Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.Von dem Recht Das XVII. geführt/ und heist Consuetudo, die Gewonheit. Dero natürli-che Gewißheit/ daß nehmlich dergleichen etlichmal geschehen und vor Recht angenommen worden/ müssen zum wenigsten 2. alte Leuthe bezeugen/ wenn davon nichts in publiquen Acten geschrie- ben zu finden. Seine Moralische Gewißheit aber ist ohne das richtig/ denn die Gewonheit gilt so viel/ ja mehr/ als das vorge- schriebene Recht/ nach welchem die Gewonheit erst auffgekom- men ist. §. 27. Was die Quantität belanget/ wenn man alles gar §. 28. Und dieses ist die vierfache Betrachtung des Rech- I. Jus-Civile, darunter 1. Leges, deren erste auff 12. Tafeln geschrieben. 2. Senatus Consulta, Raths-Schlüsse. 3- Plebiscita, Bürger-Schlüsse. 4. Responsa prudentum, angenommene Lehr-Urtheil. II. Jus praetorium, welches der Schultz zu Rom/ die Schärffe des Civil-Rechts also zu temperiren/ daß es doch das An- sehen habe als wenn das alte Civil-Recht nicht umbge- stossen wäre/ mit sonderlicher Klugheit eingeschoben. III. Consuetudines, Gewonheiten. IV. Constitutiones Principum, die Keyserlichen Abschiede/ nehmlich 1. Re-
Von dem Recht Das XVII. gefuͤhrt/ und heiſt Conſuetudo, die Gewonheit. Dero natuͤrli-che Gewißheit/ daß nehmlich dergleichen etlichmal geſchehen und vor Recht angenommen worden/ muͤſſen zum wenigſten 2. alte Leuthe bezeugen/ wenn davon nichts in publiquen Acten geſchrie- ben zu finden. Seine Moraliſche Gewißheit aber iſt ohne das richtig/ denn die Gewonheit gilt ſo viel/ ja mehr/ als das vorge- ſchriebene Recht/ nach welchem die Gewonheit erſt auffgekom- men iſt. §. 27. Was die Quantitaͤt belanget/ wenn man alles gar §. 28. Und dieſes iſt die vierfache Betrachtung des Rech- I. Jus-Civile, darunter 1. Leges, deren erſte auff 12. Tafeln geſchrieben. 2. Senatus Conſulta, Raths-Schluͤſſe. 3- Plebiſcita, Buͤrger-Schluͤſſe. 4. Reſponſa prudentum, angenommene Lehr-Urtheil. II. Jus prætorium, welches der Schultz zu Rom/ die Schaͤrffe des Civil-Rechts alſo zu temperiren/ daß es doch das An- ſehen habe als wenn das alte Civil-Recht nicht umbge- ſtoſſen waͤre/ mit ſonderlicher Klugheit eingeſchoben. III. Conſuetudines, Gewonheiten. IV. Conſtitutiones Principum, die Keyſerlichen Abſchiede/ nehmlich 1. Re-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0138" n="128"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem Recht Das <hi rendition="#aq">XVII.</hi></hi></fw><lb/> gefuͤhrt/ und heiſt <hi rendition="#aq">Conſuetudo,</hi> die Gewonheit. Dero natuͤrli-<lb/> che Gewißheit/ daß nehmlich dergleichen etlichmal geſchehen und<lb/> vor Recht angenommen worden/ muͤſſen zum wenigſten 2. alte<lb/> Leuthe bezeugen/ wenn davon nichts in publiquen Acten geſchrie-<lb/> ben zu finden. Seine Moraliſche Gewißheit aber iſt ohne das<lb/> richtig/ denn die Gewonheit gilt ſo viel/ ja mehr/ als das vorge-<lb/> ſchriebene Recht/ nach welchem die Gewonheit erſt auffgekom-<lb/> men iſt.</p><lb/> <p><hi rendition="#i">§.</hi> 27. Was die Quantitaͤt belanget/ wenn man alles gar<lb/> zu genaue nach dem bloſſen Wort-Verſtand annimpt/ ſo heiſt es<lb/> das <hi rendition="#aq">jus ſtrictum, jus ſummum,</hi> <hi rendition="#fr">das hoͤchſte Recht/</hi> davon das<lb/> Sprichwort iſt: <hi rendition="#aq">Summum jus, ſumma injuria,</hi> das hoͤchſte Recht/<lb/> die hoͤchſte Unbilligkeit. Wenn man aber die Wort nach Gele-<lb/> genheit des Orts/ der Zeit/ des Standes und dergleichen der na-<lb/> tuͤrlichen Billigkeit gemaͤß annimpt/ und gleichſam temperirt/ ſo<lb/> wird nicht ſo wohl das Recht/ daß die billige <hi rendition="#aq">reduction</hi> und Anle-<lb/> gung des Rechts/ daß es mit der natuͤrlichen Richtſamkeit in die-<lb/> ſem Fall uͤbereinſtimme/ <hi rendition="#aq">Æquitas,</hi> <hi rendition="#fr">die Billigkeit/</hi> genennet.</p><lb/> <p><hi rendition="#i">§.</hi> 28. Und dieſes iſt die vierfache Betrachtung des Rech-<lb/> tens/ nach ſeinem Grund und Zugehoͤrungen oder <hi rendition="#aq">principi</hi>en.<lb/> Nun hat das Recht an unterſchiedenen Orten unterſchiedene<lb/><hi rendition="#aq">ſpecies</hi> und Arten/ nach denen Urhebern/ die das Recht gemacht<lb/> oder zuſammen getragen haben. Und zwar kurtz durchzugehen;<lb/> ſo haben die Roͤmer gehabt</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">I. Jus-Civile,</hi> darunter<lb/><list><item>1. <hi rendition="#aq">Leges,</hi> deren erſte auff 12. Tafeln geſchrieben.</item><lb/><item>2. <hi rendition="#aq">Senatus Conſulta,</hi> Raths-Schluͤſſe.</item><lb/><item>3- <hi rendition="#aq">Plebiſcita,</hi> Buͤrger-Schluͤſſe.</item><lb/><item>4. <hi rendition="#aq">Reſponſa prudentum,</hi> angenommene Lehr-Urtheil.</item></list></item><lb/> <item><hi rendition="#aq">II. Jus prætorium,</hi> welches der Schultz zu Rom/ die Schaͤrffe<lb/> des Civil-Rechts alſo zu temperiren/ daß es doch das An-<lb/> ſehen habe als wenn das alte Civil-Recht nicht umbge-<lb/> ſtoſſen waͤre/ mit ſonderlicher Klugheit eingeſchoben.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">III. Conſuetudines,</hi> Gewonheiten.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">IV. Conſtitutiones Principum,</hi> die Keyſerlichen Abſchiede/<lb/> nehmlich<lb/> <fw place="bottom" type="catch">1. <hi rendition="#aq">Re-</hi></fw><lb/></item> </list> </div> </div> </body> </text> </TEI> [128/0138]
Von dem Recht Das XVII.
gefuͤhrt/ und heiſt Conſuetudo, die Gewonheit. Dero natuͤrli-
che Gewißheit/ daß nehmlich dergleichen etlichmal geſchehen und
vor Recht angenommen worden/ muͤſſen zum wenigſten 2. alte
Leuthe bezeugen/ wenn davon nichts in publiquen Acten geſchrie-
ben zu finden. Seine Moraliſche Gewißheit aber iſt ohne das
richtig/ denn die Gewonheit gilt ſo viel/ ja mehr/ als das vorge-
ſchriebene Recht/ nach welchem die Gewonheit erſt auffgekom-
men iſt.
§. 27. Was die Quantitaͤt belanget/ wenn man alles gar
zu genaue nach dem bloſſen Wort-Verſtand annimpt/ ſo heiſt es
das jus ſtrictum, jus ſummum, das hoͤchſte Recht/ davon das
Sprichwort iſt: Summum jus, ſumma injuria, das hoͤchſte Recht/
die hoͤchſte Unbilligkeit. Wenn man aber die Wort nach Gele-
genheit des Orts/ der Zeit/ des Standes und dergleichen der na-
tuͤrlichen Billigkeit gemaͤß annimpt/ und gleichſam temperirt/ ſo
wird nicht ſo wohl das Recht/ daß die billige reduction und Anle-
gung des Rechts/ daß es mit der natuͤrlichen Richtſamkeit in die-
ſem Fall uͤbereinſtimme/ Æquitas, die Billigkeit/ genennet.
§. 28. Und dieſes iſt die vierfache Betrachtung des Rech-
tens/ nach ſeinem Grund und Zugehoͤrungen oder principien.
Nun hat das Recht an unterſchiedenen Orten unterſchiedene
ſpecies und Arten/ nach denen Urhebern/ die das Recht gemacht
oder zuſammen getragen haben. Und zwar kurtz durchzugehen;
ſo haben die Roͤmer gehabt
I. Jus-Civile, darunter
1. Leges, deren erſte auff 12. Tafeln geſchrieben.
2. Senatus Conſulta, Raths-Schluͤſſe.
3- Plebiſcita, Buͤrger-Schluͤſſe.
4. Reſponſa prudentum, angenommene Lehr-Urtheil.
II. Jus prætorium, welches der Schultz zu Rom/ die Schaͤrffe
des Civil-Rechts alſo zu temperiren/ daß es doch das An-
ſehen habe als wenn das alte Civil-Recht nicht umbge-
ſtoſſen waͤre/ mit ſonderlicher Klugheit eingeſchoben.
III. Conſuetudines, Gewonheiten.
IV. Conſtitutiones Principum, die Keyſerlichen Abſchiede/
nehmlich
1. Re-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/138 |
Zitationshilfe: | Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/138>, abgerufen am 16.02.2025. |