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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Uberflüssiger gedancken
XII.
An das hochwerthe Deutschland wegen
dieser lieder.
DU liebstes vaterland! vergönne deinem sohne/
Daß er sein eitles thun der welt zu schauen giebt/
Jch sehne mich darbey nach keinem andern lohne/
Als wann die hohe gunst den guten willen liebt.
Jch muß es zwar gestehn/ es sind geringe sachen/
Daraus ein blosser schertz/ und sonsten nichts entspringt/
Jedoch/ ein kurtzes lied kan sich belieblich machen/
Wann nur die rechte zeit es auf die bahne bringt:
Jch bin kein Opitz nicht/ der bleibt noch unser Meister/
Und sein berühmter thon reist durch das sternen-dach/
Hingegen fliegen sonst die lobens-werthen geister
Kaum auf den halben weg mit schwachen federn nach.
Wiewohl ich darff mich nicht in die gesellschafft mengen/
Die durch den lorber-zweig das haar um sich verbindt/
Mein glücke führt mich sonst auf kunst-beliebten gängen/
Da dieses neben-werck gar wenig stunden findt.
Doch liebstes Vaterland/ ich werde dir gefallen/
Daß ich im schreiben nicht ein sprach-tyranne bin/
Jch folge deiner zier/ und richte mich in allen
Auff alte reinigkeit und neue kurtzweil hin/
Jch bin so eckel nicht/ ich lasse mir belieben/
Was die gewohnheit itzt in langen brauch gebracht/
Hätt unser alterthum nicht so und so geschrieben/
So hätt es dieser kiel auch anders nachgemacht.
Und weil die Teutschen viel aus andern sprachen borgen/
So muß ich ebenfalls mich auch darzu verstehn:
Ein ander/ dens verdreust/ mag sich zu tode sorgen/
Gnug/ daß die Verse gut/ die Lieder lieblich gehn/
Jst diß nicht puppenwerck/ wer etwas grosses heissen/
Und seinen lorbeer-krantz mit golde zieren will/
Der muß das ABC aus seiner ordnung schmeissen/
Bald hat er nicht genug/ bald hat er gar zu viel/
Da ist ein wort nicht recht/ das haben die Lateiner/
Gelehnt u. nicht geschenckt; das kommt aus Griechenland/
Da
Uberfluͤſſiger gedancken
XII.
An das hochwerthe Deutſchland wegen
dieſer lieder.
DU liebſtes vaterland! vergoͤnne deinem ſohne/
Daß er ſein eitles thun der welt zu ſchauen giebt/
Jch ſehne mich darbey nach keinem andern lohne/
Als wann die hohe gunſt den guten willen liebt.
Jch muß es zwar geſtehn/ es ſind geringe ſachen/
Daraus ein bloſſer ſchertz/ und ſonſten nichts entſpringt/
Jedoch/ ein kurtzes lied kan ſich belieblich machen/
Wann nur die rechte zeit es auf die bahne bringt:
Jch bin kein Opitz nicht/ der bleibt noch unſer Meiſter/
Und ſein beruͤhmter thon reiſt durch das ſternen-dach/
Hingegen fliegen ſonſt die lobens-werthen geiſter
Kaum auf den halben weg mit ſchwachen federn nach.
Wiewohl ich darff mich nicht in die geſellſchafft mengen/
Die durch den lorber-zweig das haar um ſich verbindt/
Mein gluͤcke fuͤhrt mich ſonſt auf kunſt-beliebten gaͤngen/
Da dieſes neben-werck gar wenig ſtunden findt.
Doch liebſtes Vaterland/ ich werde dir gefallen/
Daß ich im ſchreiben nicht ein ſprach-tyranne bin/
Jch folge deiner zier/ und richte mich in allen
Auff alte reinigkeit und neue kurtzweil hin/
Jch bin ſo eckel nicht/ ich laſſe mir belieben/
Was die gewohnheit itzt in langen brauch gebracht/
Haͤtt unſer alterthum nicht ſo und ſo geſchrieben/
So haͤtt es dieſer kiel auch anders nachgemacht.
Und weil die Teutſchen viel aus andern ſprachen borgen/
So muß ich ebenfalls mich auch darzu verſtehn:
Ein ander/ dens verdreuſt/ mag ſich zu tode ſorgen/
Gnug/ daß die Verſe gut/ die Lieder lieblich gehn/
Jſt diß nicht puppenwerck/ wer etwas groſſes heiſſen/
Und ſeinen lorbeer-krantz mit golde zieren will/
Der muß das ABC aus ſeiner ordnung ſchmeiſſen/
Bald hat er nicht genug/ bald hat er gar zu viel/
Da iſt ein wort nicht recht/ das haben die Lateiner/
Gelehnt u. nicht geſchenckt; das kom̃t aus Griechenland/
Da
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[194/0210] Uberfluͤſſiger gedancken XII. An das hochwerthe Deutſchland wegen dieſer lieder. DU liebſtes vaterland! vergoͤnne deinem ſohne/ Daß er ſein eitles thun der welt zu ſchauen giebt/ Jch ſehne mich darbey nach keinem andern lohne/ Als wann die hohe gunſt den guten willen liebt. Jch muß es zwar geſtehn/ es ſind geringe ſachen/ Daraus ein bloſſer ſchertz/ und ſonſten nichts entſpringt/ Jedoch/ ein kurtzes lied kan ſich belieblich machen/ Wann nur die rechte zeit es auf die bahne bringt: Jch bin kein Opitz nicht/ der bleibt noch unſer Meiſter/ Und ſein beruͤhmter thon reiſt durch das ſternen-dach/ Hingegen fliegen ſonſt die lobens-werthen geiſter Kaum auf den halben weg mit ſchwachen federn nach. Wiewohl ich darff mich nicht in die geſellſchafft mengen/ Die durch den lorber-zweig das haar um ſich verbindt/ Mein gluͤcke fuͤhrt mich ſonſt auf kunſt-beliebten gaͤngen/ Da dieſes neben-werck gar wenig ſtunden findt. Doch liebſtes Vaterland/ ich werde dir gefallen/ Daß ich im ſchreiben nicht ein ſprach-tyranne bin/ Jch folge deiner zier/ und richte mich in allen Auff alte reinigkeit und neue kurtzweil hin/ Jch bin ſo eckel nicht/ ich laſſe mir belieben/ Was die gewohnheit itzt in langen brauch gebracht/ Haͤtt unſer alterthum nicht ſo und ſo geſchrieben/ So haͤtt es dieſer kiel auch anders nachgemacht. Und weil die Teutſchen viel aus andern ſprachen borgen/ So muß ich ebenfalls mich auch darzu verſtehn: Ein ander/ dens verdreuſt/ mag ſich zu tode ſorgen/ Gnug/ daß die Verſe gut/ die Lieder lieblich gehn/ Jſt diß nicht puppenwerck/ wer etwas groſſes heiſſen/ Und ſeinen lorbeer-krantz mit golde zieren will/ Der muß das ABC aus ſeiner ordnung ſchmeiſſen/ Bald hat er nicht genug/ bald hat er gar zu viel/ Da iſt ein wort nicht recht/ das haben die Lateiner/ Gelehnt u. nicht geſchenckt; das kom̃t aus Griechenland/ Da

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/210>, abgerufen am 19.05.2024.