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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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kam ein fremder Kerle/ der von aussen Anse-
hens genug hatte/ einen Candidatum Juris,
oder wohl gar einen Gräfflichen Gerichts-
Verwalter zu bedeuten/ diesen hieß der Wirth
alsobald wilkommen seyn/ fragte ob er nicht
seinen Verrichtungen so viel abbrechen könnte/
den vornehmen Gästen Gesellschafft zu leisten.
Er wegerte sich anfangs/ es wäre gleich Post-
Tag/ da er warten müsse/ ob nicht Brieffe von
seinem Principalen ankämen: Doch habe er
seinem Secretario Befehl gegeben/ im Post-
hause nach zufragen/ und könne er endlich so
lange/ und nicht weiter verziehen. Hierauff
bat der Wirth/ sie möchten sich nicht lassen zu-
wider seyn/ daß/ in dem er selbst ab und zuge-
hen müsse/ er einen andern zum Wirth ge-
macht hätte. Nun schiene der Kerle anfangs
trefflich reputirlich/ daß dem Hoffmeister selbst
angst war/ ob er den stattlichen qualificirten
Menschen hoch genug respectiren würde. Er
schwatzte von lauter Staats-Sachen/ und
setzte zu allen Erzehlungen solche artige Poli-
tische Regeln/ wuste darneben höffliche
Schertzreden mit einzumischen/ daß man ge-
meynet hätte/ er müste einen Reichs-Rath in
dem Leibe haben. Niemand aber hatte das
Hertze zu fragen/ was er vor eine Charge be-
diente/ weil er alle seine Reden so einrichte-

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kam ein fremder Kerle/ der von auſſen Anſe-
hens genug hatte/ einen Candidatum Juris,
oder wohl gar einen Graͤfflichen Gerichts-
Verwalter zu bedeuten/ dieſen hieß der Wirth
alſobald wilkommen ſeyn/ fragte ob er nicht
ſeinen Verrichtungen ſo viel abbrechen koͤñte/
den vornehmen Gaͤſten Geſellſchafft zu leiſten.
Er wegerte ſich anfangs/ es waͤre gleich Poſt-
Tag/ da er warten muͤſſe/ ob nicht Brieffe von
ſeinem Principalen ankaͤmen: Doch habe er
ſeinem Secretario Befehl gegeben/ im Poſt-
hauſe nach zufragen/ und koͤnne er endlich ſo
lange/ und nicht weiter verziehen. Hierauff
bat der Wirth/ ſie moͤchten ſich nicht laſſen zu-
wider ſeyn/ daß/ in dem er ſelbſt ab und zuge-
hen muͤſſe/ er einen andern zum Wirth ge-
macht haͤtte. Nun ſchiene der Kerle anfangs
trefflich reputirlich/ daß dem Hoffmeiſter ſelbſt
angſt war/ ob er den ſtattlichen qualificirten
Menſchen hoch genug reſpectiren wuͤrde. Er
ſchwatzte von lauter Staats-Sachen/ und
ſetzte zu allen Erzehlungen ſolche artige Poli-
tiſche Regeln/ wuſte darneben hoͤffliche
Schertzreden mit einzumiſchen/ daß man ge-
meynet haͤtte/ er muͤſte einen Reichs-Rath in
dem Leibe haben. Niemand aber hatte das
Hertze zu fragen/ was er vor eine Charge be-
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[40/0046] kam ein fremder Kerle/ der von auſſen Anſe- hens genug hatte/ einen Candidatum Juris, oder wohl gar einen Graͤfflichen Gerichts- Verwalter zu bedeuten/ dieſen hieß der Wirth alſobald wilkommen ſeyn/ fragte ob er nicht ſeinen Verrichtungen ſo viel abbrechen koͤñte/ den vornehmen Gaͤſten Geſellſchafft zu leiſten. Er wegerte ſich anfangs/ es waͤre gleich Poſt- Tag/ da er warten muͤſſe/ ob nicht Brieffe von ſeinem Principalen ankaͤmen: Doch habe er ſeinem Secretario Befehl gegeben/ im Poſt- hauſe nach zufragen/ und koͤnne er endlich ſo lange/ und nicht weiter verziehen. Hierauff bat der Wirth/ ſie moͤchten ſich nicht laſſen zu- wider ſeyn/ daß/ in dem er ſelbſt ab und zuge- hen muͤſſe/ er einen andern zum Wirth ge- macht haͤtte. Nun ſchiene der Kerle anfangs trefflich reputirlich/ daß dem Hoffmeiſter ſelbſt angſt war/ ob er den ſtattlichen qualificirten Menſchen hoch genug reſpectiren wuͤrde. Er ſchwatzte von lauter Staats-Sachen/ und ſetzte zu allen Erzehlungen ſolche artige Poli- tiſche Regeln/ wuſte darneben hoͤffliche Schertzreden mit einzumiſchen/ daß man ge- meynet haͤtte/ er muͤſte einen Reichs-Rath in dem Leibe haben. Niemand aber hatte das Hertze zu fragen/ was er vor eine Charge be- diente/ weil er alle ſeine Reden ſo einrichte- te/

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/46>, abgerufen am 22.11.2024.