Weigel, Valentin: Gnothi seauton. Nosce teipsum. Erkenne dich selbst. Neustadt, 1615.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

Eingang dieses Trattätleins.

Erkentnuß sein selbst ist auch nütze vnd gut/ wann man
sie dahin brauchet/ darzu sie Gott durch Christum ver-
ordnet hat/ nemlich daß man dadurch lerne erkennen/
wie ein jeder sein selbst gröster Feind sey/ vnnd wie man
von sich selber nichts sey/ noch vermöge alles von jhm
selber/ sondern alles was ein jeder ist/ vnnd vermöge/ sey
alles von der Gnaden Gottes/ vnd also soll sich ein jeder
täglich vor der gewaltigen Hand Gottes demütigen/ wie
Paulus lehret/ sich klein/ geringe/ vnd nidrig vor Gott/
vnd dem Menschen setzen/ also machet man GOtt den
Schöpffer groß/ alles vnd hoch/ wie dann in dem Leben
Christi (welches zu diesen zeiten gantz verfallen ist) auß-
drücklich allen Glaubigen vorgebildet wird. O wie ein
selige Erkendtnuß/ vnnd gnothi seauton ist das/ da
der Mensch durch all sein wissen/ können vnd vermögen/
täglich in jhm selber nidrig vnd klein wird! Dieser wird
Gott nahe/ ja Gott wird alles in jhm/ er will gerne nich-
tes seyn/ auff daß Gott alles in jhme sey vnd werde/ sol-
ches beger ich bey mir selber/ vnd bey allen Guthertzigen/
mit diesem meinem gnothi seauton außzurichten/
nemblich/ daß ich mich neben andern erkenne/ nach der
Natur/ vnd auß der natürlichen Erkentnuß gefuhret/
vnd geleytet werde zur Gnade/ das ist/ zu Christo/ dem
einigen Eckstein/ in welchem alle schetze der Weißheit/
vnd Erkentnuß gefunden werden/ Du darffst dich nicht
bekümmern vmb den Autorem, wer diß schreibe/ son-

dern

A iij

Eingang dieſes Trattaͤtleins.

Erkentnuß ſein ſelbſt iſt auch nuͤtze vnd gut/ wann man
ſie dahin brauchet/ darzu ſie Gott durch Chriſtum ver-
ordnet hat/ nemlich daß man dadurch lerne erkennen/
wie ein jeder ſein ſelbſt groͤſter Feind ſey/ vnnd wie man
von ſich ſelber nichts ſey/ noch vermoͤge alles von jhm
ſelber/ ſondern alles was ein jeder iſt/ vnnd vermoͤge/ ſey
alles von der Gnaden Gottes/ vnd alſo ſoll ſich ein jeder
taͤglich vor deꝛ gewaltigen Hand Gottes demuͤtigen/ wie
Paulus lehret/ ſich klein/ geringe/ vnd nidrig vor Gott/
vnd dem Menſchen ſetzen/ alſo machet man GOtt den
Schoͤpffer groß/ alles vnd hoch/ wie dann in dem Leben
Chriſti (welches zu dieſen zeiten gantz verfallen iſt) auß-
druͤcklich allen Glaubigen vorgebildet wird. O wie ein
ſelige Erkendtnuß/ vnnd gnothi ſeauton iſt das/ da
der Menſch durch all ſein wiſſen/ koͤnnen vnd vermoͤgen/
taͤglich in jhm ſelber nidrig vnd klein wird! Dieſer wird
Gott nahe/ ja Gott wird alles in jhm/ er will gerne nich-
tes ſeyn/ auff daß Gott alles in jhme ſey vnd werde/ ſol-
ches beger ich bey mir ſelber/ vnd bey allen Guthertzigen/
mit dieſem meinem gnothi ſeauton außzurichten/
nemblich/ daß ich mich neben andern erkenne/ nach der
Natur/ vnd auß der natuͤrlichen Erkentnuß gefůhret/
vnd geleytet werde zur Gnade/ das iſt/ zu Chriſto/ dem
einigen Eckſtein/ in welchem alle ſchetze der Weißheit/
vnd Erkentnuß gefunden werden/ Du darffſt dich nicht
bekuͤmmern vmb den Autorem, wer diß ſchreibe/ ſon-

dern

A iij

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0005" n="5"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Eingang die&#x017F;es Tratta&#x0364;tleins.</hi></fw><lb/>
Erkentnuß &#x017F;ein &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t auch nu&#x0364;tze vnd gut/ wann man<lb/>
&#x017F;ie dahin brauchet/ darzu &#x017F;ie Gott durch Chri&#x017F;tum ver-<lb/>
ordnet hat/ nemlich daß man dadurch lerne erkennen/<lb/>
wie ein jeder &#x017F;ein &#x017F;elb&#x017F;t gro&#x0364;&#x017F;ter Feind &#x017F;ey/ vnnd wie man<lb/>
von &#x017F;ich &#x017F;elber nichts &#x017F;ey/ noch vermo&#x0364;ge alles von jhm<lb/>
&#x017F;elber/ &#x017F;ondern alles was ein jeder i&#x017F;t/ vnnd vermo&#x0364;ge/ &#x017F;ey<lb/>
alles von der Gnaden Gottes/ vnd al&#x017F;o &#x017F;oll &#x017F;ich ein jeder<lb/>
ta&#x0364;glich vor de&#xA75B; gewaltigen Hand Gottes demu&#x0364;tigen/ wie<lb/>
Paulus lehret/ &#x017F;ich klein/ geringe/ vnd nidrig vor Gott/<lb/>
vnd dem Men&#x017F;chen &#x017F;etzen/ al&#x017F;o machet man GOtt den<lb/>
Scho&#x0364;pffer groß/ alles vnd hoch/ wie dann in dem Leben<lb/>
Chri&#x017F;ti (welches zu die&#x017F;en zeiten gantz verfallen i&#x017F;t) auß-<lb/>
dru&#x0364;cklich allen Glaubigen vorgebildet wird. O wie ein<lb/>
&#x017F;elige Erkendtnuß/ vnnd <hi rendition="#aq">gnothi &#x017F;eauton</hi> i&#x017F;t das/ da<lb/>
der Men&#x017F;ch durch all &#x017F;ein wi&#x017F;&#x017F;en/ ko&#x0364;nnen vnd vermo&#x0364;gen/<lb/>
ta&#x0364;glich in jhm &#x017F;elber nidrig vnd klein wird! Die&#x017F;er wird<lb/>
Gott nahe/ ja Gott wird alles in jhm/ er will gerne nich-<lb/>
tes &#x017F;eyn/ auff daß Gott alles in jhme &#x017F;ey vnd werde/ &#x017F;ol-<lb/>
ches beger ich bey mir &#x017F;elber/ vnd bey allen Guthertzigen/<lb/>
mit die&#x017F;em meinem <hi rendition="#aq">gnothi &#x017F;eauton</hi> außzurichten/<lb/>
nemblich/ daß ich mich neben andern erkenne/ nach der<lb/>
Natur/ vnd auß der natu&#x0364;rlichen Erkentnuß gef&#x016F;hret/<lb/>
vnd geleytet werde zur Gnade/ das i&#x017F;t/ zu Chri&#x017F;to/ dem<lb/>
einigen Eck&#x017F;tein/ in welchem alle &#x017F;chetze der Weißheit/<lb/>
vnd Erkentnuß gefunden werden/ Du darff&#x017F;t dich nicht<lb/>
beku&#x0364;mmern vmb den <hi rendition="#aq">Autorem,</hi> wer diß &#x017F;chreibe/ &#x017F;on-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A iij</fw><fw place="bottom" type="catch">dern</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[5/0005] Eingang dieſes Trattaͤtleins. Erkentnuß ſein ſelbſt iſt auch nuͤtze vnd gut/ wann man ſie dahin brauchet/ darzu ſie Gott durch Chriſtum ver- ordnet hat/ nemlich daß man dadurch lerne erkennen/ wie ein jeder ſein ſelbſt groͤſter Feind ſey/ vnnd wie man von ſich ſelber nichts ſey/ noch vermoͤge alles von jhm ſelber/ ſondern alles was ein jeder iſt/ vnnd vermoͤge/ ſey alles von der Gnaden Gottes/ vnd alſo ſoll ſich ein jeder taͤglich vor deꝛ gewaltigen Hand Gottes demuͤtigen/ wie Paulus lehret/ ſich klein/ geringe/ vnd nidrig vor Gott/ vnd dem Menſchen ſetzen/ alſo machet man GOtt den Schoͤpffer groß/ alles vnd hoch/ wie dann in dem Leben Chriſti (welches zu dieſen zeiten gantz verfallen iſt) auß- druͤcklich allen Glaubigen vorgebildet wird. O wie ein ſelige Erkendtnuß/ vnnd gnothi ſeauton iſt das/ da der Menſch durch all ſein wiſſen/ koͤnnen vnd vermoͤgen/ taͤglich in jhm ſelber nidrig vnd klein wird! Dieſer wird Gott nahe/ ja Gott wird alles in jhm/ er will gerne nich- tes ſeyn/ auff daß Gott alles in jhme ſey vnd werde/ ſol- ches beger ich bey mir ſelber/ vnd bey allen Guthertzigen/ mit dieſem meinem gnothi ſeauton außzurichten/ nemblich/ daß ich mich neben andern erkenne/ nach der Natur/ vnd auß der natuͤrlichen Erkentnuß gefůhret/ vnd geleytet werde zur Gnade/ das iſt/ zu Chriſto/ dem einigen Eckſtein/ in welchem alle ſchetze der Weißheit/ vnd Erkentnuß gefunden werden/ Du darffſt dich nicht bekuͤmmern vmb den Autorem, wer diß ſchreibe/ ſon- dern A iij

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_gnothi_1615
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_gnothi_1615/5
Zitationshilfe:	Weigel, Valentin: Gnothi seauton. Nosce teipsum. Erkenne dich selbst. Neustadt, 1615, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_gnothi_1615/5>, abgerufen am 23.11.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.