Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

Bild:
<< vorherige Seite


nach dem Superlativo in der Narrheit. Was
bildet er sich mit seiner vornehmen Charge ein?
weiß er nicht/ wenn die Schweine auf den
Möhren oder Rüben-Acker kommen/ so er-
wischt die gröste Sau gemeimglich das grö-
ste Stücke. Es fällt mir bey/ was in der al-
ten Kirchen-Historie von einem Bischoff er-
zehlet wird. Dieser ließ sich viel düncken/ daß
er so ein vornehmes Ammt erlanget hätte/ und
sahe alle andere Leute gegen ihm zu rechnen
vor Katzen an. Endlich erschien ihm im
Schlaffe ein Engel/ und redete ihn also an:
Warumb erhebst du dich deines hohen Be-
ruffs/ meynst du/ daß deine Qvalitäten solches
verdient haben? Ach nein/ die Gemeine ist kei-
nes bessern Bischoffs werth gewesen. Mich
dünckt/ wer manchen Rath/ Superintenden-
ten/ Bürgermeister/ Ammtmann/ Richter und
dergleichen anatomiren solte/ es würde nichts
anders herauß kommen/ als Gott habe die
Gemeine nicht ärger straffen können/ als mit
so einem geschnitzten Palm-Esel/ dem man
nun fast göttliche Ehre anthun müsse. Hier
sagte einer am Tische/ er hätte solches in
der That offt erfahren. Jch kenne/ sagte er/
einen Burgemeister/ der will sich an den Grie-
chischen Patribus zu tode lesen: einen Super-

in-


nach dem Superlativo in der Narrheit. Was
bildet er ſich mit ſeiner vornehmen Charge ein?
weiß er nicht/ wenn die Schweine auf den
Moͤhren oder Ruͤben-Acker kommen/ ſo er-
wiſcht die groͤſte Sau gemeimglich das groͤ-
ſte Stuͤcke. Es faͤllt mir bey/ was in der al-
ten Kirchen-Hiſtorie von einem Biſchoff er-
zehlet wird. Dieſer ließ ſich viel duͤncken/ daß
er ſo ein vornehmes Ammt erlanget haͤtte/ und
ſahe alle andere Leute gegen ihm zu rechnen
vor Katzen an. Endlich erſchien ihm im
Schlaffe ein Engel/ und redete ihn alſo an:
Warumb erhebſt du dich deines hohen Be-
ruffs/ meynſt du/ daß deine Qvalitaͤten ſolches
verdient haben? Ach nein/ die Gemeine iſt kei-
nes beſſern Biſchoffs werth geweſen. Mich
duͤnckt/ wer manchen Rath/ Superintenden-
ten/ Buͤrgermeiſter/ Am̃tmann/ Richter und
dergleichen anatomiren ſolte/ es wuͤrde nichts
anders herauß kommen/ als Gott habe die
Gemeine nicht aͤrger ſtraffen koͤnnen/ als mit
ſo einem geſchnitzten Palm-Eſel/ dem man
nun faſt goͤttliche Ehre anthun muͤſſe. Hier
ſagte einer am Tiſche/ er haͤtte ſolches in
der That offt erfahren. Jch kenne/ ſagte er/
einen Burgemeiſter/ der will ſich an den Grie-
chiſchen Patribus zu tode leſen: einen Super-

in-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0268" n="262"/><lb/>
nach dem <hi rendition="#aq">Superlativo</hi> in der Narrheit. Was<lb/>
bildet er &#x017F;ich mit &#x017F;einer vornehmen <hi rendition="#aq">Charge</hi> ein?<lb/>
weiß er nicht/ wenn die Schweine auf den<lb/>
Mo&#x0364;hren oder Ru&#x0364;ben-Acker kommen/ &#x017F;o er-<lb/>
wi&#x017F;cht die gro&#x0364;&#x017F;te Sau gemeimglich das gro&#x0364;-<lb/>
&#x017F;te Stu&#x0364;cke. Es fa&#x0364;llt mir bey/ was in der al-<lb/>
ten Kirchen-Hi&#x017F;torie von einem Bi&#x017F;choff er-<lb/>
zehlet wird. Die&#x017F;er ließ &#x017F;ich viel du&#x0364;ncken/ daß<lb/>
er &#x017F;o ein vornehmes Ammt erlanget ha&#x0364;tte/ und<lb/>
&#x017F;ahe alle andere Leute gegen ihm zu rechnen<lb/>
vor Katzen an. Endlich er&#x017F;chien ihm im<lb/>
Schlaffe ein Engel/ und redete ihn al&#x017F;o an:<lb/>
Warumb erheb&#x017F;t du dich deines hohen Be-<lb/>
ruffs/ meyn&#x017F;t du/ daß deine Qvalita&#x0364;ten &#x017F;olches<lb/>
verdient haben? Ach nein/ die Gemeine i&#x017F;t kei-<lb/>
nes be&#x017F;&#x017F;ern Bi&#x017F;choffs werth gewe&#x017F;en. Mich<lb/>
du&#x0364;nckt/ wer manchen Rath/ Superintenden-<lb/>
ten/ Bu&#x0364;rgermei&#x017F;ter/ Am&#x0303;tmann/ Richter und<lb/>
dergleichen <hi rendition="#aq">anatomiren</hi> &#x017F;olte/ es wu&#x0364;rde nichts<lb/>
anders herauß kommen/ als Gott habe die<lb/>
Gemeine nicht a&#x0364;rger &#x017F;traffen ko&#x0364;nnen/ als mit<lb/>
&#x017F;o einem ge&#x017F;chnitzten Palm-E&#x017F;el/ dem man<lb/>
nun fa&#x017F;t go&#x0364;ttliche Ehre anthun mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Hier<lb/>
&#x017F;agte einer am Ti&#x017F;che/ er ha&#x0364;tte &#x017F;olches in<lb/>
der That offt erfahren. Jch kenne/ &#x017F;agte er/<lb/>
einen Burgemei&#x017F;ter/ der will &#x017F;ich an den Grie-<lb/>
chi&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Patribus</hi> zu tode le&#x017F;en: einen Super-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">in-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[262/0268] nach dem Superlativo in der Narrheit. Was bildet er ſich mit ſeiner vornehmen Charge ein? weiß er nicht/ wenn die Schweine auf den Moͤhren oder Ruͤben-Acker kommen/ ſo er- wiſcht die groͤſte Sau gemeimglich das groͤ- ſte Stuͤcke. Es faͤllt mir bey/ was in der al- ten Kirchen-Hiſtorie von einem Biſchoff er- zehlet wird. Dieſer ließ ſich viel duͤncken/ daß er ſo ein vornehmes Ammt erlanget haͤtte/ und ſahe alle andere Leute gegen ihm zu rechnen vor Katzen an. Endlich erſchien ihm im Schlaffe ein Engel/ und redete ihn alſo an: Warumb erhebſt du dich deines hohen Be- ruffs/ meynſt du/ daß deine Qvalitaͤten ſolches verdient haben? Ach nein/ die Gemeine iſt kei- nes beſſern Biſchoffs werth geweſen. Mich duͤnckt/ wer manchen Rath/ Superintenden- ten/ Buͤrgermeiſter/ Am̃tmann/ Richter und dergleichen anatomiren ſolte/ es wuͤrde nichts anders herauß kommen/ als Gott habe die Gemeine nicht aͤrger ſtraffen koͤnnen/ als mit ſo einem geſchnitzten Palm-Eſel/ dem man nun faſt goͤttliche Ehre anthun muͤſſe. Hier ſagte einer am Tiſche/ er haͤtte ſolches in der That offt erfahren. Jch kenne/ ſagte er/ einen Burgemeiſter/ der will ſich an den Grie- chiſchen Patribus zu tode leſen: einen Super- in-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der Ausgabe handelt es sich um die 2. Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/268
Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/268>, abgerufen am 25.11.2024.