤrdere zum wenigſten durch ſeine qvaal meinen tod nicht. Hier iſt der ſchauplatz aller verfluchten ungerechtigkeit! Hier iſt der ſchatten der rachgierigen falſchheit! Soll die-

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/258>, abgerufen am 25.11.2024.