Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

Bild:
<< vorherige Seite
Vom Unterscheid der Sachen Das VIII.
Das Achte Capitel.
Vom Unterscheid der Sachen im ge-
meinen Wesen.

§. 1.

WJewohl das Menschliche Leben vornemlich auff denen Per-
sonen beruhet: so kan es doch/ der Nothdürfftigkeit des Lei-
bes wegen/ ohne gewisse Mittel weder natürlich geführt/ noch
Moralischer Weise regiert werden. Dahero wie die Zahlen zwar
durch Absonderung unsers Verstandes vor sich ohne Zuthun der zahl-
bahrn Dinge betrachtet/ keines weges aber in der That ohne gewisse
Dinge/ die man zuzehlen hat/ dargestellt werden können: also kan man
die Personen des gemeinen Wesens auch wohl also bloß vor sich be-
trachten; in der That aber muß man sie allezeit als leibhaffte Perso-
nen an gewissen Orten/ in gewissem Stande/ bey gewissen Mitteln/ su-
chen/ durch welche sie/ wie man sagt/ subsistiren/ und in einer bestän-
digen Republiq beyeinander leben mögen.

Ohne/ daß man bißweilen/ wo es die Noth erfordert/ nur setzen
und statuiren oder davor halten lassen muß/ dieses oder jenes/ da oder
dort/ wäre die Person/ oder die Sache/ ob es gleich der Natur nach
unmöglich ist/ und sich anders befindet: als/ daß die Verlassenschafft die
Person des Verstorbenen darstelle: daß/ was geschehen ist/ nicht ge-
schehen seyn soll/ etc. Und dieses thut man des gemeinen bestens we-
gen/ welches gar oft zerrüttet werden würde/ wann man bey dieser Mo-
ralischen Welt sich in allen gantz und gar nach der natürlichen Welt
(welche von Gott alleine ihre Beständigkeit hat/ und keines solchen
supponirens bedarff) richten wolte: und dieses ist eine von den vor-
nehmsten Politischen Anmerckungen/ worinnen eben die Moralischen
Sachen von den natürlichen gar augenscheinlich unterschieden sind/
wie hernach weiter folgen wird.

§. 2. Gleichwie aber durch die theilbaren Sachen/ in welchen
die Zahlen stecken/ auch das sonst gar untheilbare Eins theilbar wird/
nicht zwar so fern es Eins/ sondern so fern es ein mehrtheiligtes Gan-

tzes
Vom Unterſcheid der Sachen Das VIII.
Das Achte Capitel.
Vom Unterſcheid der Sachen im ge-
meinen Weſen.

§. 1.

WJewohl das Menſchliche Leben vornemlich auff denen Per-
ſonen beruhet: ſo kan es doch/ der Nothduͤrfftigkeit des Lei-
bes wegen/ ohne gewiſſe Mittel weder natuͤrlich gefuͤhrt/ noch
Moraliſcher Weiſe regiert werden. Dahero wie die Zahlen zwar
durch Abſonderung unſers Verſtandes vor ſich ohne Zuthun der zahl-
bahrn Dinge betrachtet/ keines weges aber in der That ohne gewiſſe
Dinge/ die man zuzehlen hat/ dargeſtellt werden koͤnnen: alſo kan man
die Perſonen des gemeinen Weſens auch wohl alſo bloß vor ſich be-
trachten; in der That aber muß man ſie allezeit als leibhaffte Perſo-
nen an gewiſſen Orten/ in gewiſſem Stande/ bey gewiſſen Mitteln/ ſu-
chen/ durch welche ſie/ wie man ſagt/ ſubſiſtiren/ und in einer beſtaͤn-
digen Republiq beyeinander leben moͤgen.

Ohne/ daß man bißweilen/ wo es die Noth erfordert/ nur ſetzen
und ſtatuiren oder davor halten laſſen muß/ dieſes oder jenes/ da oder
dort/ waͤre die Perſon/ oder die Sache/ ob es gleich der Natur nach
unmoͤglich iſt/ und ſich anders befindet: als/ daß die Verlaſſenſchafft die
Perſon des Verſtorbenen darſtelle: daß/ was geſchehen iſt/ nicht ge-
ſchehen ſeyn ſoll/ ꝛc. Und dieſes thut man des gemeinen beſtens we-
gen/ welches gar oft zerruͤttet werden wuͤrde/ wann man bey dieſer Mo-
raliſchen Welt ſich in allen gantz und gar nach der natuͤrlichen Welt
(welche von Gott alleine ihre Beſtaͤndigkeit hat/ und keines ſolchen
ſupponirens bedarff) richten wolte: und dieſes iſt eine von den vor-
nehmſten Politiſchen Anmerckungen/ worinnen eben die Moraliſchen
Sachen von den natuͤrlichen gar augenſcheinlich unterſchieden ſind/
wie hernach weiter folgen wird.

§. 2. Gleichwie aber durch die theilbaren Sachen/ in welchen
die Zahlen ſtecken/ auch das ſonſt gar untheilbare Eins theilbar wird/
nicht zwar ſo fern es Eins/ ſondern ſo fern es ein mehrtheiligtes Gan-

tzes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0052" n="42"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vom Unter&#x017F;cheid der Sachen Das <hi rendition="#aq">VIII.</hi></hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#fr">Das Achte Capitel.<lb/>
Vom Unter&#x017F;cheid der Sachen im ge-<lb/>
meinen We&#x017F;en.</hi> </head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#i">§.</hi> 1.</hi> </p><lb/>
          <p><hi rendition="#in">W</hi>Jewohl das Men&#x017F;chliche Leben vornemlich auff denen Per-<lb/>
&#x017F;onen beruhet: &#x017F;o kan es doch/ der Nothdu&#x0364;rfftigkeit des Lei-<lb/>
bes wegen/ ohne gewi&#x017F;&#x017F;e Mittel weder natu&#x0364;rlich gefu&#x0364;hrt/ noch<lb/>
Morali&#x017F;cher Wei&#x017F;e regiert werden. Dahero wie die Zahlen zwar<lb/>
durch Ab&#x017F;onderung un&#x017F;ers Ver&#x017F;tandes vor &#x017F;ich ohne Zuthun der zahl-<lb/>
bahrn Dinge betrachtet/ keines weges aber in der That ohne gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Dinge/ die man zuzehlen hat/ darge&#x017F;tellt werden ko&#x0364;nnen: al&#x017F;o kan man<lb/>
die Per&#x017F;onen des gemeinen We&#x017F;ens auch wohl al&#x017F;o bloß vor &#x017F;ich be-<lb/>
trachten; in der That aber muß man &#x017F;ie allezeit als leibhaffte Per&#x017F;o-<lb/>
nen an gewi&#x017F;&#x017F;en Orten/ in gewi&#x017F;&#x017F;em Stande/ bey gewi&#x017F;&#x017F;en Mitteln/ &#x017F;u-<lb/>
chen/ durch welche &#x017F;ie/ wie man &#x017F;agt/ <hi rendition="#aq">&#x017F;ub&#x017F;i&#x017F;ti</hi>ren/ und in einer be&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
digen Republiq beyeinander leben mo&#x0364;gen.</p><lb/>
          <p>Ohne/ daß man bißweilen/ wo es die Noth erfordert/ nur &#x017F;etzen<lb/>
und <hi rendition="#aq">&#x017F;tatui</hi>ren oder davor halten la&#x017F;&#x017F;en muß/ die&#x017F;es oder jenes/ da oder<lb/>
dort/ wa&#x0364;re die Per&#x017F;on/ oder die Sache/ ob es gleich der Natur nach<lb/>
unmo&#x0364;glich i&#x017F;t/ und &#x017F;ich anders befindet: als/ daß die Verla&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft die<lb/>
Per&#x017F;on des Ver&#x017F;torbenen dar&#x017F;telle: daß/ was ge&#x017F;chehen i&#x017F;t/ nicht ge-<lb/>
&#x017F;chehen &#x017F;eyn &#x017F;oll/ &#xA75B;c. Und die&#x017F;es thut man des gemeinen be&#x017F;tens we-<lb/>
gen/ welches gar oft zerru&#x0364;ttet werden wu&#x0364;rde/ wann man bey die&#x017F;er Mo-<lb/>
rali&#x017F;chen Welt &#x017F;ich in allen gantz und gar nach der natu&#x0364;rlichen Welt<lb/>
(welche von Gott alleine ihre Be&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit hat/ und keines &#x017F;olchen<lb/><hi rendition="#aq">&#x017F;upponi</hi>rens bedarff) richten wolte: und die&#x017F;es i&#x017F;t eine von den vor-<lb/>
nehm&#x017F;ten Politi&#x017F;chen Anmerckungen/ worinnen eben die Morali&#x017F;chen<lb/>
Sachen von den natu&#x0364;rlichen gar augen&#x017F;cheinlich unter&#x017F;chieden &#x017F;ind/<lb/>
wie hernach weiter folgen wird.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 2. Gleichwie aber durch die theilbaren Sachen/ in welchen<lb/>
die Zahlen &#x017F;tecken/ auch das &#x017F;on&#x017F;t gar untheilbare Eins theilbar wird/<lb/>
nicht zwar &#x017F;o fern es Eins/ &#x017F;ondern &#x017F;o fern es ein mehrtheiligtes <hi rendition="#fr">Gan-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">tzes</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0052] Vom Unterſcheid der Sachen Das VIII. Das Achte Capitel. Vom Unterſcheid der Sachen im ge- meinen Weſen. §. 1. WJewohl das Menſchliche Leben vornemlich auff denen Per- ſonen beruhet: ſo kan es doch/ der Nothduͤrfftigkeit des Lei- bes wegen/ ohne gewiſſe Mittel weder natuͤrlich gefuͤhrt/ noch Moraliſcher Weiſe regiert werden. Dahero wie die Zahlen zwar durch Abſonderung unſers Verſtandes vor ſich ohne Zuthun der zahl- bahrn Dinge betrachtet/ keines weges aber in der That ohne gewiſſe Dinge/ die man zuzehlen hat/ dargeſtellt werden koͤnnen: alſo kan man die Perſonen des gemeinen Weſens auch wohl alſo bloß vor ſich be- trachten; in der That aber muß man ſie allezeit als leibhaffte Perſo- nen an gewiſſen Orten/ in gewiſſem Stande/ bey gewiſſen Mitteln/ ſu- chen/ durch welche ſie/ wie man ſagt/ ſubſiſtiren/ und in einer beſtaͤn- digen Republiq beyeinander leben moͤgen. Ohne/ daß man bißweilen/ wo es die Noth erfordert/ nur ſetzen und ſtatuiren oder davor halten laſſen muß/ dieſes oder jenes/ da oder dort/ waͤre die Perſon/ oder die Sache/ ob es gleich der Natur nach unmoͤglich iſt/ und ſich anders befindet: als/ daß die Verlaſſenſchafft die Perſon des Verſtorbenen darſtelle: daß/ was geſchehen iſt/ nicht ge- ſchehen ſeyn ſoll/ ꝛc. Und dieſes thut man des gemeinen beſtens we- gen/ welches gar oft zerruͤttet werden wuͤrde/ wann man bey dieſer Mo- raliſchen Welt ſich in allen gantz und gar nach der natuͤrlichen Welt (welche von Gott alleine ihre Beſtaͤndigkeit hat/ und keines ſolchen ſupponirens bedarff) richten wolte: und dieſes iſt eine von den vor- nehmſten Politiſchen Anmerckungen/ worinnen eben die Moraliſchen Sachen von den natuͤrlichen gar augenſcheinlich unterſchieden ſind/ wie hernach weiter folgen wird. §. 2. Gleichwie aber durch die theilbaren Sachen/ in welchen die Zahlen ſtecken/ auch das ſonſt gar untheilbare Eins theilbar wird/ nicht zwar ſo fern es Eins/ ſondern ſo fern es ein mehrtheiligtes Gan- tzes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/52
Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/52>, abgerufen am 22.11.2024.